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USA
Trump und die Gerichte

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Die US-Flagge vor dem Supreme Court.

© picture alliance / AP Photo | Alex Brandon

Wie bereits vor seinem Amtsantritt zu erwarten war, werden viele Entscheidungen und Maßnahmen der Trump-Administration auf den verschiedensten Politikfeldern vor Gericht angefochten. Wie ist der Stand der Verfahren? Was ist zu erwarten?

Die Rolle der Bundesgerichte

Alle Klagen gegen Handlungen der Bundesbehörden, aber auch gegen Bundesgesetze und Regulierungen in Bezug auf ihre Verfassungsmäßigkeit müssen in den USA vor Bundesgerichten eingebracht werden. Es besteht also, im Gegensatz zu Deutschland, praktisch eine parallele Gerichtsbarkeit, die erst an der Spitze, beim Obersten Gerichtshof der USA, dem Supreme Court, zusammengeführt wird. Es gibt 94 Gerichtsbezirke, die das gesamte Territorium der USA abdecken. In den District Courts muss gewöhnlich zuerst geklagt werden. Über Berufungen gegen deren Entscheidungen entscheiden 12 Berufungsgerichte, die Circuit Courts of Appeals, die jeweils mehrere Gerichtsbezirke vereinigen.

Alle Bundesrichter aller Ebenen werden vom Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt, haben dann aber eine unbegrenzte Amtszeit. Die rechtsphilosophische Ausrichtung der Richter auf den verschiedenen Ebenen ist dabei vielfältig, von progressiv bis sehr konservativ. Im Obersten Gerichtshof besteht derzeit eine 6-3-Mehrheit für von republikanischen Präsidenten berufene Richterinnen und Richter, darunter sind drei von Trump berufene.

Felder der Auseinandersetzung

In vielen Fällen geht es um die Abschiebung von Personen ohne US-Staatsbürgerschaft, die sich illegal oder mit verschiedenen zeitlich begrenzten Aufenthaltstiteln im Land aufhalten. Dabei werden von der Administration verschiedene Rechtsgrundlagen bemüht, so der Alien Enemies Act von 1798. Dieser gestattet es dem Präsidenten, Bürger verfeindeter Nationen auszuweisen, ohne weitere  Rechtswege beschreiten zu müssen. Problematisch ist hierbei vor allem, wer bestimmt, was feindliche Nationen sind. Das kann einerseits durch Kriegserklärung durch den Kongress erfolgen, andererseits durch die Feststellung, dass im Namen fremder Regierungen aggressive Gruppen auf das Territorium der USA vorgedrungen sind. Das behauptet die Trump-Administration für kriminelle Gangs aus Venezuela und El Salvador – eine Argumentation, die historisch beispiellos ist.

Weitere Fälle haben mit dem Entzug von Studentenvisa zu tun. Die Begründung ist, dass die Betreffenden an antisemitischen Protesten beteiligt waren oder die Hamas, eine terroristische Organisation, öffentlich unterstützen. Auch hier ist in der Sache noch nicht entschieden worden, die Prozesse laufen.

Es ist abzuwarten, was die Prüfung durch die Bundesgerichte und schließlich durch  das Oberste Gericht ergibt. Allerdings ist schon jetzt zu sehen, dass eine Mehrheit der Richter dem Präsidenten einen sehr breiten Entscheidungsspielraum bei Fragen der nationalen Sicherheit einräumen möchte. Ein Urteil eines District Judges, der die Abschiebung von der Gangmitgliedschaft Verdächtigten stoppen sollte, wurde durch die Administration umgangen.

Der Oberste Gerichtshof hat in seinen kurzen Eilentscheidungen zu diesen Themen bisher lediglich klargestellt, dass die Betroffenen einen Anspruch auf individuelles rechtliches Gehör haben, und zwar am Ort, an dem sie sich befinden, also z.B. am Ort der Abschiebungseinrichtungen, nicht aber an ihrem Wohnort. Diese Zurückhaltung vertritt nur eine knappe konservative Mehrheit des Obersten Gerichts, die Minderheitsvoten sind sehr scharf. Noch komplizierter wird es, wenn die Betreffenden bereits abgeschoben wurden. Selbst dann, wenn die Administration Verwaltungsfehler zugibt, kämpft sie mit rechtlichen Mitteln gegen die Verpflichtung, dem Betreffenden sofort die Rückkehr zu ermöglichen.

