recht
Dominique dos Santos Ferreira

Dominique dos Santos Ferreira

Comparative Law as a Source of Law

Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster


Welche Antworten mag uns die Rechtsvergleichung auf die Frage „Wie ist die Rechtslage?“ geben?
Bei der Rechtsvergleichung wird das Recht verschiedener Rechtsordnungen (etwa das deutsche Recht mit dem französischen) verglichen. Solche Einsichten in rechtliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind in vielerlei Hinsicht hilfreich: Der Rechtswissenschaft verhelfen sie zu schärferer Begriffsbildung, zu substantiierten Verbesserungsvorschlägen oder zur Überwindung gewohnter Denkmuster. Und heutzutage gibt es wohl kaum noch Gesetzgeber, die sich vor großen legislativen Reformen nicht im Ausland nach der besten Lösung umsehen.
Allein für die Rechtspraxis – zumindest hierzulande – spielt Rechtsvergleichung keine große Rolle. Gericht und Anwaltschaft, die sich täglich die Frage nach der hiesigen Rechtslage stellen, informieren sich außerhalb der Gebiete des inter- oder supranationalen Rechts nur selten über ausländisches Recht. Hierfür gibt es gute praktische Gründe: Rechtsvergleichung kostet Zeit, setzt oftmals Fremdsprachenkenntnisse voraus, verlangt jedenfalls aber Zugang zu Material über das fremde Recht, und immer besteht das erhöhte Risiko, das Fremde misszuverstehen.
Gibt es aber auch gute Gründe theoretischer Natur für diese richterliche Zurückhaltung? Die Standarderzählung über das Potential der Rechtsvergleichung für die Rechtsfindung suggeriert genau dies: Der Vergleich mit dem fremden Recht sei für die Gerichte optional und unverbindlich; Erkenntnisse aus dem Rechtsvergleich dürfen klare Entscheidungen des nationalen Gesetzgebers nicht überwinden und seien deshalb nur dann zu erwägen, wenn das nationale Recht Lücken aufzeigt; selbstständig könne ein Rechtsvergleich eine gerichtliche Entscheidung ohnehin nicht rechtfertigen, sondern nur die mithilfe tradierter Methoden entwickelten Lösungen bestätigen oder in Frage stellen; im Grunde erschöpfe sich der Nutzen der Rechtsvergleichung in ihrer Rolle als Inspirationsquelle, zur Erweiterung des „Vorrats an Lösungen“.
Ist damit alles gesagt? Zweifel schleichen sich angesichts der Versäumnisse ein, (1) diese Geschichte rechtstheoretisch einzubetten und (2) zu erklären, wie ein Rechtsvergleich eigentlich funktioniert und welche Erkenntnisse er über seine Vergleichsgegenstände erzeugen kann.
Diese Versäumnisse wollen korrigiert werden. Fragen, die ich zu beantworten habe, sind folgende: (1) Inwieweit sind die Intuitionen, die das Standardnarrativ tragen, mit führenden Rechtstheorien (namentlich mit exklusivem Rechtspositivismus) vereinbar? Wie trägt etwas zur Bestimmung des Rechts, sei es metaphysisch (was erzeugt Recht?) oder epistemisch (wie kann ich verstehen, was das Recht ist?), bei? (2) Was heißt es, Recht zu vergleichen? Welches Verständnis von den Vergleichsrechtsordnungen setzt ein gelungener Rechtsvergleich voraus? Und was kann ich hierdurch über mein eigenes Recht lernen? Wenn diese Fragen beantwortet sind, ist das theoretische Potential der Rechtsvergleichung für die Rechtspraxis erschlossen.

