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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Haushalt 2024
Respekt statt Liebe!

Sparen macht keinen Spaß. Es kostet Sympathien. Das mögen vor allem die Grünen nicht.
Christian Lindner (r, FDP), Bundesminister der Finanzen, stellt zusammen mit Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, in der Bundespressekonferenz den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2024 und den Finanzplan bis 2027 vor.

Christian Lindner (r, FDP), Bundesminister der Finanzen, stellt zusammen mit Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, in der Bundespressekonferenz den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2024 und den Finanzplan bis 2027 vor.

© picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Jeder Job hat seine Vor- und Nachteile. Besonders der des Ministers. Der Vorteil: die Chance, die Gesellschaft zu gestalten, und zwar vor aller Augen der Öffentlichkeit. Der Nachteil: die Pflicht, auch unangenehme Wahrheiten zu vermitteln, und das auch wieder im gleißenden Rampenlicht der Medien. Vor allem gilt: Wenn Haushaltsmittel gekürzt werden, muss der jeweilige Ressortminister dafür gerade stehen. Wer auch sonst? Es ist ja die Ministerin oder der Minister selbst, der die Prioritäten in seinem Hause setzt.

Denkt man jedenfalls. Nicht so bei der Bundesfamilienministerin Lisa Paus von Bündnis90/Die Grünen. Sie hat jüngst ihren Kabinettskollegen und Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP bezichtigt, er sei für die - derzeit noch geplante - Kürzung des Elterngeldes verantwortlich. Sie wies darauf hin, dass vor einigen Monaten der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (BMF) Werner Gatzer (SPD) eine entsprechende Forderung in einem Brief an das Familienministerium formuliert hatte, der Vorschlag also aus dem BMF komme.

Man ist geneigt zu fragen: na und? In Haushaltsverhandlungen ist es völlig normal, dass vom Finanzministerium Kürzungsvorschläge kommen - und zwar vor allem dann, wenn die Fachministerien „mauern“. Jeder, der - wie auch der Verfasser dieser Zeilen - einmal als Finanzminister Verantwortung trug, kann davon ein Lied singen. Es gehört zum üblichen Druckmittel jenes Hauses, das in einer Regierung für den Gesamthaushalt politische Verantwortung trägt, eigene Kürzungsvorschläge zu machen, wenn sich die Ressorts nicht bewegen. Genau so war es im Frühjahr dieses Jahres. Den Ressorts steht es dann völlig frei zu entscheiden, ob sie dem Vorschlag folgen oder nach klügeren Alternativen suchen. So läuft eben professionelle Politik der Haushaltsaufstellung.

Und so hat das auch Christian Lindners BMF im Frühjahr gehandhabt: nichts als „business as usual“, allerdings bei besonders schwieriger Haushaltslage. Und nun geht doch tatsächlich Ministerin Lisa Paus mit der Insinuation an die Öffentlichkeit, sie lehne „eigentlich“ die Kürzung ab, füge sich aber der Knute des BMF. Sie benimmt sich wie ein Kind - nach dem Motto: Ich war's nicht, der große Bruder war's! Man könnte dieses unprofessionelle Verhalten als infantile Petitesse abtun, wenn es nicht ein gewaltiges Zerstörungspotenzial hätte. Denn es hintertreibt das Grundprinzip der Arbeitsteilung in einem funktionierenden Kabinett. Mit der Ressortverantwortung für das fachliche Gestalten ist eben untrennbar auch die Verantwortung für die Verteilung der Mittel innerhalb des Ressorts selbst verbunden.

Wäre dies nicht so, dann stünde in Zeiten des Sparens eigentlich immer nur ein Schuldiger am Pranger: der Finanzminister. Tatsächlich trägt er in erster Linie für das Gesamtergebnis des Haushalts die Verantwortung. Überschuss, Ausgleich oder Defizit mit oder ohne Steuererhöhungen oder -senkungen - das sind für ihn seine zentralen Kategorien der Leistungsmessung. Und über diese Ziele kann, soll und muss natürlich politisch gestritten und gerungen werden, und zwar möglichst vor der Aufstellung des Haushalts und erst recht vor dessen Vollzug. Das ist bei der Ampel-Koalition auch geschehen - beginnend mit der Verabschiedung des Koalitionsvertrags. Aber wo und wie im Einzelnen gekürzt wird, das liegt in der alleinigen Verantwortung der Ressorts.

Also: eine ganz banale, aber effiziente Arbeitsteilung. Dass sie ausgerechnet eine Familienministerin der Grünen nicht wahrhaben will, ist sicherlich kein Zufall. Sehr lange konnten die Grünen die Aura der Wohlfühlpartei genießen, die mit Liebe und Hingabe über große langfristige Ziele der Weltverbesserung sinniert, aber den steinigen Weg dorthin offen lässt. Nun aber kommt eine fiskalische Schlechtwetterfront, die uns noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte beschäftigen wird. Nach dem ersten großen „quantitativen“ Schritt zum Einhalten der Schuldenbremse, so Lindner, wird die „qualitative“ Konsolidierung folgen. Die Grünen sollten sich darauf einstellen und Verantwortung übernehmen. Nur so können sie sich jenen Respekt erarbeiten, der ihren Platz in der Regierung rechtfertigt.