Gegen die Entlassungen von Tausenden Bundesbediensteten haben verschiedene Organisationen geklagt. Hier hat das Oberste Gericht kürzlich entschieden, dass Klagen durch Organisationen nicht zulässig sind, da diese nicht über das notwendige „Standing“ verfügen, also nicht direkt betroffen sind. Klagen können gegen Entlassungen nur Individuen. Das dürfte nicht sehr erfolgversprechend sein, da die Entlassungen derzeit vor allem Beschäftigte in der Probezeit betreffen.   Im Zusammenhang mit den vom „Department of Government Efficiency“ (DOGE) initiierten Entlassungen gibt es bereits zahlreiche Rechtsstreitigkeiten. Hier geht es auch um die Rolle von Elon Musk, der nicht vom Senat bestätigt wurde und seine derzeitige Rolle als unbezahlter Regierungsangestellter spätestens nach 150 Tagen aufgeben muss.

Mehrere Klagen betreffen auch die Frage, inwieweit der Präsident und von ihm beauftragte Behörden berechtigt sind, Behörden und Agenturen zu schließen, die durch Gesetz, also vom Kongress, eingerichtet und mit bestimmten Aufgaben betraut wurden. Hier geht es um z.B. um USAID oder das Bildungsministerium.

Rechtlich vorgegangen wird gegen Entscheidungen der Administration, Fördermittel nicht auszuzahlen, die vom Kongress bewilligt wurden. So wird die Auszahlung von 400 Millionen an Fördermitteln blockiert, die in Lehrerausbildungsprogramme in verschiedenen Bundesstaaten fließen sollten. Ein Bundesrichter hatte die Auszahlung angeordnet, eine Eilentscheidung des Obersten Gerichts erlaubt es jedoch der Administration, die Mittel zurückzuhalten, bis in der Sache entschieden wurde. Wie bei anderen Fällen gab es hier im Obersten Gericht sehr deutliche Minderheitsvoten, die eine gegensätzliche Rechtsposition vertreten.

Auch die durch Präsident Trump verhängten Zölle sind inzwischen Gegenstand  einer Klage vor einem Bundesgericht. Klägerin bei einer ersten Klage gegen die Zölle auf Waren aus China ist die Eigentümerin der in Florida beheimateten Firma „Simplified“, die z.B. Terminkalender vertreibt, die im Wesentlichen in China hergestellt werden. In der Klage, die von einigen sehr reichen republikanischen Förderern, wie etwa dem Milliardär Charles Koch, finanziert wird, wird grundsätzlich die Kompetenz des Präsidenten in Frage gestellt, Zölle ohne Zustimmung durch den Kongress zu verhängen. Die Rechtsgrundlage, der International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) gibt dem Präsidenten zwar weitreichende Kompetenzen in Notsituationen und bei Bedrohungen der Sicherheit der USA, wurde aber bisher nur für Sanktionen und Import- oder Exportverbote genutzt, nie für Zölle. Hier wird auch ein Muster von Trumps Politik sichtbar: Er erklärt in vielen Zusammenhängen eine Bedrohung und einen Notstand, ohne sich viel um die Beschreibung der vorgeblichen Notsituation zu kümmern.  

Schließlich Ist auch der Ausschluss von Journalisten der Nachrichtenagentur AP von bestimmten Terminen und Räumlichkeiten im Weißen Haus und in der Reisebegleitung des Präsidenten Gegenstand einer Klage gewesen. Begründet wurde der Ausschluss damit, dass AP in einer einflussreichen Publikation über politische Begriffe und Definitionen den Golf von Mexiko nicht, wie von Trump angeordnet, in Golf von Amerika umbenannt hatte. Der Richter hob die Entscheidung des Weißen Hauses teilweise auf, als Verstoß gegen den ersten Verfassungszusatz, der die Meinungsfreiheit, oder genauer die „Freedom of Expression“ schützt.

