Scholz in Indien
Scholz´ Suche nach einer festeren Partnerschaft mit Indien
Zu den Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen auf der Suche nach einer engeren strategischen Partnerschaft rückt auch Indien mitsamt seinem riesigen Markt insgesamt immer stärker in den Fokus Deutschlands und Europas. Das unterstreicht die hochrangige Präsenz in Neu-Delhi diese Woche: nicht nur der Bundeskanzler reist nach Indien, sein Vize Robert Habeck und Bundesminister Heil sind bereits vor Ort. Zudem unterstreichen die bevorstehende Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Neu-Delhi und das zuletzt vom Auswärtigem Amt herausgebrachte Grundsatzpapier „Fokus auf Indien“ die wachsende Bedeutung dieser Partnerschaft. Im Fokus steht Indien als wachsender Absatzmarkt und für Wirtschaftskooperationen aber auch der Fachkräftemangel in Deutschland. Doch Indien kann auch im Bereich der digitalen Technologien ein wichtiger Partner Europas werden.
Eine Partnerschaft mit gemeinsamen Zielen und unterschiedlichen Prioritäten
Sowohl die EU als auch Indien haben sich klar der Förderung von Innovation und wirtschaftlichem Wachstum durch digitale Technologien verschrieben. Doch die Wege, die beide Regionen einschlagen, sind nicht identisch. Während die EU in vielen Bereichen auf Datenschutz und digitale Souveränität setzt, verfolgt Indien eine Politik der Entkoppelung, vor allem von China und den Aufbau eigener Kapazitäten und Plattformen. Das bedeutet, dass Indien seine Beziehungen zu globalen Mächten wie den USA und China oft geschickt nutzt, um eigene Interessen zu fördern, ohne sich einer einzigen Macht zu stark zu verpflichten.
Trotz dieser Unterschiede sehen viele Expertinnen und Experten Chancen in einer engeren Zusammenarbeit und eine Möglichkeit für Deutschland von Indiens Digitalpolitik zu lernen. In dem Policy Paper der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit „Indiens Weg aus Chinas technologischem Schatten“ zeigt der Autor Nikhil Pahwa auf, welche Schritte Indien unternommen hat, um sich von Chinas Technologie unabhängiger zu machen.
Es bleibt klar, dass Indien weiter mit eigenen Herausforderungen kämpft: Das Handelsdefizit mit China bleibt bestehen, in indischen Telekommunikationsnetzen kommt weiterhin chinesische Technologie zum Einsatz und lokale Alternativen zu chinesischen Apps konnten TikTok nicht ersetzen. Dennoch hat Indien gezeigt, dass es geopolitische Entwicklungen geschickt zu seinen Gunsten nutzen kann. Das Land verfolgt einen klaren Kurs, der eine ausgewogene Balance zwischen wirtschaftlichem Nutzen und strategischen Interessen wahrt. Die Anti-China-Maßnahmen haben Indien bisher nicht tiefgehend geschadet und kamen vor allem amerikanischen Unternehmen zugute.
EU-Indien Freihandelsabkommen: Ein Weg zur Vertiefung der Zusammenarbeit?
Ein wichtiges Element dieser Zusammenarbeit könnte das geplante EU-Indien Freihandelsabkommen sein. Doch die Verhandlungen haben sich bisher als schwierig erwiesen. Sowohl der digitale Handel als auch Investitionen in die Informationsinfrastruktur sind nach wie vor wenig entwickelt, ebenso wie der grenzüberschreitende Datentransfer. Ein wesentlicher Grund dafür war lange das Fehlen eines indischen Datenschutzgesetzes, das den Anforderungen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprochen hätte. Im August 2023 verabschiedete Indien mit dem „Digital Personal Data Protection Act“ jedoch ein umfassendes Datenschutzgesetz. Auch wenn dieses Gesetz keine vollständige Angleichung an die DSGVO darstellt, bietet es eine erste rechtliche Grundlage, um den Datenschutz in Indien zu verankern. Damit könnte der Weg für eine engere Zusammenarbeit bereitet sein.
Doch nicht nur das Datenschutzgesetz stand einem Freihandelsabkommen bislang im Weg. Zentrale Streitpunkte sind der gegenseitige Marktzugang und die Höhe der Zölle. Die EU fordert den Abbau hoher Zölle in Indien, insbesondere auf Automobil- und Weinerzeugnisse, um den Zugang für europäische Produkte zu erleichtern. Indien hingegen möchte besseren Zugang für seine Textilien, Agrarprodukte und IT-Dienstleistungen auf den europäischen Markt. Beide Seiten sind jedoch besorgt, dass eine zu schnelle Liberalisierung bestimmter Sektoren ihre eigenen Industrien schwächen könnte. Darüber hinaus ist Indien besonders daran interessiert, den Marktzugang für seine Dienstleistungen und Arbeitskräfte in der EU zu verbessern. Die EU hingegen ist zurückhaltend, da sie befürchtet, dass dies den Druck auf europäische Arbeitsmärkte erhöhen könnte, insbesondere im IT- und Dienstleistungsbereich. In dem Policy Paper der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit „Ein neues Modell für die Globalisierung der Arbeitswelt“ werden Ansätze für eine bessere digitale Arbeitskräftekooperation vorgestellt.
Auch das, seit der COVID-19 Pandemie immer wichtiger werdende Thema des geistigen Eigentums ist ein Verhandlungspunkt. Die EU drängt auf stärkere Schutzmaßnahmen, insbesondere im Pharmasektor, was in Indien auf Widerstand stößt. Indien ist eines der weltweit führenden Länder in der Produktion von Generika (kostengünstige Nachahmermedikamente) und befürchtet, dass schärfere Patentschutzbestimmungen den Zugang zu erschwinglichen Medikamenten einschränken könnten.
Während Deutschland also in Sachen Freihandelsabkommen zwischenzeitlich die bittere Pille schlucken muss, machen Scholz, Habeck und Heil einen Schritt auf Indien zu, um die Partnerschaft zu intensivieren. Ob die 7. Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen den Beziehungsstatus jedoch klären, bleibt abzuwarten.