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Nicaragua
Oppositionsführerin unter Hausarrest

Demokratische Freiräume in Nicaragua duch das Regime von Präsident Daniel Ortega bedroht
Cristiana Chamorro auf einer Pressekonferenz

Der Ausgang der politischen Krise in Nicaragua ist unklar und eine Aussicht auf freie, faire und transparente Wahlen im November 2021 besteht kaum noch. Die erwartete Wahlrechtsreform mit ihren Kernanliegen Stichwahl und Zulässigkeit internationaler Beobachtungsmissionen wurde trotz Druck der USA, der Vereinten Nationen und der Organisation Amerikanischer Staaten aufgrund des Unwillens der Regierung nicht weiter diskutiert, sondern lediglich von der regierungstreuen Mehrheit im Parlament durchgewinkt. Die Stichwahl wurde nicht eingeführt. Kandidaten, die internationale Sanktionen gegen das Regime Ortegas begrüßen, wurde die Teilnahme an den Wahlen untersagt und die Figur der internationalen Beobachtungsmission auf eine „begleitende“ Rolle minimiert. Präsident Daniel Ortega scheint sich bei den Wahlen vom November nicht in die Karten blicken lassen zu wollen. Auch die Mitglieder des Obersten Wahlgerichts wurden vom Parlament neu gewählt, die Posten mit regierungstreuen Richtern besetzt.

Das Parlament ist derweil gar sehr aktiv. Gesetzesentwürfe der Regierung bedrohen die Opposition akut. Es wurde die lebenslange Haftstrafe eingeführt (Vorwand war die Ermordung zweier minderjähriger Mädchen). Real dient dies der Regierung aber als Instrument, um Oppositionelle anklagen und aufgrund von sogenannten Hassverbrechen als Unruhestifter verurteilen zu können. Zu diesen Hassverbrechen zählt die Regierung u.a. Demonstrationen oder jegliche kritische Äussergungen der Opposition gegen das Regime.

Unter dem Vorwand, die Finanzierung und Förderung von Organisationen in Nicaragua überprüfen zu wollen, lässt die Regierung von Präsident Ortega im Parlament ebenso ein Gesetz durchwinken, das ihr noch stärkere Kontrollen über die Opposition einräumt. Basierend auf diesem Gesetz kann die Regierung praktisch alle Organisationen und Individuen -auch internationale- überwachen und insbesondere ihre Finanzierungsquellen überprüfen. Wenn diese im Ausland angesiedelt sind, spricht das Gesetz von einem „Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates“, weil die Organisationen sich angeblich in interne politische Angelegenheiten einmischen, was der Regierung wiederum freie Hand gibt, Sanktionen zu erlassen bzw. Enteignungen vorzunehmen oder den Organisationen gar ihre legale Registrierung zu entziehen.

In diesem Zusammenhang erhob die Regierung jüngst gegen eine der renommiertesten Journalistinnen des Landes und ihre Stiftung Anklage wegen Geldwäsche. Die Tochter der ehemaligen hochangesehenen Präsidentin des Landes, Violeta Barrios de Chamorro, steht inzwischen unter Hausarrest und ihre Kandidatur wurde verboten. Das rabiate Vorgehen der Regieung Ortegas gegen regierungskritische Journalisten und Medien nimmt erschreckende Ausmasse an. Die Steuerbehörde nimmt schon seit einiger Zeit Fernseh- und Radiosender, aber auch Printmedien ins Visier und beschlagnahmt willkürlich technische Ausrüstung.

Dass die regimekritische Zeitung La Prensa ihren Betrieb im Februar 2020 wieder teilweise hatte aufnehmen können, gilt in diesem Kontext illegaler Enteignungen als kleines Wunder. 18 Monate lang hatte das Medium davor seine Tätigkeit stark herunterfahren müssen, denn die Regierung von Präsident Daniel Ortega ließ Papier und Tinte von La Prensa im Zoll zurückhalten.

Die Opposition zieht gespalten in den Wahlkampf. Die zwei großen Oppositionsbewegungen sind die Alianza Ciudadanos por la Libertad und die Coalición Nacional. Letzterer wurde vor einigen Tagen die Möglichkeit genommen, an den Wahlen teilzunehmen. Die Regierung sah diese aussichtsreichere Oppositionsbewegung als zu gefährlich an und liess der Partido de Restauración Democrática PRD (Partei demokratischer Restaurierung) – politisches Vehikel der Coalición Nacional – ihre Registrierung entziehen. Darüber hinaus werden einige der Kandidaten der Opposition in diesen Tagen daran gehindert, ihr Domizil zu verlassen und sich frei in der Hauptstadt oder im Landesinneren zu bewegen. Derartige Versuche des illegalen, weil ohne jegliche Begründung veranlassten Hausarrests sind in den letzten Monaten – in einem Versuch die oppositionellen Stimmen zum Schweigen zu bringen – immer wieder zu beobachten gewesen, insbesondere wenn es sich um Personen handelt, die Präsident Ortega bei den Wahlen gefährlich werden könnten. Die amerikanische Regierung beklagt, dass Präsident Ortega mit der kürzlichen Entziehung der Registrierung des Partido de Restauración Democrática das Recht der nicaraguanischen Bevölkerung untergräbt, ihre Politiker zu wählen.

Die USA haben bereits Sanktionen gegen die Vizepräsidentin Rosario Murillo, gegen die Polizei sowie gegen die Staatsanwältin, den Vizevorsitzenden des Obersten Gerichtshofs und den Privatsekretär Ortegas für Nationale Politik, u.a. verhängt. Vom internationalen Druck auf den Familien-Clan und sein Regime ist Präsident Ortega sichtlich unbeeindruckt, er zieht selbstsicher und skrupellos in die letzten sechs Monate vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Es ist zu befürchten, dass er die Wahlen am 7. November gewinnen könnte und die Diktatur sich in den nächsten Jahren noch fester verwurzeln und die autoritären Züge des Präsidentenehepaares verschärfen könnten. Damit wäre die Demokratie in Nicaragua praktisch komplett beendet.