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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Haushaltsdiskussion
Sparen, nicht sprengen!

Die Haushaltsdiskussion in Deutschland wird derzeit immer hysterischer. Wir müssen zurück zur Sachlichkeit.
Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, gibt ein Pressestatement zu den Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung von Haushaltsmitteln.

Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, gibt ein Pressestatement zu den Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung von Haushaltsmitteln.

© picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Christian Lindner als Sprengmeister! So stellt das Magazin Stern in dieser Woche den Bundesfinanzminister auf seiner Titelseite dar. Ein gut gekleideter freundlicher Herr, der einen treuherzig mit blauen Augen anblickt, aber auf einem riesigen gebündelten Sprengsatz thront – offenbar bereit, all unsere gesellschaftlichen Wünsche und Ziele in einer großen Explosion der exzessiven Kürzungen bersten zu lassen.

Zugegeben, journalistisch mag dies gut gemacht sein, zumal der Beitrag in dem Magazin, der dem Titelbild zugrunde liegt, dramatische Zuspitzungen der politischen Psychologie über den Titelhelden bereithält, die durchaus unterhaltsam sind. Allerdings fragt man sich in Anbetracht solcher Bilder und Sprache, ob wir in unserer Wohlstandsnation uns nicht in einen Zustand grassierender Hysterie hineinreden. Und dies jüngst verstärkt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Haushalten des Bundes, das natürlich ernste Konsequenzen hat. Nüchtern betrachtet sind diese allerdings fiskalisch viel weniger dramatisch, als viele denken – jedenfalls für die Jahre 2023 und 2024, und um die geht es in der laufenden Diskussion.

Für 2023 muss der Bund im Grunde nur eine Umbuchung vornehmen – und dies ist mit dem Nachtragshaushalt der Regierung schon geschehen. Am eigentlichen Haushaltsvollzug lässt sich kaum noch etwas ändern, weil ja elf von zwölf Monate des Jahres schon vorbei sind. Also: politisch und rechtlich vielleicht ein Erdbeben, fiskalisch eher ein Sturm im Wasserglas.

Anders für 2024. Hier besteht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts – traut man den aktuellen Schätzungen aus dem Bundesfinanzministerium – aktuell noch ein Konsolidierungsbedarf von 17 bis 18 Milliarden Euro. Das ist kein Pappenstiel, aber bei Gesamtausgaben des Bundes in der Größenordnung von 450 Milliarden Euro geht es um maximal vier Prozent des gesamten Haushaltsvolumens. Das ist als zusätzliche Sparaufgabe für die Ressorts in der Regierung nicht wenig, aber es fällt schwer zu glauben, dass es nicht zu schaffen sein soll. Es gehört fast zum normalen fiskalpolitischen Geschäft, die Ausgaben in solchen Größenordnungen zurückzuführen. Zwei Standardargumente sprechen dafür, dass dies möglich ist, gerade in der gegenwärtigen Situation.

Zum einen lud die vormalige Möglichkeit der Umwidmung von Geldern, die nun das Verfassungsgericht beendet hat, die Ressorts geradezu ein, alle möglichen Lieblingsprojekte in den Haushalt zu packen, weil eben eine einmalig günstige Post-Corona-Gelegenheit war, deren Realisierung zu ermöglichen. Hierunter finden sich mit Sicherheit auch zahlreiche Vorhaben mit sekundärer Priorität, die unter härteren Haushaltsbedingungen gestrichen oder zurückgestellt werden können.

Zum anderen lehrt die Erfahrung, dass viele Projekte oft viel länger dauern als im Haushalt avisiert. Es entstehen dann Haushaltsreste, die Mittel fließen nicht wie geplant ab. Allein die Rückkehr zu einem realistischen Plan der Umsetzung kann dann schon in der Veranschlagung viel Mittel sparen. Dies war immer so, ist aber wegen der zunehmenden Knappheit an Arbeitskräften und auch langen Genehmigungsverfahren in den letzten Jahren noch schlimmer geworden.

Fazit: kein Grund zu Panik und Hysterie, jedenfalls nicht für den Haushalt 2024. Mittel- und langfristig dagegen wird es durchaus dramatischer, ab etwa 2025. Denn es stellt sich dann für Bund, Länder und Gemeinden die Frage, weshalb der gesamte Staat mit Steuereinnahmen von über einer Billion Euro, also einer Verdoppelung (!) über gerade mal 15 Jahre, nicht auskommt. Es wird dann tieferer Einschnitte in Leistungsgesetzte erfordern, um die öffentlichen Finanzen wieder zu ordnen und vor allem zu verhindern, dass sich der Konsum immer mehr zu Lasten der Investitionen ausdehnt. Der Kern dieser Aufgabe fällt dann wohl in die nächste Legislaturperiode nach der Bundestagswahl 2025, deren erstes großes Wahlkampfthema damit heute schon feststeht: Reform des Sozial- und Leistungsstaats oder Erhöhung von Steuern und Aufgeben der Schuldenbremse.