Wohnungsbautag
Baupolitik muss die Bedürfnisse der Menschen im Blick haben
Am heutigen Donnerstag findet der 13. Wohnungsbautag statt. Hierbei handelt es sich um den „Branchen-Gipfel“, der von den sieben führenden Verbänden und Organisationen der deutschen Bau- und Immobilienbranche veranstaltet wird. Auch im Jahr 2022 beschäftigt sich der Wohnungsbautag mit der Zukunft der deutschen Wohnungswirtschaft. Bereits im Vorfeld war zu hören, dass man das Ampel-Ziel von 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr sehr begrüßt.
Anstieg der Bauinvestitionen erwartet
Überhaupt steht diese Woche ganz im Zeichen der Immobilienwirtschaft. So wurde am Dienstag das Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2022 vorgestellt. Mit dem Gutachten analysiert der „Rat der Immobilienweisen“ einmal pro Jahr die aktuelle Lage auf dem Immobilienmarkt. Mitglieder des Rats sind Prof. Dr. Dr. h.c. Lars Feld (Walter Eucken Institut), Michael Gerling (EHI Retail Institute), Sven Carstensen (bulwiengesa), Prof. Dr. Harald Simons (empirica) und Carolin Wandzik (GOS).
Die Analyse der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von Prof. Dr. Dr. h.c. Lars Feld fällt grundsätzlich positiv aus. Demnach sollten sich die bestehenden Materialengpässe im Laufe des Jahres auflösen und für steigende Bauinvestitionen sorgen. Insbesondere der anhaltende Fachkräftemangel könnte diesen Aufschwung jedoch dämpfen. Positiv sieht Feld die beabsichtigte Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, den Abbau von Bürokratie sowie die Stärkung des modularen und seriellen Bauens.
Wohnungsneubau verfehlt Bedürfnisse von Familien
Trotz Corona war die Wohnungswirtschaft im vergangenen Jahr von einem weiteren Anstieg der Miet- und Kaufpreise geprägt. Die Mieten stiegen im Jahr 2021 um durchschnittlich 3,7 Prozent, die Kaufpreise für Eigentumswohnungen sogar um 14,3 Prozent.
Das Gutachten hebt hervor, dass das anhaltende Bevölkerungswachstum in den deutschen Metropolen langsam zu Ende gehen könnte. Insbesondere in den sieben größten deutschen Städten (die sogenannten „A-Städte“) ziehen vor allem Familien verstärkt aus der Kernstadt in den Speckgürtel. Hierbei handelt es sich um eine Entwicklung, die bereits vor der Corona-Pandemie einsetzte, durch die neuen Möglichkeiten des mobilen Arbeitens aber möglicherweise beschleunigt wurde.
In diesem Zusammenhang machen die Immobilienweisen auch darauf aufmerksam, dass der Wohnungsneubau in den Städten zunehmend an den Bedürfnissen von Familien und größeren Haushalten vorbeigeht. Obwohl die Zahl großer Haushalte in den Städten im vergangenen Jahr deutlich stärker gestiegen ist als die Zahl kleiner Haushalte, fokussiert sich der Wohnungsneubau insbesondere auf kleinere Wohnungen. In der Folge haben 40 Prozent aller einkommensschwachen Vier-Personen-Haushalte weniger als 80 Quadratmeter zur Verfügung. Fast jeder fünfte einkommensschwache Mieterhaushalt muss sogar mit weniger als 65 Quadratmeter Wohnfläche auskommen.
Büromarkt stabil, Einzelhandels- und Hotelimmobilien in der Krise
Abseits der Wohnungswirtschaft zeigen sich zum Teil sehr unterschiedliche Entwicklungen. Einzelhandels- und Hotelimmobilien waren von den Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders stark betroffen. Im innerstädtischen Einzelhandel fiel der Umsatzrückgang mit 36 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenniveau besonders deutlich aus. Auch im Hotelgewerbe lagen die Übernachtungszahlen 38 Prozent unter dem Wert von 2019. Im Vergleich zum Jahr 2020 gingen die Übernachtungszahlen sogar nochmal um 6 Prozent zurück.
Überraschend stabil zeigt sich hingegen der Markt für Büroimmobilien, wo im Zuge Corona-Pandemie mit Flächeneinsparungen zu rechnen war. Trotz der neuen Möglichkeiten des mobilen Arbeitens scheint das Büro für die meisten Unternehmen der zentrale Ort der Arbeitsorganisation zu bleiben. Auch für die Zukunft gehen die Immobilienweisen von einer anhaltend hohen Nachfrage nach Bürostandorten aus.
Neue Innenstadtkonzepte gefragt
Aufgrund der Schwäche des stationären Einzelhandels liegt ein zentraler Fokus des diesjährigen Frühjahrsgutachtens auf der Innenstadtentwicklung. Der Wandel der Innenstädte hat demnach schon deutlich vor Beginn der Corona-Krise eingesetzt und wurde insbesondere vom Aufstieg des Online-Handels geprägt. Vielmehr wurden durch Corona die Schwachstellen bisheriger Innenstadtkonzepte – insbesondere die einseitige Ausrichtung auf den Einzelhandel – besonders sichtbar.
Einfache Patentlösungen stellt das Gutachten angesichts der Individualität deutscher Städte nicht in Aussicht. Dennoch nennt das Frühjahrsgutachten eine Reihe möglicher Lösungsansätze. Hierzu gehören eine Belebung der Innenstädte durch neue Frequenzbringer und Besuchsanlässe, ein lokal angepasster und vielfältiger Nutzungsmix, eine Aufwertung des öffentlichen Raums mit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten, intelligente Mobilitätskonzepte sowie eine stärkere Zusammenarbeit der verschiedenen Innenstadtakteure.
Fazit
Insbesondere die Wohnungswirtschaft und die Innenstadtentwicklung stehen vor gewaltigen Herausforderungen. So unterschiedlich die beiden Bereiche sind, so ähnlich könnte die Lösung der Probleme sein: Angebot und Nachfrage müssen wieder zusammenfinden.
In der Wohnungswirtschaft gelingt dies durch den Bau zusätzlicher Wohnungen, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Insbesondere in den Städten sollte daher ein stärkerer Fokus auf den Bau größerer Wohnungen gelegt werden, die ausreichend Platz für Familien bieten.
In den Innenstädten müssen hingegen echte Erlebnisse angeboten werden, die einen echten Mehrwert zum Online-Shopping bieten. Unsere Studie „Zukunft der Innenstädte“ in Kooperation mit Fraunhofer IAO zeigt, dass in vielen Innenstädten bereits heute spannende Innovationen entstehen, die einen Weg in die Zukunft weisen können.