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Jordanien
78 Jahre Unabhängigkeit: Jordanien im Test stürmischer Zeiten

Jordanien in der Zeitenwende: was bleibt, was wird?
Wadi Rum, Jordanien

Wadi Rum Jordanien

© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Royal Hashemite Court

Das Haschemitische Königreich Jordanien feiert am 25. Mai seinen 78. Unabhängigkeitstag. Trotz widrigster Umstände ist es dem Land gelungen, sich in einer seit Generationen konfliktreichen Region als stabilisierende Kraft zu etablieren. Isabel Kreifels, Regional Project Manager des Naumann-Büros in Amman, zum Unabhängigkeitstag in Jordanien.

Seit seiner Gründung als Emirat Transjordanien unter britischem Protektorat 1921 und seiner Unabhängigkeit 1946 hat das Land unter der Führung der Haschemitischen Königsfamilie zahlreiche politische und soziale Herausforderungen gemeistert. Unter König Abdullah II. setzt Jordanien seine stabilisierende Rolle fort, trotz interner Spannungen zwischen jordanisch- und palästinensisch-stämmiger Bevölkerung sowie wirtschaftlicher Belastungen durch die Aufnahme zahlreicher Flüchtlinge. Die außenpolitische Finesse und enge Beziehungen zu westlichen und regionalen Partnern sind für die wirtschaftliche Stabilität entscheidend.

Aktuelle Konflikte und regionale Spannungen stellen jedoch weiterhin große Herausforderungen dar, die die politische und wirtschaftliche Lage Jordaniens beeinflussen.

 

Am 25. Mai feiert Jordanien zum 78. Mal seine Unabhängigkeit. Das Land, in dem weltweit prozentual gesehen neben dem Libanon die meisten Flüchtlinge im Verhältnis zur eigenen Bevölkerung aufgenommen wurden und das am stärksten unter Krisen litt, die es selbst zu keiner Zeit verursacht hatte, steht wie ein Felsen in der Brandung in einer stets volatilen Schlüsselregion.

Jordanien entstand 1921 als Emirat Transjordanien unter britischem Protektorat und wurde 1946 ein unabhängiges Königreich. Unter König Abdullah I., dem Gründer des modernen Jordanien, wurde das Land 1950 in das Haschemitische Königreich Jordanien umbenannt. Nach der Ermordung Abdullahs 1951 folgte sein Sohn Talal kurzzeitig als König, bevor dieser aus gesundheitlichen Gründen abdankte. König Hussein, bestieg 1952 den Thron und regierte bis zu seinem Tod 1999. Seine Regierungszeit war geprägt von Modernisierung und politischen Herausforderungen. 1970 kam es zum Schwarzen September, als das jordanische Militär schwere Kämpfe mit der palästinensischen PLO austrug, die versuchte, die Macht im Land zu übernehmen. Hussein setzte sich durch und festigte seine Kontrolle über Jordanien.

In den folgenden Jahrzehnten bemühte sich König Hussein um Stabilität und Frieden in der Region. Diese Bestrebungen führten 1994 – parallel zu den Osloabkommen zwischen Israel und der PLO – zur Unterzeichnung des Friedensvertrags mit Israel. Der Vertrag, vermittelt von den USA und unterzeichnet von König Hussein und dem israelischen Premierminister Jitzchak Rabin, war das Ergebnis langer Verhandlungen und entsprach dem Wunsch nach regionaler Stabilität und wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Nach Husseins Tod 1999 wurde sein Sohn Abdullah II. König. Unter seiner Führung hat Jordanien weiterhin eine stabilisierende Rolle im Nahen Osten gespielt, trotz großer Herausforderungen durch regionale Konflikte und mehrere Flüchtlingskrisen. Auch im für viele arabische Länder chaotischen Arabischen Frühling zeigte sich Jordanien als Stabilitätsanker. Der Friedensvertrag mit Israel bleibt weiterhin ein Eckpfeiler der jordanischen Außenpolitik, der sich auch auf die aktuelle Lage des Landes auswirkt.
 

