MariaTudosescu
Transfer durch Konflikt: Besatzungsnarrative im Kontext der deutsch-französischen Versöhnung
Universität Tübingen in Cotutelle mit Universität Aix-Marseille
Die in Kriegen angerichteten Zerstörungen und das Gefühl des Hasses gegenüber dem Feind zerrütten die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den beteiligten Völkern in der Regel nachhaltig, schüren langlebige Ressentiments und verhindern manchmal über Jahrhunderte den Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses. Die Schnelligkeit, mit der sich nach 1945 der Kulturtransfer zwischen den beiden Erbfeinden Deutschland und Frankreich intensiviert hat überrascht daher und lässt sich nicht allein auf die vor dem Hintergrund des Kalten Krieges vollzogene politische Annäherung beider Staaten erklären.
Ziel meines Dissertationsprojektes ist es, den bereit in verschiedenen historischen Arbeiten angewendete neue Perspektivierung der Besatzungszeit nun auch kultur- bzw. literaturwissenschaftlich im Blick auf die verschiedenen Besatzungsnarrative fruchtbar zu machen.
Die Analyse dieser spezifisch brisanten Verbindung zwischen Konflikt und Kulturtransfer soll zum einen die widersprüchliche Komplexität der Narrative hinsichtlich ihrer Unterschiede und Gemeinsamkeiten untersuchen, die – auf beiden Seiten – von Angst durchdrungen sind, aber auch mitunter zwischen Feindseligkeit und Sympathie schwanken: Es geht daher nicht darum, die Besatzungsnarrative aus einem nationalen, sondern einem transnationalen Betrachtungswinkel zu beschreiben. Mit ambivalenten Gefühlen und Reaktionen sind – sowohl während des Krieges als auch danach – insbesondere die deutsch-französischen Mittler konfrontiert: französischsprachige und frankophile Deutsche wie Ernst Jünger oder Franzosen, die sich für die deutsche Kultur- und Geistesgeschichte interessieren (wie Albert Camus und Jean-Paul Sartre).
Darüber hinaus soll mit der Methode des Kulturtransfers der nachhaltigen, bis in die Gegenwart reichende Einfluss dieser konfliktreichen Vermischung benachbarter Kulturen untersucht werden, der letztlich den Grundstein für eine neue und dauerhafte Freundschaft gelegt hat.
Indem die Situation während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich mit dem nach 1945 entstandenen kulturellen Transfer zwischen Frankreich und Deutschland in Beziehung gesetzt wird, unterstreicht das Dissertationsprojekt die Bedeutsamkeit des kulturellen Austausches in und über Krisenzeiten hinweg und zielt darauf ab, Erkenntnisse über die Entstehung gemeinsamer Narrative als Grundlage eines gemeinsamen kulturellen Erbes in Europa zu erhalten. Der direkte und indirekte wechselseitige Dialog und Austausch zwischen Deutschland und Frankreich – in Zeiten des Friedens wie der Krise und des Krieges – steht in diesem Sinne als pars pro toto für ganz Europa.
Carina Stegerwald
Idylle zwischen Naturverbundenheit, gelebter Gemeinschaft und konstruierter Heimat? Der Hiddensoer Künstlerinnenbund (1919-1933). Eine kunst- und kulturhistorische Untersuchung im Kontext der Künstlerkolonien an der deutschen Ostseeküste
TU Dresden
„Hiddensöe. Eine Anzahl Malerinnen hat sich zu einem Hiddensöer Künstlerinnenbund zusammen getan.“ Diese kurze Annonce aus den Kunstnachrichten vom 15. November 1919 mag auf den ersten Blick trivial wirken, doch versteckt sich dahinter ein für die Zeit ungewöhnlicher Zusammenschluss, der von großer Bedeutung für die künstlerische Moderne war. Denn beim Hiddensoer Künstlerinnenbund (1919-1933), welcher den zentralen Gegenstand meines Dissertationsvorhabens darstellt, handelte es sich nicht nur um eine lokale Vereinigung auf einer abgelegenen Insel in der Ostsee. Vielmehr wurden hier auch die neuen Möglichkeiten und die Freiheit repräsentiert, die Künstlerinnen mit der im selben Jahr stattgefundenen Öffnung der deutschen Kunstakademien für Frauen erlangten. Nun hatten Zusammenschlüsse von Künstlerinnen nicht mehr ausschließlich den Zweck der Ausbildung, sondern fungierten insbesondere als Mittel der Präsentation sowie zum Aufbau eines Absatzmarktes.
