Donald Trump
Die Macht des Kandidaten
Inzwischen bieten einige Medien Übersichten an, wo und weswegen Donald Trump angeklagt ist, und wann die nächste Verhandlung ist. Denn sonst ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten angesichts der Vielzahl der Anklagepunkte. Einige Journalisten haben sogar schon ausgerechnet, dass die Summe der Höchststrafen in allen Anklagepunkten bei über 600 Jahren Gefängnis läge; theoretisch. Aber eine Gruppe interessiert das alles nicht: Seine Anhänger. Trumps Skandalresistenz zeigt sich erneut Anfang August nach der Verlesung der schwerwiegenden Anklagepunkte wegen des Sturms des Kapitols in Washington. Auch nach seinem Gerichtsauftritt in Washington liegt er mit weitem Abstand in den Umfragen vor den anderen Bewerbern der Republikaner. Umfragen sehen im Durchschnitt derzeit Trump bei rund 53 %, Nummer zwei deutlich dahinter ist Ron DeSantis mit 15 % Zustimmung der republikanischen Wählerschaft. Fast scheint es so, als sei für Trump der Gerichtssaal mehr Bühne als Anklagebank.
Trump spricht von Hexenjagd
Trumps Anhänger sind inzwischen fest davon überzeugt, dass es bei den Anklagen nicht um rechtliche Verfahren geht, sondern um politische Verfolgung. Trump selber spricht von Hexenjagd. An dem Mantel der vermeintlichen politischen Verfolgung perlt jeder Skandal scheinbar schadlos ab. Dagegen ist die Kampagne des in Umfragen zweitplatzierten Bewerbers um die republikanische Kandidatur in einer strategischen und finanziellen Krise: DeSantis Hauptspender ruft den Hardliner öffentlich zu einem Strategiewechsel (Extremismus gewinnt keine Wahlen) auf. Sonst werde er nicht mehr spenden.
Aus Sicht des Sommers 2023 ist überhaupt nicht erkennbar, wo eine neue Dynamik für die republikanischen Vorwahlen 2024 herkommen soll. Es scheint nicht so, dass die Karten nochmal neu gemischt werden. Auch wenn einige Beobachter die Gerichtsverfahren immer noch als „game changer“ sehen.
Trump als Kandidat würde Spannungen zwischen Demokraten und Republikanern vergrößern
Anders als im deutschen politischen System kann aber in den USA der Herausforderer erheblichen Einfluss auf die politischen Entscheidungen im Kongress nehmen, vor allem wenn die Mehrheiten nicht der Präsidentenpartei angehören. Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner die Mehrheit. Das zwingt Präsident Bidens Demokraten zu mehr Kompromissen. Wie schwer die Einigungen im „Divided Government“ sind, hat zuletzt der dramatische Showdown um die Aussetzung der Schuldenobergrenze zwischen dem republikanischen Speaker Kevin McCarthy und dem weißen Haus gezeigt. Auch wenn in den USA Kongress und Regierung schon vielfach vor dem Hintergrund drohender Zahlungsunfähigkeit der Regierung verhandelt haben, war diesmal die Beunruhigung in der Finanzwelt besonders groß. Das liegt auch an dem zunehmend konfrontativen Klima zwischen Demokraten und Republikanern. Ein Kandidat Trump würde die Spannungen zwischen den Demokraten und Republikanern wohl eher noch vergrößern. Da ist es gut, dass die Schuldenobergrenze bis 2025 ausgesetzt ist. So kommt es in der heißen Wahlkampfphase im nächsten Jahr nicht zum erneuten Showdown.
Die außenpolitischen Positionen des Kandidaten Trump und die Politik Präsident Bidens sind weit voneinander entfernt. Das gilt auch für die Unterstützung der Ukraine. Vermutlich werden auch im kommenden Präsidentschaftswahlkampf außenpolitische Themen nicht im Zentrum stehen. Dennoch wird es der mögliche Kandidat Trump wohl kaum zulassen, dass die Republikaner im Kongress wenige Monate vor der Wahl Entscheidungen mittragen, die seinen politischen Haltungen diametral widersprechen. So regiert bereits der Kandidat mit.
Deutliche Kritik an der Ukraine-Unterstützung
Im März 2023 übte Trump deutliche Kritik an der Ukraine-Unterstützung und kündigte an, dass unter seiner Führung keine Mittel mehr für „idiotische“ und endlose Kriege im Ausland eingesetzt würden. Allerdings kritisiert im Kongress bisher nur eine republikanische Minderheit den Kurs der Regierung in der Ukraine-Politik, das aber sehr lautstark und mit wachsender Zustimmung in den Umfragen. Es könnte also sein, dass die grundsätzlich unterschiedlichen Vorstellungen über die Rolle der USA in der Außenpolitik im Wahlkampf in der Ukraine-Politik aufeinandertreffen: Auf der einen Seite Präsident Biden, der die USA als „Anführer der freien Welt“ versteht und in der Ukraine auch die Demokratie verteidigt sieht; auf der anderen Seite ein Kandidat Trump, der sich rühmt, dass er der einzige Präsident seit Jahrzehnten gewesen sei, in dessen Amtszeit die USA keinen Krieg begonnen hätten.
Die USA haben nach eigenen Angaben die Ukraine seit Kriegsbeginn Unterstützung im Wert von mehr als 40 MRD Dollar geleistet. Sollte im Wahlkampf diese Linie die Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus verlieren, hätte dies weitreichende außenpolitische Folgen. Und zwar schon vor der Wahl im November 2024.
Martin Biesel, designierter Regionalbüroleiter Nordamerika.