Demonstration in Amman

Demonstration in Amman am 17. Mai 2024.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Natascha Tahabsem

Der vermeintliche Fels in der Brandung ist selbst tief gespalten

Im Nachgang des verheerenden Angriffs der islamistischen Terrororganisation Hamas und der Al-Quds-Brigaden auf Israel und der Verschleppung von über 240 Geiseln ist auf der anderen Seite des Jordans eine Welle der Solidarität mit der palästinensischen Zivilbevölkerung ausgebrochen. Diese äußerte sich in wochenlangen Protest-Demonstrationen vor der israelischen Botschaft in Amman. Der Versuch, mit einem Autokorso die Grenzen zu Israel zu erreichen, wurde von den jordanischen Sicherheitskräften unterbunden.

Die Ereignisse im Nachbarland drohen interne Konfliktlinien wieder aufzubrechen: Die Stimmung zwischen der palästinensisch-stämmigen und jordanisch-stämmigen Bevölkerung des Königsreichs ist zwar in normalen Zeiten recht ausgewogen und birgt wenig Eskalationspotential. In Krisenzeiten wie dieser steht das Verhältnis der beiden Bevölkerungsgruppen jedoch unter Druck: Während das Gros der palästinensisch-stämmige Bevölkerung auf drastischere Schritte der jordanischen Regierung wie z.B. den Abbruch jeglicher Handelsbeziehungen zu Israel drängt, empfindet die jordanisch-stämmige Bevölkerung die Reaktion der in Gaza lebenden palästinensischen Zivilbevölkerung auf jordanisch eingeleitete Hilfspakete als undankbar. So haben Vorwürfe der Palästinenser gegenüber dem jordanischen Militär und König, dass Hilfspakete über dem Meer am Gaza-Streifen abgeworfen wurden und von Palästinensern aus dem Wasser gezogen werden mussten, zu einer Zuspitzung dieser Anspannung geführt. Die ohnehin angespannte Lage des Arbeitsmarktes, insbesondere für die im Durchschnitt sehr junge Zivilbevölkerung in Jordanien, lässt die Gemüter im Lande weiterhochkochen. Eine vor Jahreswechsel ausgerufene Boykott-Aktion der palästinensisch-stämmigen Unternehmer im Land hat zu Wut und Frustration auf jordanischer Seite gesorgt.

Hinzu kommt die ohnehin große Herausforderung der in Folge regionaler Konflikte und Kriege aufgenommenen Flüchtlingsgruppen, die ebenfalls auf den bereits angeschlagenen Arbeitsmarkt drücken. Durch den ersten Golfkrieg 1991 und die von den USA angeführte völkerrechtswidrige Invasion des Iraks im Jahr 2003 fanden insgesamt rund 1,1 Millionen Iraker ihr neues Zuhause im angrenzenden Jordanien. Bashar Al Assads Krieg gegen seine eigene Bevölkerung – im Namen des Anti-Terrorismus – zwang ebenfalls weite Teile der syrischen Bevölkerung zu einer Flucht nach Jordanien. Auch nach der Rückkehr einiger Syrer liegt die Zahl immer noch bei knapp 1,3 Millionen syrischen Flüchtlingen. Palästinensische Flüchtlinge, darunter insbesondere Flüchtlinge, die ursprünglich aus dem Gaza-Streifen kamen, erhalten häufig keine Arbeitserlaubnis in Jordanien.

Während Jordanien an sich ein gastfreundschaftliches Land ist und die Bevölkerung der Aufnahme von Menschen aus anderen Ländern generell nicht voreingenommen gegenübersteht, wächst aktuell doch die Sorge über eine weitere Flüchtlingswelle, die das Land finanziell und sozial schwer verkraften dürfte. Die Befürchtung, dass es im Fall einer weiteren Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung auf eine Flucht und Ansiedlung dieser nach Jordanien hinauslaufen könnte. Dadurch wächst der Druck auf die haschemitische Königsfamilie und die Führungsriege des Landes.