Um diese Ziele ging es auch Henni Lehmann, welche die Initiatorin und erste Vorsitzende des Hiddensoer Künstlerinnenbundes war. Ihr schlossen sich mehrere Frauen aus ganz Deutschland an – unter anderen Clara Arnheim, Elisabeth Büchsel, Käthe Loewenthal und Julie Wolfthorn –, die auf Hiddensee größtenteils über mehrere Jahre ihre Sommer verbrachten. Zwischen 1924 und 1933 stellten sie in der sogenannten Blauen Scheune regelmäßig ihre Werke aus. Dann jedoch fand die überwiegend aus Frauen jüdischer Abstammung bestehende Vereinigung durch den Nationalsozialismus ein abruptes Ende. Als jüdisch stigmatisiert – obwohl sie teilweise sogar zum Christentum konvertiert waren –, erhielten die meisten Künstlerinnen zunächst ein Berufsverbot und wurden einige Jahre später in Konzentrationslager deportiert, wo sie ermordet wurden.
Was macht den Hiddensoer Künstlerinnenbund so besonders? Eine Sonderstellung hat dieser Zusammenschluss vor allem durch seinen doppelten Status als Künstlerinnen(!)bund sowie Künstlerkolonie; beide Aspekte beabsichtige ich, in meiner Arbeit zu untersuchen. Dabei soll voraussichtlich zum einen die Idylle-Thematik, genauer gesagt die Hypothesen „Im Einklang mit der Natur?“, „Leben als Gemeinschaft?“ und „Hiddensee als Heimat?“ den Schwerpunkt bilden. Jene Fragen plane ich, auch im Kontext der anderen Künstlerkolonien an der deutschen Ostseeküste – Ahrenshoop, Ekensund und Nidden – zu betrachten. Zum anderen möchte ich als zweiten elementaren Aspekt die Rolle des Künstlerinnenbundes als Netzwerk und Rückzugsort für Frauen analysieren, wobei hier die politische und gesellschaftliche Situation im frühen 20. Jahrhundert zu beachten ist. Da bei diesem für die Kunstgeschichte äußerst relevanten Thema sowohl ein großer Forschungsbedarf als auch eine Leerstelle in der wissenschaftlichen Literatur besteht, soll die Thematik mittels einander ergänzender, zum Teil interdisziplinärer Methoden untersucht werden; meinen Ausgangspunkt bilden die Befragung der Kunstwerke und die Quellenforschung.
Christoph Beckmann
„Ziel und Weg“ der deutschen Ärzteschaft: Positionen, Standespolitik und Ideologie des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Die medizinhistorische Forschung zum Nationalsozialismus hat in den letzten Jahrzehnten bedeutende Erkenntnisse zu Themen der nationalsozialistischen Gesundheits- und Wissenschaftspolitik gewonnen. Diese Erkenntnisse bildeten den Ausgangspunkt für umfassende Neubewertungen von Theorien, Ereignissen und Zusammenhängen.
Forschungsergebnisse zur sogenannten Aktion-T4 und ihren Opfern haben das Bild von der Rolle der Eugenik in der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik grundlegend verändert. Auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik eröffneten sich neue Perspektiven. Statt Wissenschaftler als mehr oder weniger willige Befehlsempfänger der nationalsozialistischen Politik zu sehen, gewann die Vorstellung von Wissenschaft und Politik als „Ressourcen füreinander“ an Bedeutung. Hierbei zeigten sich bedeutende Spielräume von Personen und Gruppen, deren Einflussmöglichkeiten bisher allzu oft auf die Ausführung „von oben“ kommender Direktiven (oder deren Verweigerung) reduziert wurde.
Einer der wichtigsten Akteure in diesem Feld, der Nationalsozialistische Ärztebund (NSDÄB) ist dabei nur unzureichend erforscht. Obwohl er zu den wichtigsten und mächtigsten Untergliederungen der NSDAP gehörte, wird er in viele Betrachtungen des NS-Herrschaftssystems kaum einbezogen. Mit seiner großen, einflussreichen Mitgliederschaft, verbunden mit dem Prestige, sich zusammen mit SS und SA als dritte Kampforganisation der NSDAP bezeichnen zu können, gelang es dem NSDÄB insbesondere in der ersten Hälfte nationalsozialistischer Herrschaft, bedeutenden Einfluss auf wichtige Entscheidungen nationalsozialistischer Politik nehmen zu können.
