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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Steuerpolitik
Steuerpolitische Zaubertricks

Der Plan von Friedrich Merz ist zu teuer. Und er verschärft unerwünschte Anreize.
Merz und Lindner
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Viele Politiker aus dem Lager der politischen Linken fordern seit Langem pauschal eine Verlagerung der Steuerlast von “Arm” zu “Reich”. Nun tut dies auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. In einem Interview äußerte er, man müsse die Mitte der Gesellschaft entlasten und dabei die wirklich Reichen etwas stärker belasten. Der Weg dahin sei ganz einfach: Man verschiebt die Anwendung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensskala kräftig nach oben, erhöht den Satz aber moderat, sagen wir, von jetzt 42 auf 45 Prozent. Das sei – so die Grundidee – gerecht, aufkommensneutral und fördere die Leistungsanreize.

Verteilung der Last

Nun kann man über Gerechtigkeit streiten. Allerdings gilt es doch zu bedenken, wo wir heute schon stehen. In 2019, dem letzten Jahr vor Corona, für das die Statistik der Lohn- und Einkommensteuer komplett vorliegt, wurde fast ein Viertel des Gesamtaufkommens der Steuer von 334 Mrd. Euro von knapp ein Prozent der Steuerpflichtigen erbracht, nämlich jenen mit Einkünften über 250.000 Euro. Die Hälfte der Steuerpflichtigen – jene mit Jahreseinkünften unter 30.000 Euro – leisteten etwa fünf Prozent, die unteren Zweidrittel – jene unter 50.000 Euro – 20 Prozent des Aufkommens. Die Steuerlast ist also bereits heute in hohem Maß zu Lasten der Wohlhabenderen verteilt, und dies liegt natürlich daran, dass in den letzten beiden Jahrzehnten immer wieder Freibeträge erhöht oder neu eingeführt wurden, die zunehmende Teile der “unteren Mittelschicht” entlasteten. Die Lohn- und Einkommensteuer ist eben auch heute schon in hohem Maße progressiv.

Und genau darin liegt auch rechnerisch das Problem der “Merz-Reformen”. Denn der geringen Last der unteren Einkommen steht im Übergang zur “Höchstlast” der wenigen Spitzenverdiener eine riesige Masse von Menschen gegenüber – jene zwischen 50.000 und 250.000 Jahreseinkommen –, die sich einem scharfen Anstieg des Steuersatzes für jeden zusätzlich verdienten Euro gegenübersehen. Das ist rund ein Drittel aller Steuerpflichtigen, in absoluten Zahlen: fast 15 Millionen Menschen. Dagegen gibt es nur 400.000 Fälle mit Einkünften über 250.000 Euro, davon 27.000 mit einer Million Euro und mehr. Wollte man in dieser Konstellation, wie Merz es vorschlägt, die “Mittelschicht” aufkommensneutral deutlich entlasten, würde dies entweder bedeuten, dass der Spitzensteuersatz wohl eher in der Nähe von 60 als von 45 Prozent liegen müsste, um das nötige Aufkommen zu mobilisieren. Oder ein moderaterer Satz müsste dann doch wieder deutlich früher einsetzen, und dies würde dann gegenüber dem Status quo nur wenig ändern, denn der sieht ein Einsetzen des Spitzensteuersatzes bei 63.000 Euro Jahreseinkommen vor.

Es gibt hierzulande zu wenig Reiche

Das sind eigentlich einfache Rechenaufgaben, wie sie Bundesfinanzminister Christian Lindner nach Bekanntwerden der Vorschläge von Friedrich Merz gleich vorlegte. Es gibt eben hierzulande viel zu wenig wirklich Reiche. Die meisten deutschen Steuerzahler finden sich bereits heute in der Mittelschicht, ein gutes Drittel davon unter jenen vielen gut verdienenden Leistungsträgern, die wir gerne zur Mehrarbeit motivieren und nicht bestrafen wollen. Gerade diese sehen sich aber scharf ansteigenden Steuersätzen gegenüber, die ihre Einkommenszuwächse durch zusätzliche Leistung, aber auch Inflation wegfressen. Unter ihnen, aber auch unter den “wirklich Reichen” sind auch viele Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen, deren Einkommen durch die Geschäftslage bestimmt wird und zu einem großen Teil in Investitionen fließt. Sie könnten sich –  wenn drastisch höher besteuert – Gedanken über die Verlagerung von Firmensitzen und neuen Produktionsstätten machen, etwa vom Hochsteuerland Deutschland in die nahe gelegene Schweiz. Wollen Sie das wirklich, Herr Merz?