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Veranstaltung
„Raif Badawi ist von einem kleinen in ein größeres Gefängnis gewechselt"

Raif Badawi
© Teresa Widlok

Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2023 richtete die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Kooperation mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels erneut den Raif Badawi Talk aus. Mit dem Talk erinnert die Stiftung nicht nur an das Schicksal des Bloggers Raif Badawi, sondern an die schwierige Situation für Journalistinnen und Journalisten weltweit. Unter dem Motto „Women.Press.Freedom.“ kamen dieses Jahr nicht nur Ensaf Haidar, die Frau von Raif Badawi, sondern zwei starke weibliche Stimmen zu Wort – Nevsin Mengü (türkische Journalistin), und Wazhma Tokhi (afghanische Publizistin und Aktivistin).

Raif Badawi ist der bekannteste liberale Internet-Aktivist Saudi-Arabiens. Er gründete das Online-Forum „Freie saudische Liberale“ und wurde für seine Aktivitäten als Blogger und Aktivist zu 10 Jahren Haft, 1.000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von 1.000.000 Saudische Rial verurteilt. Im letzten Jahr (2022) wurde er zwar aus dem Gefängnis entlassen, aber hat seine Freiheit trotzdem nicht komplett zurückerlangt. Wie seine Frau Ensaf Haidar in Ihrem Grußwort eindrücklich berichtete, ist Raif Badawi lediglich „von einem kleineren in ein größeres Gefängnis gewechselt“. Nach seiner Freilassung ist er weiterhin für 10 Jahre daran gehindert zu reisen oder im Internet zu bloggen. Das bedeutet, dass er seine Kinder und Frau insgesamt für 20 Jahre nicht gesehen haben wird, wenn sich seine Situation nicht ändert. Haidar erinnerte daran, dass sich in Saudi-Arabien derzeit zwar die politische Situation ändere, aber leider nicht die Situation für Raif Badawi.

In mehreren Grußworten wurde die Wichtigkeit des Themas Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit hervorgehoben, gerade in konfliktgeladenen Zeiten. Anne Brasseur, Mitglied des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, erinnerte daran, dass es keinen Unterschied zwischen „traditionellen“ und „westlichen“ Werten gäbe. Mit dieser Unterscheidung versuchten autokratische Machthaber weltweit ihre Handlungen zur Beschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit zu rechtfertigen. Wie Brasseur betonte, gibt es im Namen der Menschenrechte eine solche Trennung nicht. Menschenrechte basieren auf universellen Werten. Der bekannte Journalist, „tagesschau“-Sprecher und Mitbegründer des Raif Badawi Award Constantin Schreiber betonte in seiner Video-Botschaft, dass wir uns in Deutschland und weltweit immer wieder der Wichtigkeit der Meinungs- und Pressefreiheit bewusste werden müssen. Gerade Frauen, die ihre kritischen Stimmen erheben, seien oftmals Opfer und würden still gestellt, dabei trügen sie viel zur Verbesserung der Zukunft bei.

Beeindruckende Frauenstimmen aus der ganzen Welt

Die afghanische Publizistin und Aktivistin Wazhma Tokhi beschrieb mit bewegenden Worten die Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan. Zwar beträfe die Situation nicht nur Journalistinnen, sondern alle Frauen, aber es sei schockierend, dass im 21. Jahrhundert ein kompletter Ausschluss vom öffentlichen Leben von der Hälfte der Bevölkerung überhaupt möglich sei. Sie erinnerte daran, dass die Situation für Frauen auch vor der Machtergreifung der Taliban im Jahr 2021 schon bedrückend war. Denn auch vor der Machtübernahme haben die Taliban Frauen, die öffentlich aktivistisch für Frauenrechte tätig waren, zur Zielscheibe gemacht. „Die Frauen in Afghanistan leben in einem offenen Gefängnis, weil ihnen alles verboten ist“, sagte Tokhi. Aus Deutschland und anderen Ländern heraus unterstützt sie die Organisation von Untergrund-Schulen vor Ort in Afghanistan, um Mädchen, die von Bildung ausgeschlossen sind, eine Ausbildung zu ermöglichen. Sie empfinde die Mädchen als Heldinnen, denn sie träumten immer noch davon später einmal berufstätig zu sein und seien sehr stark. Tokhi wünschte sich, dass Frauen und Mädchen zusammen mit ihren Brüdern mehr für ihr Land tun könnten.

Nevsin Mengü, eine bekannte türkische Journalistin, arbeitet vor allem über die Plattform YouTube, um ihrer kritischen journalistischen Tätigkeit nachgehen zu können. Sie berichtete auf dem Panel, dass der türkische Präsident Erdogan auch deshalb weiterhin an der Macht sei, weil er die journalistische Tradition in der Türkei Stück für Stück zerstört habe. Es gäbe zwar auch für kritischen Journalismus weiterhin die Möglichkeit zu existieren, aber nicht in den klassischen Medienkanälen. Diese seien in einer Art quasi-mafiösem System von Erdogan-Anhängern kontrolliert. Da Erdogan aber ein cleverer Mensch sei, gäbe es kein Verbot für kritischen Journalismus, sondern dieser würde auf andere Weise erschwert. „Man wird zwar nicht ins Gefängnis geworfen, aber Troll-Fabriken lynchen einen auf Social Media“, berichtete Mengü. Auch wenn die Situation für Journalistinnen in der Türkei mit der Situation in Afghanistan in keiner Hinsicht vergleichbar ist, gab auch der Beitrag von Nevsin Mengü einen Einblick darin, wie Presse- und Meinungsfreiheit effektiv beschnitten wird.

Die Veranstaltung wurde von einem weiteren Grußwort durch Margit Ketterle, Editor-at-large für Droemer Knaur Sachbuch und Sprecherin der IG Meinungsfreiheit im Börsenverein, eingeleitet und fachkundig moderiert von Rebecca Schönenbach, Vorstandsvorsitzende von Frauen für Freiheit e.V. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung kann in der Mediathek der Stiftung unter folgendem Link abgerufen werden: https://plus.freiheit.org/raif-badawi-talk-2023-stream-on-demand.

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