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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Sanktionen gegen Russland
Starkes Signal, schwache Wirkung!

Die Sanktionen gegen Putins Russland werden das Land nicht in die Knie zwingen. Trotzdem müssen sie beibehalten und wenn nötig verschärft werden.
Kreml

Nach dem aggressiven Angriff auf die Ukraine und dem Versuch eines Vernichtungskriegs gilt die Beibehaltung der Sanktionen mehr denn je.

© picture alliance / SvenSimon | Elmar Kremser/SVEN SIMON

Die Diskussion ist nicht neu. Am 24. Februar 2021, also genau ein Jahr vor Putins Überfall auf die Ukraine, fand im Deutschen Bundestag per Zoom eine Anhörung des Wirtschaftsausschusses statt - mit sogenannten Experten. Diese plädierten alle bis auf zwei für die Abschaffung der Sanktionen. Das Argument: bringt nichts, der Schaden für Russland ist zu gering, um eine wesentliche Wirkung zu haben.

Die beiden abweichenden Meinungen kamen von Dr. Janis Kluge, nominiert von den Grünen, und von mir, nominiert von der FDP. Wir argumentierten unisono: Stimmt, wir werden das ressourcenreiche riesige Russland nicht mit Sanktionen in die Knie zwingen. Aber trotzdem sind die Sanktionen ein starkes Signal - nach dem Leitmotiv: Eine Verletzung der territorialen Integrität eines Landes durch einen Aggressor ist inakzeptabel, es muss sichtbare Konsequenzen haben - zur Not auf Dauer. Sie darf nicht ohne harte Antwort bleiben.

Dieser Grundsatz gilt auch heute noch. Mehr als das: Nach dem aggressiven Angriff auf die Ukraine und dem Versuch eines Vernichtungskriegs gilt sie mehr denn je. Und zwar für alle Arten der Sanktionen - vom Einfrieren von Vermögen russischer Putinfreunde im Westen bis hin zur Kappung der Öl- und Gasimporte bis zu Beschränkungen des Handels mit militärnahen und sogenannten Dual-Use-Gütern. All dies bewirkt nicht mehr als einen moderaten Schaden für die russische Wirtschaft, aber viel wichtiger ist die politische und moralische Wirkung in der Welt. Motto: Schaut her, Russland gehört in einer neuen geopolitischen Ordnung nicht mehr zur "normalen" globalen Arbeitsteilung, jedenfalls nicht aus der Sicht des Westens.

Klar ist: Es gibt mannigfache Möglichkeiten der Umgehung der Sanktionen über Drittländer, zum Beispiel Georgien, wo die dortige relativ russlandfreundliche Regierung der Partei des "Georgischen Traum" nur wenig dagegen tut, korrupte Praktiken zur Umlenkung von Handel zu unterbinden. Ähnliches gilt wahrscheinlich in noch größeren Maße für Aserbaidschan und weitere Nachbarstaaten Russlands. Hier sollte der politische Druck verstärkt werden, wenn man auch vor Illusionen warnen muss: Ganz verhindern lässt sich der "Schmuggel" nicht.

Ähnliches gilt natürlich für mächtige politische Gegenspieler des Westens wie China, die auch ein politisches Interesse haben, die Sanktionen zu unterlaufen - nach dem Motto: Euer Feind ist unser Freund. Allerdings zeigt sich, dass gerade China auch sehr genau darauf achtet, es mit der westlichen Wirtschaftswelt nicht ganz zu verderben. Dem Vernehmen nach haben chinesische Banken es doch vielfach vermieden, die Sanktionspolitik gezielt zu unterlaufen, um nicht selbst auf lukrative Geschäfte mit einem dann unwilligen Westen verzichten zu müssen.

All dies sind komplizierte geopolitische Manöver, deren Ausgang im Einzelnen nicht vorherzusagen ist. Klar ist allerdings, dass ein permanenter politischer Druck auf Putin bleibt und bleiben muss. Ihn zu lockern käme auf absehbare Zeit einer Art Kapitulation gleich. Und es würde dem Westen die Möglichkeit nehmen, der Ukraine aus Erträgen der im Westen lagernden russischen Vermögen einiges an Unterstützung für den Krieg zukommen zu lassen. Für den Westen gibt es deshalb keinen einfachen Weg zurück.

Dass dabei die russische Wirtschaft trotz Sanktionen wieder ordentlich gewachsen ist, hat im Wesentlichen mit den globalen Rohstoffmärkten zu tun. Dort gibt es Entwicklungen, die niemals vom Westen allein kontrolliert werden können. Dort wird es weiterhin ein Auf und Ab bei Preisen und Mengen geben, dem der Westen machtlos gegenübersteht. Dies ändert aber nichts an dem politischen Wert der Sanktionen. Diese dürfen erst zur Disposition stehen, wenn sich Russland bewegt - und zwar aus der Ukraine heraus, aus welchen Gründen auch immer.

 

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist stolze Partnerin des diesjährigen Boris-Nemtsov-Forums, das heute in Berlin stattfindet. Zum Thema Sanktionen diskutiere ich am 11. Oktober zusammen mit Zhanna Nemtsova, Janis Kluge u.a. Hier finden Sie den Livestream.