Cederic Meier

Cederic Meier

Verfassungsfragen des Digitalen Euro

Georg-August-Universität Göttingen


Mit dem „Report on a digital Euro“ zeichnete die Europäische Zentralbank im Oktober 2020 den Weg in ein neues Währungszeitalter. Bereits 2023 soll ihre andauernde Untersuchungsphase zu einer europäischen Central Bank Digital Currency (CBDC) ihren Abschluss finden, ein Prototyp des Digitalen Euro geschaffen und schlussendlich entschieden werden, ob dieser als Ergänzung der bereits existierenden monetären Medien auf dem Geldmarkt des Euroraums eingeführt wird.
Einem digitalen Euro als Bestandteil der zweitwichtigsten Reservewährung der Welt steht dabei eine hohe Erwartungshaltung sowohl der Bürgerinnen und Bürger des Euroraums als auch des internationalen Finanzsystems gegenüber. Um dieser Erwartung an das digitale Zentralbankgeld als monetärer Anker im Cyberspace gerecht zu werden, ist es essenziell, den digitalen Euro auf einer gesicherten Rechtsbasis zu begründen. Auf dieser Linie mahnte bereits der Internationale Währungsfonds, dass die Ausgabe von CBDCs ohne eine solide rechtliche Grundlage Rechts-, Finanz- und Reputationsrisiken für Zentralbanken und damit für die gesamte angeschlossene Volkswirtschaft birgt.
Insofern ist ein digitaler Euro in erster Linie von der geltenden Geldverfassung abhängig, die dem einfachen Geldrecht sowohl Grenzen als auch Pflichten auferlegt. Dies gilt aber insbesondere in der Europäischen Union, deren monetäre Verfassung in unvergleichlichem Maße rechtlich geformt ist. Unlängst hat gerade das deutsche Verfassungsgericht die Geldpolitik der EZB kritisch begleitet. Infolgedessen ist die Einführung eines digitalen Euro als hoheitlich garantiertes entmaterialisiertes Geld zumindest im Euroraum nicht nur eine geldpolitische, sondern auch eine Verfassungsfrage. Die neue Geldform berührt dabei nicht weniger als die basalen Beziehungen zwischen Staat, Geld und Zentralbanken.
Dennoch misst sowohl das Grundgesetz als auch der EUV und der AEUV eine genaue begriffliche Definition des abstrakten Instituts „Geld“. Das Projekt untersucht insofern, welche Funktionen das monetäre Medium in dieser weitgehenden nominalen Absenz aus verfassungsrechtlicher Sicht erfüllt, in welcher Gestalt es sich in unserer modernen staatlichen Struktur repräsentiert und insbesondere wie sich das konstitutionelle Verhältnis von Staat und Geld in eine digitalisierte Ökonomie konvertiert. Im Zentrum dieser Beziehung steht zwangsläufig die den Euro emittierende Europäische Zentralbank, deren Organisation, Befugnisse und Aufgaben im AEUV weitreichend verfassungsrechtlich festgeschrieben sind. Dabei gilt es die Reichweite ihres Währungsmonopols in der digitalen Welt zu eruieren, um den verfassungsrechtlichen Maßstab der Gestaltung digitalen souveränen Geldes zu bestimmen. Neben seiner rechtsstaatlichen Konstruktion rekurriert das Projekt dabei auf die demokratischen Erfordernisse in der Strukturierung eines digitalen Geldsystems. Die „Verfassungsfragen des Digitalen Euro“ bestimmen damit das konstitutionelle Fundament des staatlichen Geldes der Zukunft.

Sören Walter

Sören Walter

Geld ohne Arbeit? - Grenzen und Abdingbarkeit des § 616 BGB und sein Verhältnis zu spezialgesetzlichen Entgeltausfallansprüchen

