Finanzpolitik
Brüsseler Bremse
Endlich! Ja endlich hat es auch die politische Öffentlichkeit bemerkt, was bisher anscheinend nur der Bundesfinanzminister Christian Lindner und seine Beamten aussprachen: Der fiskalische Druck auf den Bundeshaushalt ist in der Hauptsache gar nicht die Folge der "bösen" deutschen Schuldenbremse, sondern des "guten" EU-Stabilitätspakts in seiner jüngst reformierten Gestalt.
Die Logik ist die folgende: Kernidee des Stabilitätspakts ist das Leitbild der "Schuldentragfähigkeit", und die hängt eben nicht allein vom Schuldenstand und der Schuldenquote ab, sondern auch von dem mittelfristig geplanten Ausgabenpfad im Verhältnis zum mittelfristig erwarteten Wachstum des Produktionspotentials. Gerade in dieser Hinsicht sind die Aussichten in Deutschland derzeit düster und mussten jüngst nach unten korrigiert werden, denn die deutsche Wirtschaft stagniert. Ergebnis: Deutschland droht den Stabilitätspakt zu verletzen, selbst wenn es die eigene hausgemachte nationale Schuldenbremse einhält.
Natürlich gibt es auch dafür eine Lösung - neben der Haushaltsdisziplin auf der Ausgabenseite. Sie lautet: mehr Investitionen und weniger Konsum, also Umschichtung der Ausgaben hin zur Priorität, das Potenzialwachstum mit Hilfe der investitionsinduzierten Ausweitung der volkswirtschaftlichen Kapazität nach oben zu korrigieren. Dafür sieht der EU-Stabilitätspakt sogar ein konkretes Verfahren vor. Dabei ist eine Streckung des Ausgabenpfades der Konsolidierung von den üblichen vier auf sieben Jahre mit der Kommission aushandelbar, wenn sog. spezifische Investitions- und Reformpakete vereinbart werden.
Genau dies muss jetzt geschehen - in aller Eile und Entschlossenheit. Es ist ein erster Schritt jener angebotspolitischen Wirtschaftswende, die Christian Lindner und die Freien Demokraten mit Nachdruck in der Ampelkoalition fordern. Es könnte die vorerst letzte Chance für diese Regierung werden, doch noch finanzpolitische Solidität mit volkswirtschaftlichen Wachstumsimpulsen zu verbinden. Und dies dank der EU!