EN

Kommunen
Stärkt endlich die Kommunen – mit mehr Flexibilität!

Ein Gastbeitrag von Dirk Assmann und Oliver Rottmann im Tagesspiegel Background
Deutschlands Städte brauchen mehr finanzielle Freiheit statt kurzfristiger Milliardenpakete.

Deutschlands Städte brauchen mehr finanzielle Freiheit statt kurzfristiger Milliardenpakete.

© picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack

Während kurzfristige Milliardenpakete wie Sondervermögen einzelne Impulse setzen können, fehlt es den deutschen Städten laut Dirk Assmann von der Friedrich-Naumann-Stiftung und Oliver Rottmann von der Uni Leipzig an langfristiger Planungssicherheit. Wie eine kluge Finanzreform die Kommunen stärken und Innovationen ermöglichen könnte, erläutern sie im Standpunkt.

Deutschlands Städte sind das Fundament des gesellschaftlichen Lebens und der wirtschaftlichen Stärke. Es sind die Orte, in denen mehr als 70 Prozent der Menschen hierzulande leben, arbeiten und ihren Alltag verbringen. Doch vielerorts stößt eine zukunftsgerichtete Stadtentwicklung an Grenzen, weil gesetzliche Vorgaben, bürokratische Hürden und langwierige Abstimmungsprozesse ihre Gestaltungsspielräume einschränken. Zudem hemmt eine unzureichende kommunale Finanzausstattung die regionalen Entwicklungsmöglichkeiten. Allerdings wissen die Kommunen selbst am besten, welche Lösungen vor Ort nötig sind, können sie aber häufig nicht umsetzen, weil Entscheidungsbefugnisse auf höheren Ebenen liegen.

Gestiegener Aufgabenkatalog, hoher Investitionsbedarf, niedrige finanzielle Basis

Zwar postuliert die kommunale Selbstverwaltung in Artikel 28 des Grundgesetzes das Recht der Kommunen in Deutschland, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu regeln (Art. 28 Abs. 2 GG) – dennoch sind zahlreiche Entscheidungsbefugnisse oder fiskalische Zwänge dafür verantwortlich, dass die Kommunen selbst über eine relativ geringe „Beinfreiheit“ in ihren Entscheidungen verfügen. Auch die Haushaltslage der Kommunen ist häufig äußerst angespannt, da der kommunale Aufgabenkatalog (ökologische Transformation, Zuwanderung, infrastrukturelle Investitionen, Wohnraumpolitik et cetera) über die Jahre sehr stark angewachsen ist.

Die Einnahmenseite hinkt dieser Entwicklung strukturell um ein Vielfaches hinterher. Die Abhängigkeit von Fördermitteln, die häufig notwendigen Transfers aus den Finanzausgleichssystemen der Länder (Kommunaler Finanzausgleich) und die geringe eigene Steuerbasis sprechen eine deutliche Sprache. Inwiefern allein der kommunale Investitionsrückstand – laut KfW-Kommunalpanel auf aktuell 186 Milliarden Euro beziffert – abgebaut werden soll, steht in den Sternen.

Nächste Bundesregierung muss kommunalen Handlungsspielraum stärken

Damit Städte ihre Verantwortung für eine zukunftsfähige Entwicklung indes wahrnehmen können, muss die nächste Bundesregierung ihnen mehr Handlungsspielraum und flexible Instrumente an die Hand geben, aber auch über eine kommunale Finanzreform nachdenken. Mit dem geplanten Sondervermögen Infrastruktur wird aktuell vage formuliert, die Kommunen über die Länder zu stärken.

Dies wird selbst im besten Falle nicht nachhaltig wirken, sondern maximal Impulse setzen. Vielmehr bedarf es einer echten Reform der Steuerverteilung und -zuteilung innerhalb der föderalen Ebenen.

Umsatzsteuer als Mittel zur Stärkung der kommunalen Finanzen

Eine aktuelle Studie des Komkis und des Kowid an der Universität Leipzig argumentiert, dass sich die Umsatzsteuer alsbewegliches Scharnier“ der Finanzverfassung anböte, die Kommunen fiskalisch und strukturell zu stärken. Da keine Zweckbindung vorläge, könnten die Kommunen dann die Mittelverwendung eigenverantwortlich entscheiden – sei es zur Straßen- und Brückensanierung, für Schul- oder Kitagebäude oder für die Digitalisierung. Im Gegensatz zur Ausschüttung von Fördermitteln profitierten hier alle Kommunen und nicht nur jene, die personell in der Lage sind, die Förderanträge zu bearbeiten.

Damit wäre ein zielgerichteter Einsatz der Finanzmittel vor Ort möglich. Bei dieser Aufgabe geraten viele Kommunen bereits an ihre Grenzen. Laut einer Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit haben aktuell zwei Drittel der Bevölkerung den Eindruck, dass den Kommunen aufgrund der bürokratischen Aufgaben keine Zeit bleibt, die wichtigen Probleme zu lösen.

