US-Wahl
Europa nach der US-Wahl – Let’s get to work!
Europa stehen nach der US-Wahl unruhige Zeiten bevor. Mit Trump kommt ein unberechenbarer und konfrontativer Präsident ins Amt. Er lehnt das Denken in traditionellen Allianzen des Westens ab, möchte Strafzölle erheben, Ausländer deportieren und das demokratische System der USA umbauen. All dies in einer tief gespaltenen Gesellschaft, die sich wie viele westliche Gesellschaften in einem Kulturkampf befindet. Er ist besser vorbereitet als vor seiner letzten Amtszeit. Die Republikaner kontrollieren den Senat, das Repräsentantenhaus und den Supreme Court. Das wird es ihm erleichtern, seine Vorhaben umzusetzen.
Was heißt das für uns Europäer? Für uns gilt: „Focus on what you can control!“ Die USA sind unser wichtigster Verbündeter. Wir brauchen ein resilientes transatlantisches Verhältnis. Das wird auch mit einem Präsidenten Trump so bleiben. Wir sind in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft transatlantisch gut vernetzt. In diese Beziehungen müssen wir weiter investieren. Mehr denn je. Wenn wir – nicht nur für die USA - als Bündnispartner ernstgenommen werden wollen, müssen wir uns der geopolitischen Realität stellen und können nicht nostalgisch den guten, alten Zeiten nachtrauern, als ein freundschaftliches transatlantisches Verhältnis selbstverständlich war. Wir müssen eine klare Interessenpolitik verfolgen und uns um unsere eigenen Angelegenheiten selbst kümmern. Wir müssen „erwachsen werden“. Das geht nicht halbherzig und nicht mit Wunschdenken. Wir müssen als Europäer geschlossen auftreten, wettbewerbsfähig sein und den europäischen Pfeiler der NATO stärken.
Eine gewaltige Herausforderung! Die komplexe geopolitische Situation wird sich weiter zum Nachteil Europas und liberaler Demokratien verändern. Sicherheitspolitisch sind wir als Europäer dafür verantwortlich, die Ukraine zu unterstützen und können uns nicht weiter auf die USA verlassen. Wirtschaftspolitisch bedroht uns Trumps Vorhaben, Zölle gegenüber Europa zu erheben. Dem müssen wir entschieden entgegentreten.
Trump denkt nicht in Allianzen. Er wird seine Unberechenbarkeit gezielt einsetzen, um Unsicherheit zu erzeugen. Er wird von Europa mehr verlangen. Der Ton über den Atlantik wird konfrontativer und rauer werden. Die Vorhaben Trumps, sein ruppiges Auftreten und sein Gesellschafts- und Menschenbild entsprechen nicht dem, wofür wir uns als Liberale einsetzen. Wir wissen, dass Freihandel, Rechtsstaatlichkeit, offene Gesellschaften und ein Vertrauen auf multilaterale Zusammenarbeit Garanten für ein starkes Europa sind.
Uns muss klar sein: Die Wahl Trumps ist nicht für alle in der Welt besorgniserregend. Autokraten und Gegner liberaler, offener Gesellschaften weltweit sehen sich durch seine Wiederwahl bestärkt. Die Mehrheit der US-Bürger, die ihre Stimme abgegeben haben, möchte Trump als ihren Präsidenten sehen. Dafür gibt es viele Erklärungen. Schon das MAGA-Motto verdeutlicht dies: „Make America Great Again“. Viele Amerikaner spüren einen Bedeutungsverlust ihres Landes. Trump hat dieses Gefühl verstärkt: mit seinen einfachen, radikalen Antworten auf komplexe geopolitische und wirtschaftliche Herausforderungen; mit einem jahrelang gepflegten Narrativ der Medien als Gegner; mit Schimpftiraden über die Schwäche der Demokraten, denen es trotz eines aufwändigen Wahlkampfs mit optimistischen, positiven Botschaften nicht gelang, genügend US-Amerikaner zu mobilisieren.
Natürlich muss dies alles uns als Verfechter einer liberalen Gesellschaft alarmieren. Die Mehrheit der Amerikaner war bereit, jemandem ihre Stimme zu geben, der verurteilter Straftäter ist und sich offen rassistisch, fremden- und frauenfeindlich äußert. Wir müssen uns dabei das eigentlich Selbstverständliche eingestehen: Unsere Überzeugung, dass eine offene Gesellschaft eine riesige Chance und keine Bedrohung ist, wird in den USA und auch weltweit nicht von allen geteilt.
Was können wir Europäer und vor allem wir Deutschen nun gezielt tun? Drei Botschaften:
- Wir müssen sicherheitspolitisch in der Lage sein, angemessen zur Verteidigung des Westens in der NATO beizutragen, viel mehr als bisher. Die geopolitische Landschaft hat sich verändert. Wir müssen uns anpassen. Dass wir für unsere Verteidigung mehr Geld ausgeben, liegt in unserem Interesse. Dieses Geld muss irgendwo herkommen. Es darf weder durch eine erdrückende Steuerlast noch durch übermäßige Verschuldung zulasten künftiger Generationen und mit hohen Risiken für die Stabilität der Kapitalmärkte finanziert werden.
- Wir müssen wirtschaftlich dynamisch wachsen und die nötigen Mittel erarbeiten. Dafür brauchen wir in Deutschland, dem wirtschaftlichen Motor Europas, schnellstens notwendige Reformen. Wesentliche unserer liberalen Ideen für mehr Wachstum, Innovationskraft und unternehmerische Freiheit liegen mit dem Papier von Christian Lindner auf dem Tisch. Wir müssen den öffentlichen Haushalt umschichten: mehr Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und die Stärkung der Bundeswehr.
- Vor allem müssen wir Deutschland wieder zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort machen. Es sind private Unternehmen, die Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen und für das nötige Steueraufkommen sorgen. Das wird nur gehen, wenn bestehende Unternehmen sowie Gründerinnen und Gründer nicht von bürokratischem Ballast und der Bürde hoher Steuern erdrückt werden, sondern eine leistungsfähige moderne digitale Infrastruktur und gut ausgebildete Arbeitskräfte vorfinden.
Kurzum: Der Tisch liegt voller Aufgaben, die eine neue Wachstums- und Angebotspolitik erfordern. Mit Blick auf die zweite Amtszeit Trumps geht es darum, politische Handlungsfähigkeit zu beweisen, um wirtschaftliche und militärische Stärke zurückzugewinnen. Nur so werden wir Trump dazu bewegen, für ein liberales Deutschland und Europa ein verlässlicher Partner zu sein – trotz weltanschaulicher Unterschiede. Vieles liegt in unserer Hand. Let’s get to work!