Zölle
Trump tariffs

Politik und Wirtschaft rechnen auch mit Zöllen auf Importe aus der EU.
© picture alliance / CHROMORANGE | Christian OhdeDonald Trump macht Ernst. Kaum im Amt führt er gegenüber seinen Nachbarländern Kanada und Mexiko hohe Zölle von 25 Prozent des Warenwertes ein – und setzt diese allerdings gleich darauf für einen Monat aus. Gegenüber China beschließt er Zölle von 10 Prozent, zusätzlich zu dem bereits vorhanden Zollschutz. Alle drei Länder kündigen Vergeltungszölle an. In Europa wartet man gespannt, was Trump als nächstes tut: Politik und Wirtschaft rechnen auch mit Zöllen auf Importe aus der Europäischen Union. Wie soll Europa darauf reagieren?
Der teure Weg in die Sackgasse
Diese Frage ist nur zu beantworten, wenn man sich die (Un-)Logik der Trumpschen Gedankengänge vertieft, die vor allem sein langjähriger Handelsberater Robert Lighthizer entwickelt hat. Startpunkt seiner Zollpolitik ist die Grundidee, das amerikanische Defizit in der Handelsbilanz auf Dauer zu vermindern – durch Verteuerung der Importe gegenüber der heimischen Warenproduktion. Ziel ist dabei der Schutz der amerikanischen Industrie vor ausländischer Konkurrenz. Er wird dieses Ziel – wie schon in seiner ersten Amtszeit – durch Zölle nicht erreichen. Warum?
Die Antwort steht in jedem guten Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre: Die Einführung von Zöllen hat gegenläufige Rückwirkungen. Sie sorgt für eine Aufwertung der Währung, also des US-Dollar, weil zunächst die Nachfrage nach inländischen Gütern steigt und die Nachfrage nach US-Dollar in die Höhe treibt. Schon gleich mit dem ersten Zollbeschluss Trumps war dies übrigens weltweit zu beobachten. Die Aufwertung verteuert die Exporte und verbilligt die Importe der USA, was dem Zolleffekt direkt entgegenläuft. Nur wenn die amerikanische Zentralbank mit einer stark expansiven Geldpolitik am Devisenmarkt gegensteuern würde, ließe sich die Aufwertung verhindern. Dies würde aber die Inflation im Land anheizen - und damit noch stärker die inländischen gegenüber den ausländischen Waren verteuern. Ein Dilemma! Der einzige Ausweg daraus, den es gibt, ist ein Zurückkurbeln der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage in den USA selbst, etwa durch eine Senkung des – sehr hohen – Haushaltsdefizits der Regierung von derzeit 6,5 Prozent der US-Wirtschaftsleistung. Das will aber Trump offenbar ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Er plant Steuersenkungen, die eher das Defizit aufblähen werden.
Kurzum: Trump läuft mit Volldampf in eine Sackgasse. Dies ändert allerdings nichts an dem Schaden, den er dabei anrichtet. Der besteht vor allem darin, dass er die globalen Wertschöpfungsketten einseitig beschneidet: Das Volumen des Handels nimmt ab, die grenzüberschreitende Arbeitsteilung ebenso – und damit all jene Produktivitätsvorteile, die sich daraus ergeben. Deren Verlust ist innerhalb der bisherigen Freihandelszone Nordamerikas gewaltig, weil es sich um eine industriell hochintegrierte Region handelt. Aber auch eine „Entflechtung“ mit China und Europa würde teuer zu stehen kommen – ablesbar natürlich in höheren Verbraucherpreisen und Inflation weltweit.
Europas Dilemma: Verhandlung oder Vergeltung?
Die Europäische Union steht vor einem politischen Dilemma. Sie muss alles versuchen, um Trump zur Vernunft zu bringen – und dies natürlich aus Eigeninteresse, denn alles andere wird bei ihm voraussehbar nicht funktionieren. Die Instrumente dazu sind bekannt: Verhandlung und Vergeltung. Die EU muss Trump schleunigst deutlich machen, dass sie einen eskalierenden Handelskrieg vermeiden will. Dies kann die EU tun, wenn sie Angebote vorlegt, die für die Amerikaner potenziell attraktiv sind. Es gibt ja durchaus Bereiche, in denen die EU selbst einen Nachholbedarf an Liberalisierung hat. So sind die Zölle der EU auf Importe von Kraftfahrzeugen derzeit höher als die der USA; analoges gilt für den Schutz der Agrarmärkte. Auch außerökonomische Konzessionen könnten Gewicht haben, etwa die Verpflichtung, die Verteidigungsausgaben im Rahmen der NATO zu erhöhen. Bei all dem liegt der Engpass in der Einigkeit der europäischen Seite: Allein die Interessen Frankreichs mit seinem großen hochpreisigen Agrarsektor und Deutschlands mit seiner exportorientierten Industrie liegen da weit auseinander. Es ist eine gigantische Herausforderung für die EU, in dieser Hinsicht zu einer gemeinsamen Haltung zu finden.
Ähnliches gilt bei Fragen der Maßnahmen zur Vergeltung. Klar ist: Auch die USA sind handelspolitisch verwundbar, vor allem im Bereich digitaler Dienstleistungen. Anders als bei Industriewaren haben sie dort einen großen Handelsbilanzüberschuss gegenüber der EU. So könnte die Einführung einer hohen Digitalsteuer, die schon einmal auf EU-Ebene erwogen wurde, die USA empfindlich treffen. Vor allem die „Tech-Giants“ der Vereinigten Staaten könnten stark darunter leiden. Die Hoffnung wäre, dass die Aussicht auf eine derartige Vergeltung ein Umdenken auch in der Trump-Administration veranlassen könnte, zu der ja immerhin auch der Tech-Freak Elon Musk gehört.
Große Risiken, aber auch Chancen
Fazit: Es stehen hochgefährliche und schwierige Verhandlungen an, die sehr leicht auf die abschüssige Rampe eines Handelskriegs führen könnten – mit Folgen, wie wir sie Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts im Nachgang des höchst protektionistischen amerikanischen Smoot-Hawley-Acts von 1930 erlebten. Andererseits könnte der beidseitige Zwang zu Verhandlungen auch dazu führen, dass ein konstruktives Ergebnis herauskommt – eine Art drastisch abgespeckte, pragmatische neue Version einer TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“), die unter ganz anderen Rahmenbedingungen zu Beginn der letzten Dekade scheiterte. Damals lag es in Europa vor allem an „grün“ inspirierten Bedenken gegenüber den ökologischen Folgen und der Übermacht amerikanischer Konzerninteressen, dass TTIP nicht vorankam. Heute steht offenkundig geopolitisch und handelspolitik sehr viel mehr auf dem Spiel, was möglicherweise die pragmatische Kompromissfähigkeit beflügeln könnte.
Denn eines ist klar: Europa und Amerika bilden – gegenüber China und Russland – trotz Trump noch immer eine liberale Wertegemeinschaft, die der Pflege bedarf. Ob einen Donald Trump dies noch bekümmert, ist zweifelhaft; es wird sich zeigen. Allerdings müsste er eigentlich erkennen, dass es auch in seinem Weltbild des globalen Kampfes um Hegemonie zwischen China und den USA im ureigenen amerikanischen Interesse liegt, mit Europa einen stabilen neuen Modus vivendi zu finden.