Struktur, Gedankengut und Publikationstätigkeit des NSDÄB sind daher für das Verständnis des Nationalsozialismus von großer Bedeutung. Für die Publikationstätigkeit steht dabei vor allem die von 1931 bis 1939 erschienene Zeitschrift „Ziel und Weg“. Doch welche Autoren schrieben in dieser Zeitschrift, worüber schrieben sie und welche Positionen vertraten sie?
Welche Themen kommen besonders häufig, ausführlich und in prominent platzierten Artikeln vor? Wie verschiebt sich die Ausrichtung im Laufe der Zeit? Wer wird als Gegner ausgemacht? Welche Positionen werden zu (erb)gesundheits- und standespolitischen Fragen bezogen, welche zu anderen häufig vorkommenden Themenbereichen?
Auch soll die Arbeit zu einem besseren Verständnis des NSDÄB selbst beitragen. So stellt sich etwa die Frage, ob der NSDÄB in erster Linie eine NS-Organisation zur Beeinflussung und Durchdringung der Ärzteschaft war, oder vielmehr eine Organisation, in der die Ärzteschaft ihre Interessen in der größeren nationalsozialistischen „Bewegung“ durchzusetzen versuchte. Mit anderen Worten dient der Blick in die Zeitschrift der Einordnung des NSDÄB in das polykratische Herrschaftssystem des Nationalsozialismus.
Merle Ernst
Konkurrenzbeziehungen zwischen Senatoren und Principes in der frühen römischen Kaiserzeit
Leibniz Universität Hannover
Mein Promotionsprojekt ist in der Alten Geschichte angesiedelt und leistet einen Beitrag zur Erforschung des frühen Principats (27 v. Chr. bis in die zweite Hälfte des 1. Jh. n. Chr.). Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den Principes Augustus und Tiberius und den spezifischen Herausforderungen der frühen Monarchie nach dem Ende der Republik.
Anders als in der bisherigen Forschung werden die in den Quellen aufscheinenden Spannungen zwischen Senatoren und Principes sowie zwischen senatorischen Familien und dem Kaiserhaus in Anlehnung an die Soziologen Georg Simmel und Theodor Geiger als 'Konkurrenz' konzeptualisiert. Unter 'Konkurrenz' wird ein indirekter Kampf zweier Parteien um ein gleiches Ziel verstanden, welches sich nicht im Besitz eines der Konkurrenten befindet. Dieses Ziel kann im Sinne Simmels und Geigers die Gunst einer 'Dritten Instanz' sein.
Im soziopolitischen System des römischen Principats war die Stellung des jeweiligen Princeps prekär und von der Akzeptanz verschiedener gesellschaftlicher Gruppen – Senatoren, stadtrömische Bevölkerung und Heer – abhängig. Indem der Princeps betonte, fest im senatorischen Kontext verankert zu sein und seine eigene Macht im Umgang mit den Senatoren bewusst 'selbstbeschränkte', wurde er vergleich- und herausforderbar. Der Princeps kann also nicht nur als „Schiedsrichter“ der innersenatorischen Konkurrenzbeziehungen, sondern als aktive Partei einer innerelitären Konkurrenz bezeichnet werden. Das daraus resultierende Verhältnis zwischen dem Princeps und einzelnen Senatoren wird an vier Fallbeispielen untersucht – M. Aemilius Lepidus, C. Asinius Gallus, L. Arruntius und Cn. Calpurnius Piso –, welche der antike Geschichtsschreiber Tacitus an prominenter Stelle in den Annalen als Konkurrenten des Tiberius und damit potenzielle Principes benennt.
Die Fallbeispiele haben nicht nur das Potenzial der Profilbildung von Prominenz im frühen Principat, sondern ermöglichen einen Blick in verschiedene Felder der politischen Kultur und der libertas-Forschung sowie auf Felder von Konkurrenz sowohl der Senatoren untereinander als auch in Konkurrenz zum Princeps.
Mein Thema ist damit nicht nur in der althistorischen Forschung an aktuelle Debatten zum Verhältnis von Senatoren und Principes anschlussfähig, sondern spiegelt auch soziale Phänomene der Gegenwart wider. Gerade die Frage nach sozialer Mobilität im politischen Kontext hat damals wie heute Konjunktur. Die Beschäftigung mit einem von libertas geprägten senatorischen Verhalten gegenüber dem Princeps trägt zum historischen Gedächtnis der Freiheit bei und führt uns das zeitliche sowie historische Kontinuum, aber auch Unterschiede zwischen dem antiken Rom und heute, vor Augen.