König Abdullah II. und seine Frau Königin Rania, die selbst palästinensischer Abstammung ist, balancieren auf einem greifbar dünnen Drahtseil. Seit dem 7. Oktober 2023 sind beide Tag ein, Tag aus im Dauereinsatz und lassen kein Treffen aus, um die Wogen zwischen den Welten und verschiedensten Akteuren zu glätten. Innerhalb Jordaniens besuchten die beiden die Oberhäupter aller hiesigen (ost-jordanischen und oftmals ursprünglich beduinischen) Stämme und betonten ihre ungebrochene Verbundenheit mit den Stämmen Jordaniens. Zudem wurden Flüchtlingslager besucht, wobei die Anstrengungen betont wurden, die das Königshaus in Zukunft für die Integration der Geflüchteten im Land weiter anstreben möchte. Zur gleichen Zeit ist das Königspaar auf dem diplomatischen und politischen Parkett so präsent wie nur wenige andere Akteure der Region. Ob US-Präsident Biden, der französische Präsident Macron, die deutsche Außenministerin Baerbock oder Vertreter der Golfstaaten: König Abdullah II. nimmt pflichtbewusst jeden internationalen Termin wahr und ist zweifelsohne seines Titels würdig. So gelingt es ihm in bewundernswerter Weise, in seinen politischen Ansprachen sowohl Empathie für die israelischen Opfer des Angriffs auf Israel zu äußern als auch Empathie für die leidende und zwischen die Fronten geratene palästinensische Zivilbevölkerung.

Die jordanische Zivilbevölkerung ist seit Ausbruch des Gaza-Kriegs zwar auf Abstand zu westlichen Akteuren gegangen und äußert ihr Unverständnis über die aus ihrer Sicht schwer nachvollziehbaren „Carte Blanche“ westlicher Staaten gegenüber der aktuellen israelischen Regierung. Die Gewalt, die in der direkt angrenzenden West-Bank durch ultra-orthodoxe israelische Siedler Palästinensern gegenüber angewandt wird sowie die aus jordanischer Sicht kritiklose Kollektivbestrafung an der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen belasten die Beziehungen zum Westen weiter und katapultieren den weltoffenen König Abdullah II. in eine politische Zwickmühle. Um einen zunehmenden Einfluss der Muslimbrüder und Salafisten im Lande auf die Zivilbevölkerung zu verhindern, bietet die haschemitischen Königsfamilie so viel Unterstützung und Solidarität wie in ihrem Rahmen möglich für die palästinensische Zivilbevölkerung an. Die Angst vor einer möglichen Mobilisierung der Bevölkerung – angefangen in der konservativ-religiös geprägten Zarqa in Nord-Jordanien über die Proteste der urbanen Jugend auf Ammans modernen Straßen bis zur süd-jordanischen Hafenstadt Aqaba am Roten Meer - bereiten dem König zunehmend Sorge. Hatte er im Zuge des arabischen Frühlings eine Öffnung seiner Regierung hin zu einem demokratisch ausgerichteten Staatsapparat eingeläutet, ist er momentan dazu gezwungen, die Stärke seines gut geschulten Sicherheitsapparats, darunter die jordanische Armee, der Polizeiapparat sowie der jordanische Geheimdienst (Mukhabarat) in aller Sichtbarkeit zur Schau zu stellen, um radikalen, pro-iranischen Mächten im Land die Stirn zu bieten. In seiner neuen Reformwelle in 2021 hat König Abdullah II. von Jordanien Maßnahmen zur Überarbeitung des Wahlsystems ergriffen, einschließlich der Einführung eines zweistufigen Systems, das sowohl die Wahl von Vertretern der Gouvernorate als auch von nationalen Parteilisten ermöglicht. Zusätzlich wurden sollte die Vertretung von Frauen und Jugendlichen im Parlament erhöht und politische Aktivitäten an Hochschulen begrüßt werden. In den für September dieses Jahres angekündigten Wahlen des jordanischen Parlaments sind bisher 32 Parteien zugelassen. Diese stehen überwiegend auf Seiten des Königs und haben ohnehin kaum nennenswerten Einfluss, wenn sie ins Parlament gewählt werden. Nichtsdestotrotz ist in den elitären Kreisen des Landes die Sorge zu spüren, dass die einzig richtig organisierte Partei eine stark islamisch geprägte Partei ist, deren Einflussnahme in allen bisherigen Protesten unübersehbar war. Dabei handelt es sich um die Islamische Action Front, kurz IAF. Sollte der benachbarte Konflikt sich weiter verhärten, so ist mit einer breiten Unterstützung radikalerer und somit auch pro-iranischer Kräfte zu rechnen – nicht aus tatsächlicher Überzeugung, sondern als Ausdruck des Protestes und des Unmutes.