Was zeichnet erfolgreiche Städte aus?

Warum kann es gerade in Krisenzeiten geboten und hilfreich sein, Entscheidungsspielräume für Städte auszuweiten? Um diese Frage zu beantworten, kann ein Blick in die Vereinigten Staaten helfen. In den 1950er Jahren war Detroit die Autostadt schlechthin und stand vor einer scheinbar rosigen Zukunft. Es kam bekanntlich anders. Die Krise der amerikanischen Autoindustrie führte dazu, dass mehr als eine Million Menschen der Stadt den Rücken kehrten. Ganz anders entwickelte sich die Situation in Seattle. Anfang der 1970er Jahre wurde die Stadt aufgrund des massiven Stellenabbaus bei Boeing bereits totgesagt. „Will the last person leaving Seattle — Turn out the lights“ war auf einem inzwischen berühmten Plakat an der Stadtgrenze zu lesen.

Doch anstatt den Untergang hinzunehmen, schaffte die Stadt die Basis für einen Neuanfang. Dank Unternehmen wie Microsoft und Amazon wurde Seattle zu einem Technologiezentrum von Weltrang. Diese Erfolgsgeschichte zeigt: Resilienz ist der Schlüssel. Während Detroit an alten Strukturen festhielt, nutzte Seattle die Krise als Chance, um neue Wege zu gehen.

Hierin liegt im übertragenden Sinne auch ein zentraler Auftrag für die aktuellen Koalitionsverhandlungen von Union und SPD, eine stärkere Flexibilität und mehr Handlungsspielräume statt noch mehr Bürokratie für die kommunale Ebene zu schaffen und für eine strukturell hinreichende Finanzausstattung zu sorgen, mit der die Kommunen ihre massiven Zukunftsaufgaben bewerkstelligen können, anstatt allein auf kurzfristige (anteilige) Sondervermögen zu setzen. Der adäquaten Erfüllung kommunaler Pflichtaufgaben, besserer technischer und sozialer Infrastrukturen, höherer Investitionen, einem starken Einzelhandel, der Gastronomie und einem hinreichenden Wohnungsbau wären damit wichtige Impulse gesetzt.

Diese Möglichkeit zur Flexibilität muss insbesondere auch auf der Bundesebene in die Wege geleitet werden. Der Zeitpunkt für tiefgreifende Veränderungen könnte aktuell nicht drängender sein. Bei der Regierungsbildung von CDU, CSU und SPD spielen all diese Themen derzeit jedoch keine oder eine lediglich untergeordnete Rolle. Wirklich konkret wird es bei den bisherigen Verhandlungen allein bei der Verlängerung der Mietpreisbremse. Die prekäre Lage am (urbanen) Wohnungsmarkt wird sich so jedoch nicht lösen lassen.

Anteiliges Sondervermögen nicht nachhaltig

Die veranschlagten Milliardensubventionen mögen für einen kurzfristigen Aufschwung der Bauwirtschaft sorgen, mehr Flexibilität und Handlungsspielraum für deutsche Städte ist längerfristig jedoch nicht in Sicht. Hierzu bräuchte es neben der Stärkung der fiskalischen Lage vor allem strukturelle Reformen wie eine drastische Reduzierung von Bauvorschriften oder eine Erleichterung von Umnutzungen, mit denen Städte zeitnah auf wirtschaftliche Veränderungen reagieren können. Eine Studie von PWC zeigt beispielsweise, dass die Umnutzung von bedrohten Büroflächen zu Wohnraum Platz für 170.000 bis 200.000 neue Wohnungen bieten würde. Natürlich löst das nicht allein die Wohnungsmarktkrise, aber jeder neue Wohnraum ist in der aktuellen Situation ein Schritt in die richtige Richtung.

Krisen sind unvermeidbar. Kommunen sind seit jeher krisenerprobt und lösungsorientiert. Es kommt aber entscheidend auf die richtigen Rahmenbedingungen an, mit denen neue Ideen, Geschäftsmodelle und Stadtentwicklungskonzepte wachsen können. Mit kurzfristigen Milliardensubventionen ist es nicht getan. Stattdessen sollte es in den Koalitionsverhandlungen um strukturelle Verbesserungen gehen, die den Städten und der Wirtschaft mehr Handlungsspielräume zugestehen. Das Licht muss in unseren Städten und Gemeinden niemand ausschalten – mit den richtigen Rahmenbedingungen könnte es wieder flächendeckend leuchten.

Dirk Assmann ist am liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für den Bereich Innovationsräume und Urbanisierung verantwortlich. Oliver Rottmann ist Vorstand des Kowid – Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. an der Universität Leipzig.

 

Dieser Artikel erschien erstmals am 19. März 2025 beim Tagesspiegel Background.

Bei Medienanfragen kontaktieren Sie bitte:

Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
Telefon: + 4915202360119
Close menu