Blessen George Babu
Body and Soul: Decoding the Conundrum through the Mystical Hermeneutics of Mar Babai the Great
Georg-August Universität Göttingen
With my research topic, I discuss and analyse the philosophical understanding of body and soul through the mystical hermeneutics of Mar Babai the Great. Mar Babai the Great (c. 551 – 628 C.E.?) was an early church father and is admired in the world of Patristics for his contributions to theology, especially for his systematic formulations of Christology in the Syriac East. Contemporary historiography has paid little attention to Mar Babai, and the existing few studies published within the major fields of Syriac studies that review the interpretations of his theology have concentrated almost exclusively on his Christological reflection. However, revisiting existential theories or philosophical ideas in history also reveals situations that often exhibit hybridised meanings resulting from consciously or unconsciously exchanging thoughts at various crossroads of dialogues among different traditions. These results could be further fascinating when we try to study how certain communities or individuals try to either uphold or reshape such existential ideals during their encounters with whom they considered ‘the others’. Not many pieces of scientific literature discuss Babai as a tool for comprehending such historical interactions between different religions/ cultures during his era in the late Sassanid empire. Therefore, I study the mystical elements in the writings of Mar Babai and reflect upon the possible solutions that he could offer to the philosophical problem of body and soul, not alone as theoretical ideas but also as phenomena of transcultural exchanges. For this purpose, I apply ‘transcultural history’ as my primary research methodology. This approach is based on the knowledge that Mar Babai’s writings and ideas had bilateral influences over his ecclesiastical, political, social and intellectual encounters. Such a re-reading could pave the way for our understanding of Babai as a gateway to the different religious and philosophical traditions of early medieval history and also in (re)shaping our own identities in the light of pluralistic co-existence and understanding ‘the other’.
Juan José Rodríguez
Endlichkeit, Böse und menschliche Freiheit als Grundproblematik eines Systems der Freiheit in der mittleren Metaphysik Schellings (1804-1811)
Bergische Universität Wuppertal
In Zur Geschichte der neueren Philosophie (1836-1837) wiederholt Schelling gegen Ende seiner München Zeit seine unvollendete Sehnsucht, ein System der Freiheit als perfektes Gegenstück zum spinozistischen System zu entwickeln. Schon im Jahr 1795 plante Schelling in seiner Schrift Vom Ich als Princip der Philosophie, eine Ethica wie die Spinozas zu schreiben, jedoch in idealistischer Tonart, in der der Begriff der menschlichen Freiheit im Zentrum des Systems steht. Was geschah dann in diesen vierzig Jahren zwischen 1795 und Mitte der 1830er Jahre, die die Entstehung des versprochenen ultimativen Systems der Freiheit so lange verzögern konnten?
In der Zeit, an der wir festhalten, veranschaulichen zwei Themen die Schwierigkeit, die menschliche Freiheit als Vermögen des Guten und Bösen und die monistisch- systematische Auffassung des Wissens beziehungsweise der Einheit und der Identität der Vernunft mit sich selbst. Erstens der Gegensatz zwischen der absoluten Kausalität Gottes, die bei Spinoza als Substanz oder in Kants Kritik der Urteilskraft (1790) als archetypischer Intellectus verstanden wird, und der Kausalität durch Freiheit des Menschen. Zweitens der Widerspruch zwischen Freiheit als Fähigkeit des menschlichen Individuums und ihrer Notwendigkeit, gleichzeitig, in Gott zu sein. Schelling wird versuchen, den räumlich-ontologischen Begriff der Immanenz, der deterministischen Implikationen, im Sinne von Lebendigkeit, Selbständigkeit und Freiheit neu zu definieren, dass bedeutet gemäß einer neuen Metaphysik des Werdens, die in seiner früheren Naturphilosophie (1797-1800) initiiert wurde.
Unsere Forschung zielt darauf ab, diesen Aufschub eines Systems der Freiheit bei Schelling aus historischer und systematischer Sicht zu analysieren. In unserer Forschung widmen wir uns dem problematischen Kern von Begriffen, die mit der mittleren Metaphysik unseres Autors verbunden sind, wie die der Endlichkeit, des Bösen und der menschlichen Freiheit, die unserer Meinung nach und verschiedener Spezialisten, die Möglichkeit selbst eines Systems der Freiheit bei Schelling in Frage stellen und allgemeiner der Inkompatibilität der Begriffe von System und Freiheit beweisen. Die Erklärung dieser inneren Unmöglichkeit bei der Betrachtung des neuen Schelling- Systems zwischen Freiheit und rationalem System ist das allgemeine Ziel dieses Promotionsprojekts sowie die historische und systematische Rekonstruktion der verschiedenen Lösungen, die unser Autor erarbeitet, um diesen Widerspruch zu überwinden.