Dabei sind auch die im Land nach wie vor im Untergrund aktiven Schläferzellen des Islamischen Staates nicht zu unterschätzen. Das Land ist sich selbst dieser Gefahr durchaus bewusst und hatte mit Unterstützung westlicher Staaten eine groß angelegte Operation zur Bekämpfung terroristischer Zellen über viele Jahre hinweg angelegt. Da Sicherheit an oberster Stelle für Jordanier selbst steht, ist sich die überwiegende Mehrheit der Zivilbevölkerung und der Regierung einig, geschlossen im Kampf gegen islamistisch eingestellte Terrornetzwerke vorzugehen. 
 

Königin Rania und König Abdullah II.

Königin Rania und König Abdullah II. 

© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Royal Hashemite Court

Wirtschaftliche Herausforderungen Jordaniens und ihre Auswirkungen auf globale Handelsbeziehungen

Jordanien steht wirtschaftlich vor zahlreichen Herausforderungen, darunter eine hohe Arbeitslosigkeit, begrenzte natürliche Ressourcen und eine wachsende Staatsverschuldung. Das Land ist stark von ausländischer Hilfe und Investitionen abhängig, insbesondere von den USA, der Europäischen Union und den Golfstaaten. Diese Unterstützung ist essenziell für die Stabilität und das Wachstum der jordanischen Wirtschaft.

Die USA sind einer der wichtigsten Handelspartner und größten Geber von Entwicklungshilfe für Jordanien. Diese Beziehung hat Jordanien häufig dazu veranlasst, eine moderate und pro-westliche Haltung in seiner Außenpolitik einzunehmen. Deutschland unterstützt Jordanien ebenfalls durch Handelsabkommen, wirtschaftliche Hilfen sowie Entwicklungshilfe und ist nach den USA und der Weltbank der größte Geber des Landes.  Zuletzt hat die Bundesrepublik Jordanien 619 Mio. EUR in Form neuer Zuschüsse und Kredite zugesprochen.

Jordanien pflegt allerdings auch enge Beziehungen zu den Golfstaaten, vor allem zu Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die nicht unbedeutende Finanzhilfen und Investitionen bereitstellen, jedoch für eine weitreichende religiöse und traditionelle Weltanschauung stehen. Diese Unterstützung ist entscheidend für die jordanische Wirtschaft, besonders angesichts der Belastungen durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und anderen Krisenregionen.

Darüber hinaus verfügt das Königreich Handelsbeziehungen zu asiatischen Ländern, darunter auch China, welches ein bedeutender Handelspartner und Investor für wichtige Infrastrukturprojekte geworden ist. So sicherte das Land der Mitte Jordanien über das vergangene Jahrzehnt Investitionen in Höhe von über 7 Mio. US-$ zu. Die Diversifizierung der Handelspartner hilft Jordanien, seine wirtschaftliche Abhängigkeit zu verringern und neue Märkte zu erschließen.

Aufgrund dieser vielfältigen internationalen Beziehungen ist Jordanien häufig gezwungen, eine politisch geschickte Haltung einzunehmen, um seine wirtschaftlichen Interessen zu schützen und weiterhin Unterstützung aus verschiedenen internationalen Quellen zu erhalten. Die politische Stabilität und Balance zwischen Orient und Westen sind für Jordanien von enorm großer Bedeutung, um die dringend benötigte internationale Hilfe und Investitionen weiterhin zu sichern und die wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen.

Kürzungen durch westliche Partner, so beispielsweise die Kürzungen des UN-Menschenrechtswerk UNHCR in Höhe von 28 Mio. US-$, werden langfristig die westliche Position im Land und damit in der gesamten Region schwächen. Auch die im Herbst anstehenden US-Wahlen werden zwangsläufig die Zukunft der MENA-Region mitbestimmen. Es bleibt abzuwarten, wie westliche Akteure über diese und damit ihre eigene Zukunft in der globalen Weltordnung entscheiden werden.

Wang Yi, China’s top diplomat (center), in Beijing on March 10, 2023, with counterparts Musaad bin Mohammed Al Aiban of Saudi Arabia and Ali Shamkhani of Iran

Wang Yi, China’s top diplomat (center), in Beijing on March 10, 2023, with counterparts Musaad bin Mohammed Al Aiban of Saudi Arabia and Ali Shamkhani of Iran

