G20-Vorsitz von Indonesien
Jokowis Joker
Indonesiens Präsident „Jokowi“ glänzte bei internationalen Großveranstaltungen bisher oft durch Abwesenheit. Außenpolitik war bislang nicht seine Priorität. Indonesiens G20-Vorsitz wird daher eine Frau maßgeblich prägen: Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati. Sie gehört laut „Forbes‘“ zu den hundert mächtigsten Frauen der Welt. Was ist ihr Erfolgsrezept?
Wie wichtig Sri Mulyani Indrawati für Indonesien ist, zeigte sich, als sie 2010 den Posten der Finanzministerin verließ und zur Weltbank wechselte. Dort hatte sie als eine von drei Geschäftsführern die zweithöchste Position inne. Ihr Wechsel wurde damals als „Verlust für Indonesien, aber Bereicherung für die Welt“ beschrieben. Noch am Tag der Ankündigung ihres Weggangs fiel der Wechselkurs der indonesischen Rupiah zum Dollar und auch die Börse verbuchte an dem Tag 3,8 Prozent Verlust.
Seit 2016 bekleidet Sri Mulyani erneut den Posten der Finanzministerin Indonesiens, nunmehr im Kabinett von Präsident Joko „Jokowi“ Widodo. Mit dem G20-Vorsitz Indonesiens 2021/2022 und dem G20-Gipfel in Bali im kommenden Jahr wird sie erneut zur internationalen Bereicherung – denn sie wird es sein, die das 270-Millionen-Einwohner-Land durch den G20-Vorsitz navigiert. Präsident Jokowi stellte den Themenbereich Finanzen – einen der wichtigsten - der G20-Arbeitsgruppen unter ihre Leitung.
Präsident Jokowi wurde in der Vergangenheit immer wieder – und auch zurecht - vorgeworfen, seine diplomatischen Verpflichtungen an seine Minister zu delegieren, um sich selber besser auf innenpolitische Angelegenheiten konzentrieren zu können. Bei internationalen Verpflichtungen glänzte er zumeist durch Abwesenheit. Auch wenn sich das angesichts der kommenden Aufgaben zu wandeln scheint – so nahm Jokowi jüngst am G20-Gipfel in Rom und am COP26-Gipfel in Glasgow teil – wird Sri Mulyani eine Schlüsselrolle beim G20-Vorsitz zukommen.
Was macht sie zu einer der mächtigsten Frauen der Welt?
Sri Mulyani Indrawati, Finanzministerin der Republik Indonesien seit 2016 und davor bereits von 2005 bis 2010, wurde 1962 im heutigen Bandar Lampung im Süden der indonesischen Insel Sumatra geboren. Die Professorentochter studierte zunächst in Jakarta und dann 1986 bis zur ihrer Promotion 1992 an der University of Illinois Wirtschaftswissenschaften. Dort blieb sie im akademischen Betrieb, bis sie 2001 für USAID nach Atlanta wechselte und an einem Programm zur Stärkung von Indonesiens Autonomie mitarbeitete. Von 2002 bis 2004 arbeitete sie für den IWF mit Zuständigkeit Südostasien.
Sri Mulyani gilt als eine hartnäckige Reformerin und hatte insbesondere während ihrer ersten Amtszeit als Finanzministerin im Kabinett von Präsident Yudhoyono die Aufgabe, Indonesiens Wirtschaft zu stärken, das Investitionsniveau anzuheben und vor allem auch Indonesien durch die Finanzkrise (2007-09) zu lavieren. So machte sie sich international einen Namen.
Zudem gilt Sri Mulyani als integer, was in einem Land mit hoher Korruptionsrate viel bedeutet. Eine ihrer ersten Amtshandlungen 2005 war, korrupte Steuer- und Zollbeamte zu entfernen. Auch konnte sie die Höhe der Direktinvestitionen in Indonesien innerhalb nur eines Jahres signifikant steigern, von 4,6 Milliarden US-Dollar auf 8,9 Milliarden US-Dollar. Bereits 2007 verzeichnete Indonesien sein höchstes Wirtschaftswachstum mit 6,6 Prozent seit der Asienkrise 1997. Während ihrer ersten Amtszeit wuchsen Indonesiens Devisenreserven auf ein Rekordhoch von 50 Milliarden US-Dollar an. Gleichzeitig erwirkte sie eine Reduzierung der öffentlichen Schulden von 60 auf 30 Prozent des BIP. Unter ihrer Ägide konnte Indonesien die Anzahl der Steuerzahler von 4,35 Millionen (2005) zu knapp 16 Millionen (2010) anheben, und die Steuereinkünfte wuchsen um etwa 20 Prozent jährlich.
Demut und Optimismus
In einem Interview von der „Jakarta Post“ sagte Sri Mulyani 2016: „Ich sage mir fast jeden Morgen und jeden Abend, dass ich nach wie vor die Energie habe zu lernen, zuzuhören und deswegen zu gestalten und zu definieren.“ Sri Mulyani sagte weiter, dass sie während ihrer Arbeit für die Weltbank zwei Dinge gelernt habe: Demut eingedenk der Tatsache, dass sich nicht alle Probleme rasch lösen lassen können. Und Optimismus, weil Menschen aus vorangegangenen Fehlern lernen und es dann besser machen können. Ihre bei der Weltbank erworbene praktische Erfahrung kommt Sri Mulyani für Südostasiens größte Volkswirtschaft zugute: „Unser Traum ist eine Welt ohne Armut“ – dieses Motto der Weltbank treibt Sri Mulyani bis heute an.
Bei G20 besteht ihre wichtigste Aufgabe in einer steuerlichen Reformarbeit im weitesten Sinne: globale Besteuerungsgrundsätze, steuerliche Anreize, Digitalisierung, Steuervermeidungspraktiken sowie die Themen „Steuer und Entwicklung“ und auch „Steuersicherheit“. Aber hier endet ihre Aufgabenliste noch lange nicht. Weitere Themen sind makroökonomisches Management, nichtgesundheitsbezogene Covid-19-Folgen für Volkswirtschaften, Digitalwährungen, nachhaltige Finanzen, grenzüberschreitende Zahlungen sowie finanzielle Inklusion.
Auch hier wird sich Sri Mulyanis Ehrlichkeit, Hartnäckigkeit und Zähigkeit auszahlen, die ihr in der Vergangenheit etwa beim Umgang mit dem einzigen ihr bislang zu Lasten gelegten angeblichen Korruptionsfall half. Damals war ihr vorgeworfen worden, riesige staatliche Verluste verursacht zu haben, weil sie eine marode Bank mit staatlichen Mitteln gerettet hatte. Diese Vorwürfe gelang es ihr zu entkräften.
Sri Mulyani Indrawatis prominente Rolle während Indonesiens G20-Präsidentschaft ist erfolgsversprechend. Erst vor wenigen Wochen wurde ihr vom in Washington, D.C., ansässigen Institute of International Finance (IIF), der einzigen Vereinigung von globalen Finanzinstituten, der renommierte „Preis für herausragende Führung und Einsatz“ verliehen. Diese Auszeichnung kommt verdient. Sri Mulyanis Kompetenz wird Indonesiens G20-Vorsitz guttun.
* Dr. Almut Besold leitet seit 2018 das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Jakarta.