Universität Mannheim


„Erhalte ich meinen Lohn auch an dem Tag meiner Hochzeit, wenn ich deshalb nicht zur Arbeit erscheine?“, „Muss mein Arbeitgeber mir mein Gehalt zahlen, wenn ich statt zur Arbeit zur Beerdigung eines nahen Angehörigen gehe?“ oder „Wie bin ich finanziell während einer behördlich angeordneten Quarantäne abgesichert, wenn ich deshalb meine Arbeitspflicht nicht erfüllen kann?“ – mit diesen und ähnlichen Fragen sehen sich Beschäftigte im Laufe ihrer Berufstätigkeit immer wieder mal konfrontiert. Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht: „Ohne Arbeit keine Vergütung.“. Die Arbeitsleistung und die Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung stehen im Gegenseitigkeitsverhältnis. Daher entfällt grundsätzlich die Vergütungspflicht, wenn die Arbeitspflicht durch Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit entfällt.
Allerdings hält das Bürgerliche Gesetzbuch seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1900 den § 616 BGB bereit. Danach bleibt trotz des Entfalles der Arbeitspflicht die Vergütungspflicht bestehen, wenn der Beschäftigte lediglich für einen nicht erheblichen Zeitraum unverschuldet an der Erfüllung dieser Pflicht verhindert ist. Während beim Inkrafttreten jegliche erdenkliche Verhinderung, die in der Person des Beschäftigten begründet war, möglicherweise dem § 616 BGB unterfallen konnte, sind in den 122 Jahren immer mehr Spezialgesetze mit unabdingbaren Fortzahlungsverpflichtungen in Kraft getreten. Die bekannteste Regelung ist wohl das Entgeltfortzahlungsgesetz im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Aber auch das Mutterschutzgesetz oder das Kinderpflegekrankengeld sind hierfür Beispiele.
Aufgrund der Vielzahl der Spezialregelungen stellt sich nun zum einen die Frage, welchen Anwendungsbereich die Norm für Arbeitnehmer heute noch hat. Zum anderen sieht das Gesetz nach der herrschenden Meinung vor, dass die Norm grundsätzlich abdingbar ist, also ihre Anwendung im Arbeits- bzw. Dienstvertrag ausgeschlossen werden kann. Trotz des langen Bestehens der Norm hat sich die Rechtswissenschaft (noch) nicht tiefergehend mit den Grenzen der Abdingbarkeit befasst.
Insbesondere für Beschäftigte, die – wie zum Beispiel der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer – nicht Arbeitnehmer sind, hat dies eine große Relevanz. Fast alle Spezialgesetze finden auf sie keine Anwendung. Beispielsweise erhalten sie bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit keine Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Es kann aber ein Anspruch nach § 616 BGB bestehen. Kann dieser Anspruch also zum Beispiel im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers ausgeschlossen werden?
In dem Promotionsvorhaben beschäftigte ich mich folglich mit der Frage, welcher Anwendungsbereich dem § 616 BGB in der heutigen Zeit noch verbleibt und wie Arbeitgeber vertraglich sicherstellen können, dass ein ausgewogenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bestehen bleibt.

Constantin von Ludwig

Constantin von Ludwig

Kartellrechtlicher Zugang zu Daten und Datenschutz

Universität Münster


Meine Dissertation behandelt die neuen Datenzugangsansprüche im deutschen Kartellrecht und ihr Verhältnis zum Datenschutzrecht. In der vernetzten Welt von Morgen sammeln smarte Geräte permanent eine Fülle von Daten und tauschen sie miteinander aus. So sammelt ein smarter Kühlschrank beispielsweise Daten zu den gelagerten Lebensmitteln und zur technischen Funktionsfähigkeit. Diese Daten können genutzt werden, um komplementäre Waren und Dienstleistungen anzubieten. Im Fall des Kühlschranks könnte etwa ein findiger Unternehmer eine App entwickeln, die anhand der Informationen über die vorhandenen Lebensmittel Rezeptvorschläge macht. Daneben könnte der Kühlschrank automatisch fehlende Lebensmittel vom Supermarkt der Wahl nach Hause liefern lassen bzw. bei Bedarf selbsttätig eine Wartung veranlassen.
Das Internet of Things bietet den Verbrauchern große Möglichkeiten. Es wirft jedoch auch neue Fragen hinsichtlich der Zuweisung von Daten auf. Noch ist nicht abschließend geklärt, wem die Daten im Kühlschrank-Beispiel gehören bzw. wer sie nutzen darf. Eine Facette dieser Thematik sind die im Jahr 2021 in das deutsche Kartellrecht aufgenommenen Datenzugangsansprüche. Das Kartellrecht soll den Missbrauch wirtschaftlicher Macht verhindern. In der digital(isiert)en Wirtschaft bestehen zahlreiche Missbrauchspotentiale im Hinblick auf Daten. Der Gesetzgeber hat dieses Risiko erkannt und frühzeitig mit der Schaffung von Datenzugangsansprüchen reagiert.
Verweigert ein marktbeherrschendes Unternehmen ohne sachlichen Grund einem anderen Unternehmen den Zugang zu bestimmten Daten, obwohl dieses für seine Tätigkeit auf die Daten angewiesen ist, stellt dies einen Missbrauch von Marktmacht dar. Auch in bilateralen Beziehungen, in denen ein Machtungleichgewicht vorliegt, etwa zwischen Zulieferer und Hersteller, kann ein verweigerter Datenzugang kartellrechtswidrig sein.
Das Ziel der Arbeit ist es, die Voraussetzungen, den Umfang und die Grenzen der neuen Datenzugangsansprüche umfassend zu konkretisieren und ihre Praxistauglichkeit zu bewerten. Dazu untersucht die Arbeit, wie sich die neuen Vorschriften in das bestehende System der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle einfügen und wie sie konkret auf Daten anzuwenden sind. Dazu werden die Kriterien und Bewertungsmaßstäbe angesichts der technischen und ökonomischen Besonderheiten von Daten und digitalen Märkten auf diese angepasst bzw. neu entwickelt. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Verhältnis der Datenzugangsansprüche zum Datenschutzrecht, als eine der entscheidenden Anwendungshürden in der Praxis.