© picture alliance / AA | CHINESE FOREIGN MINISTRY

Brückenbauer zwischen instabilen Ufern

Betrachtet man die Region, in der sich Jordanien befindet, so wird sehr schnell klar: das Land befindet sich geographisch in einem konfliktreichen Kessel, in dem die Lösungen für festgefahrene Probleme nicht über Nacht hergezaubert werden können. Der einst für seine liberale Lebensart gerühmte Libanon steckt seit Jahren in einer seiner schwersten wirtschaftlichen und politischen Krisen fest und leidet darunter, dass die häufig sehr gut ausgebildete Jugend ins Ausland flieht. Das seit dem Arabischen Frühling 2011 im Konflikt lebende Nachbarland Syrien wird von seinem autokratisch herrschenden Präsidenten Bashar Al-Assad in Geiselhaft genommen und ist ideologisch am schiitischen Iran und dessen Verbündeten ausgerichtet. Die Rivalität zwischen dem schiitischen Iran und dem sich in den letzten Jahren rapide modernisierenden sunnitischen Königreich Saudi-Arabien, wirft seit Jahrzehnten einen weiteren Schatten über die Region. Das geopolitische Ringen der beiden Regionalmächte wird auch durch das iranische Atomprogramm verschärft. Zudem überschattet der eine neue Dimension erreichte Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinensischen Gebieten die gesamte Region. Der Ausgang des Konflikts wird entscheidend für die gesamte Weltpolitik sein.

Jordanien kommt dabei eine tragende Rolle in der MENA-Region zu, da es neben Ägypten das einzige Land ist, das die längsten Wirtschaftsbeziehungen zu Israel pflegt. Der Friedensvertrag zwischen Jordanien und Israel unterstreicht Jordaniens Engagement für Stabilität und Sicherheit in der Region und hat dazu beigetragen, das Vertrauen sowohl westlicher als auch arabischer Staaten zu gewinnen. Durch seine pragmatische Außenpolitik und sein Bekenntnis zur Diplomatie hat Jordanien sich als verlässlicher Vermittler und Brückenbauer zwischen verschiedenen Interessengruppen etabliert und trägt somit maßgeblich zur Förderung des Friedens und der Kooperation in einer traditionell sehr volatilen Region bei.

Wer allerdings nach zukünftigen Einflüssen in der MENA-Region sucht, wird nicht lange suchen müssen, um auf China und Russland zu stoßen. Das Ausmaß der Investitionen und Desinformation ist weitreichend über die gesamte MENA-Region spürbar; von Informationen über Ereignisse im Gaza-Streifen, die nicht oder nur teilweise verifiziert werden können und sich gezielt gegen Israel und seine westlichen Partner richtet bis hin zu Radiosendern, die neben musikalischem Entertainment auch kommunistische und unüberhörbar antisemitische Inhalte teilen. Auch Jordanien bleibt von fremden Einflüssen und Investitionen nicht unberührt und kann sie teilweise auch nicht ablehnen, allein schon aus wirtschaftlichen Gründen. Im Systemwettbewerb der globalen Mächte wartet Jordanien jedoch keineswegs die Zeit ab, sondert ergreift – wie vielleicht momentan in westlichen Ländern häufig vermisst – selbst die Initiative um seine Position zu verdeutlichen und global akzeptable Lösungsansätze zu finden. Nach dem Raketenangriff des Iran auf Israel, welcher die Hoheit des jordanischen Luftraums verletzte, reagierte das Land entschieden und in einer diplomatisch höchst klugen Weise. Das Verhältnis zum Iran ist seither insbesondere seitens der jordanischen Zivilbevölkerung angeschlagen.

Aber auch westliche Partner, einschließlich Deutschland, haben das Vertrauen Jordaniens und der MENA-Region durch ihre Reaktionen im Gaza-Konflikt schwer beschädigt. Sie werden beschuldigt, Israel einseitig zu unterstützen, was als stillschweigende Zustimmung zum "Völkermord an den Palästinensern" verstanden wurde. Dadurch entsteht vielmals die Wahrnehmung, dass der einst so enge Partner Deutschland keine Empathie für die palästinensische Zivilbevölkerung habe. Die Tatsache, dass die Bundesrepublik zu den größten Gebern humanitärer Hilfe zählt, ist oft nicht bekannt oder wird wenn als Zugeständnis auf Druck gesehen, nicht als authentische Haltung. Insbesondere die aus arabischer Sicht eingeschränkten Demonstrationen an deutschen Universitäten zum Solidaritätsausdruck gegenüber Palästinensern werden als mehrheitliche Unterstützung der deutschen Zivilbevölkerung wahrgenommen, wodurch verkannt wird, wer die vermeintlichen Unterstützer sind und warum sie häufig von der deutschen Polizei aufgelöst werden. Das Ansehen Deutschlands in Jordanien ist insgesamt stark beeinträchtigt, sein Einfluss im Konflikt begrenzt.