Fragen der Interpretation der Verfassung

Der bisher wohl deutlichste Versuch, eine grundlegend neue Interpretation der US-Verfassung durchzusetzen, bezieht auf die sogenannte Birthright Citizenship, die automatische Verleihung der Staatsbürgerschaft an alle Personen, die auf dem Territorium der USA geboren wurden und deren Jurisdiktion unterliegen. Diese ist in Sektion I des 14. Verfassungszusatzes festgelegt, der gemeinsam mit dem 13. und 15. im Anschluss an den Bürgerkrieg im Jahr 1868 ratifiziert wurde. Die Zusätze sollten vor allem garantieren, dass alle ehemaligen Sklaven die vollen Bürgerrechte erhalten.

In seiner Executive Order ordnet Trump an, dass die Staatsbürgerschaft nur noch dann verliehen wird, wenn die Mutter einen permanenten Aufenthaltsstatus hat, also sich nicht illegal, mit einem Studenten- oder Touristenvisum oder einem anderen zeitlich begrenzten Visum im Land aufhält. Es ist auch ausreichend, wenn der Vater einen permanenten Aufenthaltsstatus hat. Diese Interpretation widerspricht vollkommen der bisherigen Rechtspraxis. Letztlich wird der Oberste Gerichtshof klären müssen, wie der 14. Verfassungszusatz in Bezug auf die Staatsbürgerschaft auszulegen ist. Eine Änderung des Textes ist mit außerordentlich hohen Hürden verbunden und derzeit praktisch unmöglich. Derzeit ist die Umsetzung der Executive Order durch verschiedene Bundesrichter vorläufig gestoppt worden. Die Administration hatte auf der Ebene der Berufungsgerichte keinen Erfolg damit, gegen diese Entscheidungen vorzugehen und wandte sich an den Obersten Gerichtshof, der darüber noch nicht entschieden hat – nicht einmal im vorläufigen Eilverfahren. So bleiben die Urteile, die die Umsetzung stoppen, in Kraft. Ein grundlegendes und die Zukunft des US-Staatbürgerschaftsrechtes bestimmendes Urteil ist kurzfristig nicht zu erwarten, jedoch zwingend notwendig geworden.

Von grundlegender Bedeutung werden auch zukünftige Entscheidungen des Obersten Gerichts darüber sein, wie weit die Kompetenzen des Präsidenten bei der Umsetzung von vom Kongress verabschiedeten Gesetzen und bei der Verausgabung bzw. Zurückhaltung von vom Kongress für bestimmte Zwecke bzw. Institutionen vorgesehenen Mitteln gehen.

Schließlich greift die Trump-Administration vor Gericht eine Praxis im Rechtssystem der USA an, die in der Tat schon lange umstritten ist. Richter der unteren Ebene können durch vorläufige, einstweilige Entscheidung den Vollzug von Gesetzen und Maßnahmen für das gesamte Territorium der USA blockieren, durch sogenannte „universal injunctions“. Dafür spricht, dass somit ein umfassender Schutz der Rechte von Betroffenen gewährleistet ist. Dagegen spricht, dass einzelne Richter demokratisch legitimierte Entscheidungen sehr weitgehend blockieren können, möglicherweise ebenfalls zu Lasten anderer betroffener.

Fazit

Fest steht, dass die beschriebenen Rechtsstreite, ebenso wie andere, die abzusehen sind, die USA in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen werden. Dass das Oberste Gericht mehrheitlich konservativ besetzt wurde, sichert Trump dabei einiges Wohlwollen. Aber die Erfahrung zeigt, dass auch ein konservatives Gericht bei weitem nicht alle Streitfragen zugunsten eines republikanischen Präsidenten entscheidet.

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