Menschenrechte
Václav-Havel-Menschenrechtspreis und sein Vermächtnis als Inspiration für heute
Václav Havel war ein tschechischer Staatsmann, Schriftsteller, ehemaliger Dissident und Kämpfer für die Menschenrechte. Er war der erste demokratisch gewählte Präsident der Tschechoslowakei nach dem Fall des Kommunismus und auch der erste Präsident der Tschechischen Republik.
Der nach ihm benannte Václav-Havel-Menschenrechtspreis wird jedes Jahr von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) verliehen, um herausragende zivilgesellschaftliche Initiativen zur Verteidigung der Menschenrechte in Europa und darüber hinaus auszuzeichnen.
Anne Brasseur, Mitglied des Auswahlgremiums des Václav-Havel-Menschenrechtspreises und Mitglied des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, hat am 5. September Prag besucht, um die Kandidatinnen und Kandidaten, die in die engere Auswahl für den diesjährigen Preis gekommen sind, bekannt zu geben.
Interview
Projektbüro Prag: Warum ist das Vermächtnis von Václav Havel für Liberale so bedeutsam und welchen Beitrag hat er zu den Menschenrechten in Europa geleistet?
Anne Brasseur: Václav Havel war ein Poet, Philosoph, Autor, Humanist, Menschenrechtsverteidiger und Politiker, er war aber auch ein Visionär. Als überzeugter Europäer hat er zu der Auflösung des Warschauer Pakts maßgeblich beigetragen und die Ost- und Mitteleuropäischen Staaten an die NATO herangeführt. Er wusste, dass die Verteidigung für den Schutz der Demokratie essenziel ist.
Václav Havel, der durch seine sehr kritische Haltung gegenüber dem kommunistischen System seiner Freiheit beraubt wurde, hat später zur Entspannung beigetragen. Er wusste, wie sich das anfühlt, in einem Regime zu leben, das die Meinungsfreiheit beschränkt und wo er sein literarisches Werk nicht frei ausbreiten kann. Er war sich bewusst, dass dies nicht die Realität ist, in der man leben sollte.
Können Sie den Menschenrechtspreis und die Vorbildrolle von Václav Havel näher beschreiben?
Seit dem 2013 verleiht der Europarat zusammen mit der Václav Havel Library und Charta 77 den Menschenrechtspreis. Der Preisträger letztes Jahr war der russische Oppositionelle Vladimir Kara Murza, der nach zwei versuchten Giftanschlägen zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Der Preis ist nicht nur eine Anerkennung für ein außergewöhnliches Engagement für Menschenrechte, sondern auch die Erinnerung an einen außergewöhnlichen Menschen, Václav Havel. Es ist die Pflicht meiner Generation, diese Erinnerung aufrechtzuerhalten, indem wir uns an seinem Beispiel inspirieren und uns tagtäglich für die Freiheit einsetzen.
Was würde – Ihrer Meinung nach – Václav Havels Einstellung zu der heutigen Situation in der Ukraine sein, wenn Sie aus seiner Philosophie ausgehen?
Mit dem Krieg in der Ukraine müsste Václav Havel heute erleben, dass die Werte, für die er sich zeitlebens einsetzte, von Putin auf die schändlichste Weise verachtet werden. Wahrscheinlich würde er schnellstmöglich handeln, was übrigens tatsächlich auch der Fall bei der tschechischen Regierung war.
Václav Havel war ein großer Befürworter von Europa, der europäischen Integration und der Europäischen Union. Wie können seine Ideen im Kontext des heutigen Europas gedeutet werden?
Besonders heute muss für uns alle das Vermächtnis von Havel mehr denn je verteidigt werden, damit das, wofür er gekämpft hat, nicht verloren wird und die Demokratie nicht verfällt.
Zum diesjährigen Václav-Havel-Menschenrechtspreis
- Osman Kavala, Menschenrechtsverteidiger aus der Türkei,
- Justyna Wydrzynska, Frauenrechtsaktivistin aus Polen,
- Yevgeniy Zakharov, Menschenrechtsaktivist aus der Ukraine.
Der Sieger des Preises 2023 wird bei der Eröffnung der Plenartagung von PACE am 9. Oktober in Straßburg bekannt gegeben.
Anne Brasseur, geboren 1950, ist luxemburgische Politikerin (DP). Bis Januar 2016 war sie Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Von 1999 bis 2004 war sie Ministerin für Erziehung, Berufsausbildung und Sport des Großherzogtums Luxemburg. Von 2016 - 2018 war sie die Botschafterin des Europarates des No Hate Speech Movements. Seit dem 16. September 2022 ist sie Mitglied des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.