Die Arbeitshypothese, die die geplante Forschung leitet, legt daher nahe, dass Schelling ab 1804/1809 eine Lehre erarbeiten würde, die als „transzendente-Immanenz“ bezeichnet werden könnte. Mit anderen Worten: Wir schlagen vor, im Begriff des Grundes die Entwicklung eines Prozesses zu lesen, dessen Ergebnis sich von der spinozistischen Deus sive natura unterscheiden würde, der absoluten Identität zwischen Gott und Natur, die alle Selbständigkeit des Endlichen aufhebt und die Gründung einer totalisierenden Politik ermöglicht, wie sie sich aus dem Hegelschen System ergibt.
Patricia Stainer
Marketing für Musiktheater – von der Barriere zur Brücke für junge Nicht-Besucher?
Theaterwissenschaft Ludwig-Maximilians-Universität München
In Deutschland zählen nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung zu den regelmäßigen Besuchern öffentlich geförderter Theater- und Opernhäuser. Dagegen sind über die Hälfte Nicht-Besucher – und dies, obwohl die Häuser mit ca. 3,7 Milliarden Euro jährlich von sämtlichen Steuerzahlern finanziert werden. Der Legitimationsdruck steigt, und auch die wirtschaftliche Bedeutung des Publikums wächst. Doch gerade jüngere Menschen haben nachweislich immer weniger Interesse an einem Besuch in Theater und Oper. Diverse Gründe für ihr Fernbleiben, sogenannte Barrieren, wurden bereits erforscht.
Das Dissertationsprojekt erörtert nun die neuartige These, dass auch das Marketing der Theater (paradoxerweise) eine besuchsverhindernde Barriere sein kann: Wenn es nämlich die jungen Leute gar nicht erst erreicht oder sie nicht überzeugt – und im schlimmsten Fall sogar abschreckt. Tatsächlich standen die öffentlichen Häuser dem als zu ‚kommerziell‘ empfundenen Marketing lange Zeit kritisch gegenüber – und auch heute noch gelingt die Ansprache jüngerer Zielgruppen offenbar nur bedingt.
Die These wird anhand einer dreistufigen empirischen Studie überprüft, die den Kommunikationsprozess zwischen Theatern und (Nicht-)Besuchern möglichst ganzheitlich abbilden soll. Die bisherigen Ergebnisse verdeutlichen einerseits die enormen Herausforderungen, denen sich die Marketingabteilungen öffentlicher Theater in ihren Bemühungen um neues Publikum ausgesetzt sehen: Denn das Marketing soll die gesamte Breite der Gesellschaft, das heißt sämtliche Zielgruppen mit jeweils völlig unterschiedlichen Bedürfnissen, zielgenau ansprechen und erreichen – und dies bei gleichzeitig stark beschränkten Ressourcen (vor allem Budget, Personal und Zeit). Die empirischen Untersuchungen zeigen aber auch, wie stark die Theater ihre Außenkommunikation nach wie vor am theateraffinen Stammpublikum ausrichten – das ja aber immer weiter schrumpft.
Ziel der Disseration ist daher nicht nur, den Status quo des deutschen (Musik-)Theatermarketings zu erheben, sondern auch, erfolgsversprechende Strategien in der Ansprache junger Zielgruppen zu identifizieren und entsprechend praxisrelevante Ergebnisse zu erzielen. Denn wenn das Marketing aktuell tatsächlich eine Barriere darstellt, so könnte es mit den richtigen Strategien womöglich zur einer Brücke in der Theatervermittlung werden, die insbesondere jungen Nicht-Besuchern die (Musik-)Theaterkunst näherbringen kann.
Polina Kashkarova
Linguistic representation of Russian characters in American cinema
English Department
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Language of film characters’ is an essential part of their image. The ability of linguistic varieties (such as dialects, accents, registers and styles) to convey information about speakers’ social backgrounds is often used by filmmakers as a shortcut for building characters’ profiles. In particular, linguistic choices in films have been found to correlate with such non-linguistic variables as characters’ narrative evaluation (e.g., positive or negative), role centrality (e.g., main, supporting or minor roles) and social characteristics (e.g., ethnicity, gender or social class). The connection between linguistic form and social meaning, referred to as sociolinguistic indexicality, also affects the choice of individual linguistic features employed in characters’ speech. For instance, stylized speech in films often relies on a limited number of salient and stereotypical features, which are highly indexical of a linguistic variety and easily recognizable by a lay audience. Ultimately, linguistic choices made for particular characters can reflect attitudes held toward respective social groups as well as ideologies that filmmakers want to convey or challenge.