Marvin Jürgens

Marvin Jürgens

Role and Impact of Climate Change Acts on Decarbonization: A Comparative Study on International and National Climate Laws

Universität zu Köln


How is it possible that there are international and national climate change policies and laws, enshrining goals to reduce greenhouse gases emissions as well as limiting global warming and imposing various obligations on the states, but that these policies and laws are insufficient to meet these objectives?
If one focuses on international approaches to climate change, there are climate laws for 30 years. Although the states agreed to achieve the stabilization of greenhouse gas concentrations in the atmosphere at a level that would prevent dangerous anthropogenic interference with the climate system (Art. 2 United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) and agreed to limit global warming to well below 2, preferably to 1.5 degrees Celsius, compared to pre-industrial levels (Art. 2 Paris Agreement, PA), projections show that current policies and laws are aiming to limit global warming to 2.7 degrees Celsius.
Under the PA, the states are obliged to have, communicate, and update Nationally Determined Contributions (NDCs). While the Parties to the PA must pursue measures “with the aim of achieving the objectives” (Art. 4(2) PA.) of their NDCs, they are only obliged to make efforts to achieve their objectives. In other words, the national states must implement national measures, instruments and long-term goals that aim to achieve the temperature goal, but by the text of the treaty, the parties are not required to implement the exact content of their submitted NDCs or to achieve them.
From the perspective of international climate change law, the national states and national laws are therefore the key factor and level of law to deliver on the temperature goal of the PA and to contribute to the decarbonization of societies. The research hypothesis of my doctoral thesis is that national climate change acts (CCAs), understood as framework legislation on climate change, are by design more sufficient to deliver on climate change mitigation than other forms of climate laws like policies. The goal of my comparative study is to answer the questions whether the research hypothesis is true and how climate law, especially CCAs, must evolve to comply with the temperature goal of the PA. Due to this, my doctoral thesis is a study of comparative environmental law that focuses on legal systems that already adopted a CCA and compares these to find key features and address their known limitations to add further knowledge on best practice approaches.

Tsao-Ching Chan

Tsao-Ching Chan

Die Menschenwürde im Konfuzianismus und ihre Entwicklung in Taiwan: Eine rechtsphilosophische Begriffsanalyse

Georg-August-Universität Göttingen


Ohne Zweifel ist der Begriff der Menschenwürde ein wichtiger, nicht nur für die Rechtswissenschaft, sondern auch für die praktische Philosophie bzw. die politische sowie soziale Philosophie. Sie ist als die Präsentation der menschlichen Freiheit zu verstehen, deren Gewährleistung die Aufgabe des modernen Staats ist. Als die Grundlage der Grund- bzw. Menschenrechte spielt die Menschenwürde eine unnachlässige Rolle und führt dem Menschen heute zum »Recht auf Recht«. Sie ist darüber hinaus als ein Schlussstein für die konstitutionelle Ordnung tätig, wenn die staatlichen Maßnahmen in den Kernbereich der Freiheit eingegriffen haben.
Mit der philosophischen Geschichte der Menschenwürde konfrontierend findet man, dass die Menschenwürde auffällige Charakters der europäischen Kultur hat, nämlich der stoische Anfangspunkt, die theologische Perspektive, die philosophische Begründung in dem Zeitalter der Aufklärung und die Reflexion nach dem Zweiten Weltkrieg. Der angenommen universal gültigen Menschenwürde zum Trotz ist es noch fraglich, ob es im ostasiatischen Kulturraum die philosophische Grundlage für die Menschenwürde gibt. Taiwan ist ein demokratischer und rechtsstaatlicher Staat in Ostasien, die der Gewährleistung der Menschenrechte und Freiheit gewidmet. Sowohl die demokratische politische Ordnung sowie das modern westliche Rechtssystem als auch die konfuzianistische Kultur wohnen gleichzeitig auf der kleinen Insel zusammen. Insofern zielt meine Dissertation darauf ab, eine konfuzianistische Auslegung für die Menschenwürde darstellen zu können. Dadurch ist zu erwarten, eine weitere und breitere rechtsphilosophische Kulturperspektive zugunsten einer harmonischeren juristischen Auslegung darzustellen.
Mit wem, der das Interesse sowohl an der philosophischen Grundlage der Menschenwürde als auch an dem Konfuzianismus sowie an der konstitutionellen Ordnung in Taiwan hat, hätte ich sehr gerne darüber weiterreden.