Jordanien in der Zeitenwende: was bleibt, was wird?

Jordanien ist ein überwiegend traditionell geprägtes Land, dessen Gesellschaftsvertrag un Funktionieren noch immer durch die historische Stammeskultur geprägt ist, auch wenn es den Anschluss an die Moderne längst gefunden hat. Zwischen Tradition und Moderne, zwischen Westen und Orient sucht das Land, welches im Herzen des Nahen Ostens liegt, stets nach seiner wahren Identität. Insbesondere für junge Menschen, die die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen (Durchschnittsalter Jordanien: 23.1 Jahre), bedeutet dies oft zwischen mehreren Welten jonglieren zu müssen. Der Drang nach Freiheit und politischer Teilhabe ist groß, die Realität dann häufig herb enttäuschend.  

In einer Zeit globaler Handels- und Wirtschaftskrisen ist Jordanien zwar nicht in die Schusslinie internationaler Sanktionen oder einer schwerwiegenden Inflation geraten wie seine Nachbarländer, jedoch sind die Auswirkungen all dieser Faktoren in benachbarten Staaten nicht spurlos an dem Land vorbeigegangen. Der für Jordanien wichtigste Einkommenszweig, Tourismus, ist seit Beginn des Konflikts im Gaza-Streifen um bis zu 70 Prozent eingebrochen, was das Land bisher mehrere hundert Mio. EUR gekostet hat und sich weiterhin schwer auf die hiesige Wirtschaft auswirkt.

Für Deutschland und westliche Akteure sollte Jordanien demnach weiterhin ganz weit oben auf der Liste der Prioritäten stehen. Jordanien war und bleibt einer der verlässlichsten Partner westlicher Staaten im Nahen Osten und ist an einer langfristigen Stabilität der gesamten Region interessiert, was auch für den Frieden Europas und damit unmittelbar die Sicherheit Deutschlands größte Relevanz hat.  

Quellenverzeichnis:

[1] Curtis Ryan, A New Cycle of Reform in Jordan, Arab Center Washington DC, 21. Oktober 2021. https://arabcenterdc.org/resource/a-new-cycle-of-reform-in-jordan/

[2] Hanna Davis, How Jordan is stuck in Billions-Dollars Debt to China, 2. August 2023, New Arab. https://www.newarab.com/analysis/how-jordan-stuck-billions-dollars-debt-china

[3] Luis Barrucho und BBC Arabic, Gaza Airdrop: Why delivering Food from the Air is controversial, 6. März 2024, BBC World Service. Gaza aid airdrop: Why delivering food from the air is controversial (bbc.com)

[4] Saud Al-Sharafat, Sustained Counterrorism Efforts Remain Key to Preventing Attacks in Jordan, Washington Institute, 11. März, 2021. Sustained Counterterrorism Efforts Remain Key to Preventing Attacks in Jordan | The Washington Institute

[5] Statista. Jordan - average age of the population 1950-2100 | Statista

[6] Unbekannt, National political landscape expands with 32 registered parties, Jordan Daily Net, 10. März 2024. https://jordandaily.net/national-political-landscape-expands-with-32-registered-parties/

[7] Unbekannt, Safadi, Germany’s Baerbock discuss War on Gaza, regional escalation, The Jordan Times, 17. April 2024. https://jordantimes.com/news/local/safadi-germanys-baerbock-discuss-war-gaza-regional-escalation

[8] Unbekannt, Germany allocates 619 Million Euros to new Development Aid in Jordan, The Jordan Times, 9. Mai 2022. https://jordantimes.com/news/local/germany-allocates-619-million-euros-new-development-aid-jordan

[9] Unbekannt, US, World Bank top list foreign aid donors to Jordan, contributing $8.5b, The Jordan Times, 23. Mai 2022. https://jordantimes.com/news/local/us-world-bank-top-list-foreign-aid-donors-jordan-contributing-85b

[10] Unbekannt, Jordan Country Profile, BBC News, 19. April 2023. Jordan country profile - BBC News

 

Die Autorin

Isabel Kreifels ist Regional Project Manager im Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Amman.