My project aims at investigating how linguistic choices help form the image of one particular social group in American cinema, the Russians. Russian characters have been inhabiting the Hollywood space since its establishment, with more than 240 films featuring Russians produced between 1946 and 1991. The representation of Russians in Hollywood has largely followed and reflected socio-political relations between the U.S. and the USSR/Russia. Although these relations have seen dramatic turns, including the countries’ allied participation in WWII and the following Cold War confrontation, it is mainly unfavourable Russian characters that have become archetypal in Hollywood. The role of language in the cinematic representation of Russians, however, remains under-studied. Using a character-based approach to language variation in films, the study is analyzing linguistic (phonetic, grammatical and lexical) and non-linguistic (narratological and social) variables of Russian characters in order to identify meaningful correlations. Indexicalities of stylized Russian English and its features will be determined as a result. The concluded patterns of characterization and language variation will contribute to better understanding the role of cinema in conveying ideologies and projecting attitudes towards Russians in the U.S.
Madeleine Floiger
Erwartungswidriger Bildungsaufstieg und die Verwertung auf dem Arbeitsmarkt bei Jugendlichen aus bildungsfernen Familien
Universität Potsdam
Das deutsche Bildungssystem gilt als ein System, das soziale Ungleichheit eher reproduziert als ausgleicht. Trotz steigender Bildungsmöglichkeiten entscheidet der sozioökonomische Hintergrund über Bildungs- und anschließende Erwerbsverläufe. Denn höhere Abschlüsse und daraus resultierende Bildungsaufstiege ermöglichen nicht zugleich sozialen Aufstieg, sondern sind gegenwärtig relevant, um die soziale Stellung in der Gesellschaft zu halten. Der gesamtgesellschaftliche Anstieg der höheren formalen Bildungsabschlüsse lässt weiterhin nur wenig Aufwärtsmobilität zu.
Bildungsverläufe, bei denen Herkunftseffekte dennoch überwunden werden und bei denen der Bildungsaufstieg über mehrere Bildungsstufen erfolgt, sind in Deutschland innerhalb der immobilen Strukturen erwartungswidrig. Gleichwohl, und dies bildet die Ausgangssituation meiner Dissertation, werden erwartungswidrige Bildungsaufstiege realisiert: So kommen z. B. 8 % der Studentinnen und Studenten aus einem Haushalt, indem die Eltern keinen Schul- oder maximal einen Hauptschulabschluss besitzen.
Des Weiteren verweist einschlägige Literatur darauf, dass Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger beim Eintritt in den Arbeitsmarkt ihren erlangten Status oft nicht adäquat umsetzten können. Denn nach einem erlangten Abitur entscheiden sich insbesondere diese Personen gegen ein Studium oder erlangen geringwertigere berufliche Erstpositionen, als es Personen erreichen, die auf diesen höheren Berufsstatus bereits seit der Vorgängergeneration etabliert sind.
In meiner Dissertation werden diese erwartungswidrigen Bildungsverläufe betrachtet, d. h. die Verläufe, bei denen Jugendliche aus ressourcenarmen Familien kommen, dennoch eine weite Aufwärtsmobilität im Bildungssystem zurückgelegt haben und die erlangten höheren Bildungsstufen auch in der Erwerbstätigkeit adäquat halten können. Dafür wird quantitativ mittels Sekundäranalyse untersucht, warum der geringe Personenanteil diese Verläufe geschafft hat und welche Faktoren im Lebenslauf dafür verantwortlich waren.
Das Ziel der Arbeit ist zu ermitteln, welche Faktoren in ihrer Stärke und Kombination vorliegen und für die besonderen Verläufe verantwortlich sind, damit diese rekonstruiert und erklärt werden können. Die gewonnenen Ergebnisse der Untersuchung sind wiederum wichtig für fördernde und präventive schulische sowie bildungspolitische Anregungen und Maßnahmen, aber auch für die Sensibilisierung und den Umgang mit Ungleichheit im deutschen Bildungssystem. Durch die Untersuchung soll zudem ein Beitrag geleistet werden, die Aufmerksamkeit auf das Gelingen von erfolgreichen Bildungsverläufen zu legen und die Bedeutung dafür hervorzuheben. Anders als in themenbezogener Forschung, sollen nicht die Faktoren für das Scheitern im Bildungssystem in den Vordergrund gerückt werden.