Henri Weber

Henri Weber

Schiedsgerichtliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten

Julius-Maximilians-Universität Würzburg


In der Arbeit analysiere ich die schiedsgerichtliche Entscheidung kartellrechtlicher Streitigkeiten mit einem besonderen Fokus auf Fragen der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen im internationalen Kontext. Die Arbeit verbindet damit zwei Rechtsgebiete, die mich begeistern und ist durch die Suche nach den Grenzen der Parteiautonomie auch aus liberaler Perspektive interessant.
Die Frage nach der objektiven Schiedsfähigkeit kartellrechtlicher Streitigkeiten ist im letzten Jahrhundert unterschiedlich beantwortet worden. Nach ursprünglicher Skepsis ist sie aber heute weltweit anerkannt. Im Schiedsverfahren selbst können Normen verschiedener Rechtsordnungen anzuwenden sein, ein „Herauskontrahieren“ aus dem europäischen Kartellrecht soll jedoch nicht möglich sein. Aus verschiedenen Gründen besteht jedoch das Risiko, dass Schiedsgerichte insbesondere in internationalen Schiedsverfahren die einschlägigen europäischen kartellrechtlichen Vorschriften gar nicht oder unrichtig anwenden, etwa weil der Streit außer den wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen im Binnenmarkt keinen Bezug zur Europäischen Union hat. Die Durchsetzung des europäischen Kartellrechts ist für die marktwirtschaftliche Ordnung im Binnenmarkt aber unerlässlich. Aus diesem Grund bleibt staatlichen Gerichten das Recht zur (nachträglichen) ordre public-Kontrolle von Schiedssprüchen vorbehalten. Diese Konformitätsüberprüfung ist jedoch in einigen Konstellationen problematisch. Als wichtige Konstellation hervorzuheben sind Schiedsverfahren in der Schweiz (z.B. vor dem Court of Arbitration for Sport), weil dort das Wettbewerbsrecht nicht zum ordre public gezählt wird.
Die Arbeit untersucht im Spannungsverhältnis zwischen Parteiautonomie und Wettbewerbsschutz, auf welche Weise in diesen Konstellationen europäisches Kartellrecht durchgesetzt werden kann. Die Frage ist von besonderer Relevanz für Wissenschaft und Praxis, da Schiedsklauseln in kartellrechtlich relevanten Verträgen häufig vorkommen. U.a. wird als ein in der Rechtswissenschaft neuer Ansatz untersucht, ob in den aufgezeigten Situationen schon die Schiedsfähigkeit der Streitigkeit in geographischer Hinsicht zu beschränken ist. Außerdem wird u.a. erörtert, ob in diesen Fällen die betreffende Schiedsklausel selbst mit europäischem Kartellrecht unvereinbar und daher unwirksam sein kann.
Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass der Parteiautonomie in einer liberalen Rechtsordnung eine herausgehobene Bedeutung zukommt. In einer Synthese wird vermittelnd die Frage aufgeworfen, wie trotz der Bedenken Schiedsverfahren in den besprochenen Konstellationen ermöglicht werden könnten. Insoweit unterbreitet die Arbeit Vorschläge de lege lata und de lege ferenda, um einen dogmatisch konsistenten Beitrag zur rechtswissenschaftlichen Debatte und für die internationale Schiedspraxis zu leisten.