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Innovation 4 Democracy
Innovation für die Demokratie

Auf die Menschen kommt es an
Haoting Chang und CIO des Landes Sachen-Anhalt, Bernd Schlömer
© FNF

Wer merkt, dass das eigene Geschäftsmodell, die eigene Art Politik zu machen oder Verwaltung zu organisieren dringend innovativer sein müsste, wird nicht selten zu dem Gedanken verleitet, dass es überall anders sicher viel besser läuft, als im eigenen Land. Dass man etwas mit künstlicher Intelligenz oder Blockchain machen sollte, um auch endlich innovativ zu sein. Doch das Gras ist nicht überall grüner als bei einem selbst und innovativ sein bedingt nicht, dass man zwingend Technologie einsetzen muss. All das verdeutlichte das Besuchsprogramm des Global Innovation Hubs der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Haoting Chang, die nach der Teilnahme am Female Leadership Programm der IAF in Gummersbach noch nach Berlin reiste, um sich hier mit relevanten Organisationen und Stakeholdern zum Thema Innovation im Public Sector auszutauschen.

Frau Chang ist Design Lead bei PDIS, einer Organisation, die bei der taiwanesischen Digitalministerin (offiziell: Minister without portfolio) Audrey Tang und ihrem Open Innovation Space integriert ist. PDIS’ Aufgabe ist es, digitale Innovationen und Dienstleistungen zu fördern, die Prozesse des öffentlichen Dienstes zu optimieren, soziale Innovationen einzuführen und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft besser zu ermöglichen. PDIS fokussiert sich dabei auf drei Bereiche: soziale Innovationen, Open Government und die Beteiligung von jungen Menschen. Als Design Lead bei PDIS entwickelt Haoting Chang mithilfe von Methoden wie Design Thinking Prototypen für neue oder verbesserte Dienstleistungen der Verwaltung. Dabei bezieht PDIS hauptsächlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dieser ein, nutzt aber auch die Expertise der Zivilgesellschaft und bringt diese Gruppen zusammen, damit gemeinsam nutzerzentrierte Lösungen entwickelt werden.

 

Herausforderungen in Taipei und Berlin ähneln sich

Bei unserem Besuchsprogramm in Berlin traf Frau Chang am Morgen auf Sonja Anton, Co-Gründerin und Chief of Staff und Martin Jordan, Head of Design bei DigitalService, der Digitalsisierungseinheit des Bundes. Wie sich herausstellte, haben beide Organisationen sehr ähnliche Aufgaben: nutzerzentrierte digitale Lösungen entwickeln und dabei moderne und agile Arbeitsmethoden verwenden. Bereits im ersten Gespräch des Tages wurde klar, dass es bei der Verbesserung von Services und Prozessen nie vorrangig um den Einsatz einer bestimmten Technologie gehen darf. Bei der Entwicklung muss immer die Person oder die Personen, die die Lösung später anwenden wird, im Fokus stehen. Außerdem wurde betont, wie wichtig der internationale und interdisziplinäre Austausch ist. 

Ein weiterer Ort der Innovation war der GovTech Campus, der uns vom Co-Gründer und Vorstandsmitglied Lars Zimmermann eindrucksvoll vorgestellt wurde. Der GovTech Campus bringt heute schon die föderalen Ebenen Deutschlands mit Unternehmen aus dem GovTech-Sektor zusammen, um eine Infrastruktur für die Vernetzung und Kollaboration zu bieten. Vor einem Jahr gegründet und der erste seiner Art weltweit, ist er mit dieser Aufgabe noch am Anfang. Doch auch in diesem Austausch wurde deutlich, dass man nur durch Tun und Ausprobieren Fortschritt erreichen kann und dass dafür das Zusammenbringen von Menschen mit Passion und dem Willen zur Veränderung notwendig ist.

Beim Mittagessen mit Adriana Groh vom SovereignTech Fund und ersten Gast im Innovation for Democracy Café des Global Innovation Hubs wurde nochmal klar, dass bei aller Begeisterung für Innovation und das Neue grundlegende Infrastrukturen nicht vergessen werden dürfen. Gerade die logische digitale Infrastruktur benötigt Maßnahmen, um ihren Erhalt und ihre Sicherheit nachhaltiger zu ermöglichen. In dem Gespräch zwischen den beiden Expertinnen wurde deutlich, dass öffentliche Förderprogramme häufig nicht mehr zu den Herausforderungen des digitalen Zeitalters passen, wo viel Open Source ist und sein sollte, und generelle eine deutlich stärkere Offenheit (Stichwort: Open Government, Open Data, etc.) und Co-Kreation zwischen Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft notwendig und auch erwünscht ist.

Für leichte Abkühlung bei 36 Grad Außentemperatur sorgte dann eine Tour durch den Bundestag, die für unsere Gäste aus Taiwan ein kleines Highlight war. Das Büro von Maximilian Funke-Kaiser MdB hat sich trotz Sommerpause die Zeit genommen, uns das Gebäude, Ausschusssäle, Kunst und Historisches im Paul-Löbe-Haus und dem Reichstag zu zeigen. Der Austausch mit Gerrit Wernke, dem digitalpolitischen Referenten des Abgeordneten, kam dabei natürlich nicht zu kurz.

Nach einer weiteren notwendigen Abkühlung - Eiscreme musste her - gab es einen kurzen Abstecher ins Hauptstadtbüro der Friedrich-Naumann-Stiftung, bevor es am Abend einen Austausch mit dem Staatssekretär und CIO des Landes Sachsen-Anhalt, Bernd Schlömer gab. Staatssekretär Schlömer und Frau Chang tauschten sich hier sehr praxisnah über die Herausforderungen von Innovationen in Verwaltungen aus und wie wichtig es ist, Menschen aus unterschiedlichen Ministerien und Arbeitseinheiten zusammenzubringen, Vernetzung zu ermöglichen und Räume zu schaffen, die innovationsfreundlich sind - auch für das alltägliche Arbeiten.

Menschen vernetzen um Innovation zu ermöglichen

Der deutsch-taiwanische Austausch konnte darlegen, dass wir mit sehr ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Dass Innovationen in Verwaltungen zu bringen eine Herausforderung für alle ist und dass überall Vorbehalte vor Neuem und Beharrungskräfte wirken. Klar wurde auch in allen Gesprächen, dass das Wichtigste ist, Menschen zu vernetzen, Räume und Möglichkeiten zu schaffen und Infrastrukturen bereitzustellen. Innovationen und Ideen kommen dann meist von ganz alleine, denn Menschen - und gerade auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltungen sind voll von Ideen für Verbesserungen und Weiterentwicklungen. Häufig fehlt es nur an Gleichgesinnten, Ressourcen und die Möglichkeit Dinge auszuprobieren und dabei Scheitern zu dürfen. Dass das Gras bei anderen doch nicht grüner ist, mag manchen vielleicht niederschmettern. In den zahlreichen Gesprächen des Tages war deswegen aber niemand niedergeschmettert. Viel mehr zogen wohl alle Motivation und Energie aus dem Wissen, dass man weltweit Verbündete hat, mit denen man jeden Tag ein bisschen mehr Innovation für die Demokratie ermöglichen kann.