Sarah Borgers
Qualitativ-empirische Studie zu Elternschaft unter den Bedindungen der Covid-19-Pandemie
Bergische Universität Wuppertal
In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit den Effekten auf Elternschaft unter den Bedingungen der Covid-19-Pandemie. Elternschaft und Kindheit sind als soziale Konstruktionen von den Normen und Leitbildern einer Gesellschaft geprägt. Demnach sind jene historisch bedingt und veränderbar – in den vergangenen Jahren hat eine diskursive Verschiebung von der Entwicklungs- zur Bildungskindheit stattgefunden, welche zugleich entsprechende Anforderungen an Elternschaft beinhaltet: Eltern folgen den Forderungen der sozialinvestiven Politik, welche normativ auf die 'richtige Ausgestaltung' von Elternschaft zielen, die wiederum das 'ideale Kind' hervorbringen soll. Gleichzeitig ist die öffentliche Erziehung von Kleinkindern aufgrund mehrerer Faktoren bedeutsam. Einerseits steigt die Auslastung der U3- Betreuungsplätze in den Kitas infolge der zunehmenden Berufstätigkeit beider Elternteile, wobei insbesondere die Rolle der Frau und Mutter diesbezüglich einem Wandel unterliegt und mit dieser gesellschaftlichen Entwicklung einhergeht. Andererseits besteht ein vermehrt staatliches Interesse an frühkindlicher Bildung und Betreuung, um die Entwicklung und Förderung der individuellen Fähigkeiten aller Kinder im Sinne der Chancengerechtigkeit zu berücksichtigen. Die Inanspruchnahme öffentlicher Erziehung ermöglicht daher sowohl den Einsatz als auch den Aufbau von Humankapital.
Im März 2020 werden die Eltern aufgrund der pandemiebedingten Gegebenheiten abrupt mit komplexen Erwartungen und Anforderungen der Gesellschaft und Politik konfrontiert, welche partiell den bislang gültigen Leitbildern einer 'gelingenden Elternschaft' widersprechen: Hierbei geht es insbesondere um die Inanspruchnahme der U3-Betreuung sowie einhergehend die Themen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der optimalen Förderung der kindlichen Fähigkeiten. Im Rahmen meiner Forschung untersuche ich daher die pandemiebedingten Bedingungen von Elternschaft in der frühen Kindheit - insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis der Verantwortlichkeiten von Familie und Staat sowie die Ausgestaltung frühkindlicher Bildungsprozesse. Hierbei fokussiere ich, wie insbesondere die Eltern den Familienalltag während des Lockdowns mit den damit verbundenen vielschichtigen Anforderungen subjektiv erfahren haben. Gleichzeitig haben sich die Elternvertretungen der Kitas auf Landes- sowie auf Bundesebene in den politischen Entscheidungsprozess involviert. Im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenzen, bei denen die Maßnahmen für die folgenden Wochen verhandelt werden, sind jeweils Stellungnahmen und Positionspapiere veröffentlicht worden. Diese Dokumente enthalten Bewertungen der vergangenen Beschlüsse und Empfehlungen für die Folgenden aus Sicht der Eltern. Jene werden diskursanalytisch untersucht, wobei die Ideen der Kritischen Diskursanalyse zugrunde liegen, welche den Zusammenhang von Gesellschaft, Individuum und Sprache fokussiert.
Patrizia Bieber
Der Einfluss elterlicher Einstellungen und Überzeugungen auf den Erwerb spieltechnisch-musikalischer Fertigkeiten bei Grundschulkindern
Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung, Universität Tübingen
Das Promotionsprojekt im Fach Empirische Bildungsforschung/Musikpädagogik beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwiefern elterliche Einstellungen und Überzeugungen das Lernverhalten von Kindern am Instrument beeinflussen. Konkret wird untersucht, welche Überzeugungen bei Eltern zum Musizieren und zim Erlernen eines Instuments im Grundschulalter bestehen, inwiefer diese Auswirkungen auf die kindliche Motivaiton im Kontext instrumentalunterricht haben und inwieweit sich ein Zusammenhang mit dem kindlichen Lernrfolg am Instument feststellen lässt.
