Mitte-Studie
Alarmierende Zahlen zum Demokratieverständnis
"Ein Teil der Mitte der Gesellschaft distanziert sich von der Demokratie. Extrem rechte Narrative über die multiplen Krisen, vermeintliche Erklärungen und vereinfachende Lösungen dringen immer weiter in die Mitte vor (…)“. Mit diesen Worten beginnt die kürzlich veröffentlichte „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die von der Stiftung erhobenen Zahlen vermitteln eine düstere Bilanz der momentanen gesellschaftlichen Entwicklungen.
Ein nicht unerheblicher Teil vertritt menschenverachtende Ideologien!
Die Erhebungen der Autorinnen und Autoren zumRechtsextremismus sind zum Teil erschütternd. Mittlerweile haben nach Darstellung der Studie über acht Prozent der in Deutschland lebenden Menschen ein rechtsextremes Weltbild, nur noch 71% lehnen dieses strikt ab. Es ergibt sich besonders aus Fremdenfeindlichkeit (die über 16% zugesprochen wird), Antisemitismus und Sozialdarwinismus (jeweils 5,7%). Ein nicht unerheblicher Teil der in Deutschland lebenden Menschen vertritt, so die Studie, damit menschenverachtende Ideologien. Schon für sich genommen, machen diese Einstellungen betroffen. Die Studie zeigt aber darüber hinaus, dass die Zahlen seit 2014 kontinuierlich steigen. Mittlerweile erreichen sie in allen Kategorien einen Höchststand. Selbst die Flüchtlingskrise 2015, die der AfD vergleichsweise hohe Zustimmungswerte bescherte, zog nicht so hohe Zahlen in der Gesamtbevölkerung nach sich.
Was uns genauso beunruhigen muss, ist die in der Studie dargestellte zunehmende erodierende Zustimmung zur Demokratie. Nur noch eine sehr knappe absolute Mehrheit (51,5%) setzt Vertrauen in staatliche Institutionen. Ein Gefühl von politischer Machtlosigkeit teilen knapp 40%. Und nur noch etwas weniger als 60% sind im Großen und Ganzen von der Funktionsfähigkeit der deutschen Demokratie überzeugt. Tendenz auch hier über die Jahre steigend. Dass sich mittlerweile mehr als sechs Prozent sogar nach einer Diktatur mit starker Führungspersönlichkeit sehnen, lässt einen sprachlos zurück. Wohlgemerkt leben die Befragten nicht in einem failed state, sondern in einer der stärksten Volkswirtschaften der Welt, die auf einer parlamentarischen Demokratie fußt!
Der Zusammenhang zwischen erstarkendem Rechtsextremismus und Demokratieskepsis ist kein Zufall. Angesichts multipler Krisen wie dem Ukrainekrieg, einer hohen Inflation und prognostiziertem wirtschaftlichem Abschwung, dem Klimawandel sowie steigender Flüchtlingszahlen sehnen sich viele nach einfachen Lösungen. Rechte und rechtspopulistische Parteien perfektionieren das Spiel mit der Angst und bieten den Menschen vermeintlich genau diese einfachen Lösungen. Putin verstehen, Reicheenteignen, Europa dichtmachen - das sind die Narrative, derer sie sich bedienen. Universelle Menschenrechte, demokratische Prozesse und Rechtsstaatlichkeit, Garantien also, die unsere liberale Demokratie ausmachen, sind da nur hinderlich und pure Zeitverschwendung.
Wir müssen alles tun, damit die Menschen von den Rändern in die demokratische Mitte zurückkehren
Die Studie liefert viele unbequeme Zahlen, die bei nicht wenigen, die sich noch der Demokratie verhaftet fühlen, ebenfalls ein Ohnmachtsgefühl auslösen könnten. Das wäre aber der genau falsche Impuls! Wir müssen jetzt alles tun, damit die Menschen von den Rändern in die demokratische Mitte zurückkehren. Das bedeutet nicht, ihre Ansichten zu verharmlosen. Im Gegenteil, menschenverachtendes, radikales Gedankengut muss immer wieder auf das Schärfste verurteilt werden! Aber es muss viel stärker argumentativ und operativ gegengehalten werden. Demokratiefeinden dürfen nicht die analogen und digitalen Räume überlassen werden. Mit gefestigten Rechtsextremen ist kein Staat zu machen. Gerade die Menschen, die bisher „nur“ von der Demokratie enttäuscht sind, dürfen wir aber nicht aufgeben. Ängste ernstzunehmen gehört zur Politik. Einfache Lösungen gibt es für die meisten Probleme dieser Welt eben nicht. Komplexe Sachverhalte müssen verständlicher erklärt und überzeugende Lösungen angeboten werden. Diese Kraftanstrengung müssen die Regierungen im Bund und in den Ländern leisten. Streit aus Rechthaberei überzeugt nicht.