Kommentar
Zwei Welten - Deutschland und Serbien
Deutschland hat eine neue Regierung. Eine sogenannte „Ampelkoalition“ aus Roten, Grünen und Gelben nur zweieinhalb Monate nach der Wahl.
Das ist eigentlich nichts Besonderes, nichts Unmögliches, kein unerreichbares Ideal. Viele Demokratien funktionieren so. Eine neue Regierung löst die alte ab, die ohne Murren in die Opposition geht und dem Sieger gratuliert und viel Erfolg wünscht. Großartig! Ein Zeichen demokratischer Reife der ganzen Gesellschaft!
Auch in Serbien wurde im vergangenen Jahr unter Coronabedingungen gewählt. Allerdings kam die derzeitige „Konzentrationsregierung“, wie alle sie nennen, erst nach vier Monaten zustande trotz glasklarer Mehrheitsverhältnisse. Die Serbische Fortschrittspartei hatte allein die absolute Mehrheit.
Und wie sieht das Ergebnis aus? Es gibt eine Regierung ohne Opposition. Einige Oppositionsparteien hatten die Wahl gar boykottiert wegen unfairer Wahlbedingungen.
Zweifellos ist die Covid-19-Pandemie eine große Herausforderung für die politisch Verantwortlichen, die nachhaltige Lösungen erfordert – konstruktiv und vor allem pragmatisch.
In Serbien wählte man die nur zu bekannte Methode einer verkürzten Wahlperiode: Eine Koalition befristet auf zwei Jahre, basierend auf über den Zensus Parteien. „Es lief ja alles nach Plan“ - könnten böse Zungen behaupten.
Fragen wir uns, wie es möglich ist, dass in Krisenzeiten, und die Zeiten sind ausnahmslos krisenhaft, in kürzester Zeit schnell und ohne medialen Pomp eine Regierung aus Grünen, Gelben und Roten gebildet werden konnte. Fragen wir uns, welcher Grad an politischer Reife, Reife der Gesellschaft und Verantwortung notwendig ist, um in kürzester Zeit eine Einigung zwischen drei verschiedenen politischen Optionen zu erzielen, und ob die Rahmenbedingungen (Virus plus gesellschaftliche Nebenwirkungen der Pandemie) der entscheidende Faktor sind?
Wir haben also eine Grün-Liberal-Soziale Kombination auf der einen Seite. Auf der anderen haben wir ein Progressives-Sozialisten-Patrioten-Bündel. Der Unterschied besteht darin, dass die Erstgenannten ein Ergebnis demokratischer und fairer Parlamentswahlen sind, zweieinhalb Monate nach den Wahlen gebildet, mit einem regulären Mandat.
Die andere Seite zeichnet sich durch eine Koalition der im Parlament vertretenen Parteien aus. Kurz vor der Wahl wurde die Eintrittshürde noch auf drei Prozent heruntergesetzt, so dass eine weitere Partei gerade noch den Einzug schaffte. Die Amtszeit dieser Regierung wurde gleich auf zwei Jahre befristet. Außerordentliche Wahlen folgen im April 2022.
Es spielt jetzt keine Rolle mehr, die wievielten außerordentlichen Wahlen es mittlerweile sind – keiner zählt sie mehr. Das ist die brutale Realität eines EU- Kandidatenlandes.
Worin begründet sich im Wesentlichen der Unterschied? Ohne demokratische politische Reife kann man weder gut regieren noch Großkrisen wie die gegenwärtige bewältigen. Verantwortungsvolles Handeln, schnelles Einvernehmen in wichtigen Fragen und das Zurückstellen politischer Differenzen verlangt eben politische Reife. Die Ampel-Koalition hat uns das allen klar und deutlich vor Augen geführt. Das sogenannte „Bündel“ der anderen Realität hat in der Krise auch nicht alles falsch gemacht – aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Im Falle eins basiert das oberste Interesse an demokratischen Prinzipien, im Falle zwei wurden demokratische Prinzipen dem Eigenerhalt unterworfen. In den Worten von Frank Underwood (House of Cards):„Democracy is so overrated.”