EN

India Week Hamburg
Heiß begehrt: Deutschland wirbt um Indiens Fachkräfte

India Week Hamburg Panel Discussion

India Week Hamburg Panel Discussion

© FNF South Asia

Indien verfügt über ein enormes Potenzial an Fachkräften, von dem Deutschland schon jetzt stark profitiert. Nun baut die Bundesregierung die Zusammenarbeit aus. Doch Abkommen sind hierbei nur der erste Schritt.

An sich ist eine Auslandsreise für einen Bundesminister nichts Ungewöhnliches. Schließlich gilt es nicht nur zu Hause deutsche Interessen zu vertreten. Interessanter wird es allerdings, wenn ein sonst eher in sich gekehrtes Ministerium verstärkt auf die internationale Bühne drängt.

So sorgte eine hochrangige Delegation unter Leitung von Arbeitsminister Hubertus Heil im Juli für ein großes Medienecho. Zumal sein Besuch weit über den Rahmen des geplanten G20-Ministertreffens in Indore hinausging: Heil nahm sich Zeit, um in Neu-Delhi und Kerala mit indischen Fachkräften aus verschiedenen Bereichen ins Gespräch zu kommen.

Die Botschaft dahinter war klar: Deutschland hat erkannt, dass es sich aktiv um geschultes Personal aus dem Ausland bemühen muss, um global nicht den Anschluss zu verlieren.

Laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen der Bundesrepublik Stand Dezember 2022 mehr als eine halbe Million Fachkräfte. Schließen lässt sich diese demografische Lücke nur noch durch gezielten Zuzug aus dem Ausland – und kaum ein anderes Land bietet dafür so viel Potenzial wie Indien.

Die größte Demokratie der Welt ist für Deutschland mittlerweile auch das größte Herkunftsland von Fachkräften außerhalb der EU. Knapp 34.000 Inderinnen und Inder hatten Ende 2021 eine Arbeitserlaubnis in der Bundesrepublik. Viele von ihnen arbeiten in besonders gefragten Engpassberufen, zum Beispiel in der IT-Branche oder im Gesundheitswesen.

Doch diese Kenntnisse sind nicht nur hierzulande gefragt: Im globalen Wettstreit um geschultes Personal gilt es, sich gegen attraktive Konkurrenten wie die USA, Großbritannien und Kanada durchzusetzen. In dieser Spitzengruppe ist Deutschland bislang weit abgeschlagen.

Dabei habe Deutschland den Menschen aus Indien viel zu bieten, findet die Vorständin der Bundesagentur für Arbeit, Vanessa Ahuja.

“Wir haben eines der besten Sozialsysteme der Welt”, sagt sie bei einer Veranstaltung der diesjährigen India Week Hamburg auf einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im indischen Generalkonsulat. Für viele Migranten bedeute dies Sicherheit in Notsituationen. “Außerdem ist die Lebensqualität hoch und es gibt eine gute Work-Life-Balance”, so Ahuja weiter. Nun sei es an der Politik, die Rahmenbedingungen für den Zuzug von Fachkräften zu schaffen.

Um genau diese Migration nach Deutschland zu erleichtern, hat die Bundesregierung bisher zwei Abkommen auf den Weg gebracht. Zum einen das deutsch-indische Migrationsabkommen im Dezember 2022, das neben einer verstärkten Zusammenarbeit bei Rückführungen auch die legale Migration in die Bundesrepublik erleichtern soll.

Hinzu kommt das von der FDP beworbene Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das seit November den Zuzug gut ausgebildeter Menschen erleichtern soll. Neben der Ausweitung der “EU Blue Card” (einem Aufenthaltstitel für Studierte) sollen vor allem langwierige Verfahren verkürzt werden. “Das neue Gesetz wird Bürokratie abbauen und vielen Indern helfen, leichter nach Deutschland zu kommen”, kommentiert der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kruse die Fortschritte.

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Inhalt ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

Dass diese Maßnahmen längst überfällig waren, zeigt auch eine Vorstudie zur Abwanderung ausländischer Fachkräfte, die die Bundesagentur für Arbeit 2022 veröffentlicht hat. Als häufigsten Grund für die Abwanderung aus Deutschland nannten die Befragten aufenthaltsrechtliche Probleme, etwa weil ihr Visum nicht zügig verlängert werden konnte.

Ein Fünftel der abgewanderten ausländischen Fachkräfte klagte zudem über Integrationsprobleme. Diese reichen von einem generellen Gefühl, sich im Land nicht wohl zu fühlen, über mangelnden sozialen Anschluss bis hin zu Diskriminierung.

Oft beginne es mit kulturellen Unterschieden, sagt Deepak Kapoor, der in Hamburg ein indisches Chemieunternehmen leitet. “In Indien sitzt man zehn Minuten mit einem Fremden am Tisch und kommt ins Gespräch. In Deutschland fliegt man zehn Stunden irgendwohin und spricht manchmal kein Wort mit seinem Sitznachbarn”, bringt er es auf den Punkt.

Bürokratieabbau sei zwar wichtig, doch fehle es den Deutschen laut Kapoor derzeit vor allem an der nötigen Offenheit gegenüber Indern: “Nur wenn sie sich akzeptiert fühlen, bleiben sie länger hier und integrieren sich nachhaltig.”

Während die Regierungen also den Startschuss für engere deutsch-indische Beziehungen gegeben haben, ist es die Aufgabe der Zivilgesellschaft, diese Annäherung in die Realität umzusetzen. Das erfordert ein Umdenken auf allen Ebenen. Manche würden sogar sagen: Wir brauchen eine neue Willkommenskultur.