Die Fragestellungen werden anjand einer Querschnittstudie an Grundschulen sowie einer einjährigen Längssschnittstudie an 25 Musikschulen in Baden-Württemberg bearbeitet. Die Datenerhebungen fanden im Zeitraum 10/21-01/23 mittels online-Fragebögen statt; befragt wurden sowohl die Kinder als auch deren Eltern und Lehrkräfte.
Ziel des Projekts ist es nicht nur, mögliche Prädiktoren für eine erfolgversprechende Eltern-Kind-Lern-Konstellation zu gewinnen, sondern im Sinne einer Praxisforschung gleichermaßen langfristige Hifestellungen für die Elternarbeit an Musikschulen zu liefern.
Mohamed Elshaimaa
Frauen auf Reisen im Orient in der Zeit von 1840 bis 1940
Fachbereich Literaturwissenschaften Universität Vechta
Das Thema meiner Arbeit ist in verschieden Bereichen, wie Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaft und Geschichte angesiedelt. Meine Arbeit befasst sich mit der Erschließung von und Auseinandersetzung mit den Orientreiseberichten von Autorinnen in der Zeit von 1840 bis 1940. Darüber hinaus wird der Einfluss von Kultur und Geschichte auf die Veränderung der Werte und Normen einer Gesellschaft untersucht sowie die Wirkung der politischen, sozialen und historischen Umstände auf die Konstruktion von Selbst- und Fremdbildern betrachtet. Die Arbeit ist in einen theoretischen Rahmen von der Theorie des Postkolonialismus eingebettet. Hier steht die Auseinandersetzung mit ausgewählten Schriftstellerinnen, wie Ida Pfeiffer, Ida Hahn-Hahn, Käthe Schirmacher und Emma Vely, ihren Themen, ihren Motiven und ihrem Orientbild durch eine Analyse einzelner Werke im Vordergrund. Der Kern dieser Arbeit bilden die Darstellung der Entwicklung der Geschichte des Reisens von deutschsprachigen Frauen in den Orient in der Zeit von 1840 bis 1940, die Gründe für die Behinderung weiblicher Mobilität seit Jahrhunderten, und spezieller in der Zeit des 19. Jahrhunderts, das „Orientbild“ der deutschsprachigen reisenden Frauen in den Reisebeschreibungen in der Zeit von 1840 bis 1940, der Einfluss des sozial-historischen Hintergrunds der Autorinnen auf ihr “Orientbild” und das Bild speziell von Ägypten in den Texten. Meine Arbeit versucht, (1) die Entwicklung der Orientbilder in der Perspektiven von reisenden und beschreibenden Frauen in der Zeit 1840 bis 1940 zu zeigen und (2) Antworten auf Fragen nach der kulturellen und sozial-historischen Einflussnahme auf die Veränderung von Werten und Normen ihrer Gesellschaft und nach der Bedeutung von politischen, sozialen und historischen Umständen für die Konstruktion von Selbst- und Fremdbildern zu geben, die sich im ersten Teil des 19.Jahrhunderts von jenen im zweiten Teil des 19.Jahrhunderts unterscheiden. Im 19. Jahrhundert haben die deutschsprachigen reisenden Frauen Reisaufzeichnungen hinterlassen, dies ist an der zunehmden Anzahl von Reiseberichten der Frauen in der Zeit zwischen 1830 bis 1940 zu beobachten. Am Ende des 19. Jahrhunders hat sich das Reisen der Frauen nicht nur auf die adeligen und bürgerlichen Familien mehr beschränkt, sondern gab es zu dieser Zeit eine Reihe von Frauen, die grosses Interesse am Orient gezeigt haben. z.B. Ida Pfeiffer (1842), Ida Hahn-Hahn (1844), Maria Schuber (1847), Anna Forneris (1849), Käthe Schirmacher (1896) und Emma Vely (1895). Diese Frauen geben ihre Perspektive auf den Orient und ihre Auslegungen als konstruierten Text wieder, die eine kulturhistorischen Analyse möglich machen. Ich werde meinen Fokus auf die Themen setzen, die für die reisenden Frauen besonders wichtig sind. Themen, die sie interessieren und auf die sie in ihren Reiseberichten über den Orient immer wieder zurückkommen, sind die Freiheit und der Vergleich zwischen Orient und Okzident. Überwiegend sollen in der Studie inhaltliche Aspekte diskutiert werden, wobei insbesondere die Sozial- und Gesellschaftskritik behandelt wird. Außerdem sollen auch einige wichtig erscheinende formale Elemente der Berichte dargelegt werden.