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Verteidigung
In case of crisis or war – ist Deutschland kriegs-und krisenfest?

Umfrage zur zivilen Verteidigung
Bundeswehrübung

Bundeswehrübung

© picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

In den nächsten drei bis fünf Jahren könnte Russland in der Lage sein, Angriffe auf einen NATO-Staat zu starten. Davor warnt nicht nur der deutsche Bundesnachrichtendienst, auf ein solches Szenario bereiten sich NATO-Verteidigungsplaner vor. Angriffe auf kritische Infrastruktur wie die Zerstörung der Starkstromleitung zwischen Finnland und Estland kurz vor Neujahr nehmen zu, auch in Deutschland gibt es zahlreiche Sabotageakte auf kritische Infrastruktur sowie eine massive Zunahme von Desinformationskampagnen. Länder wie Schweden und die baltischen Staaten haben sich seit Jahrzehnten auf solche Szenarien vorbereitet. Mit Konzepten wie „Total Defence“ setzen sie auf eine enge zivil-militärische Zusammenarbeit. Deutschland hingegen steht noch am Anfang.

Der aktuelle Stand: Einzelmaßnahmen statt Gesamtkonzept

Die sicherheitspolitischeZeitenwende“, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, hat zu zahlreichen Diskussionen über die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands geführt. Die Bundeswehr wird modernisiert, Ausrüstungslücken werden geschlossen und die Infrastruktur soll resilienter werden. Die Rückstände sind enorm. Klar ist, dass heutige Bedrohungen nationaler Sicherheit nicht nur rein militärisch zu bewältigen sind. Doch im Bereich der zivilen Verteidigung, der für eine effektive zivil-militärische Zusammenarbeit essenziell ist, fehlt ein umfassendes Konzept.

Einige Schritte wurden bereits unternommen: Das Territoriale Führungskommando wurde etabliert (jetzt: Operatives Führungskommando), der Operationsplan Deutschland („OPlan Deutschland“) in Angriff genommen, und Programme wie „Dein Jahr für Deutschland“ für die Reserve eingeführt. Das jüngste Beispiel der engen Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und dem Sanitätsdienst der Bundeswehr ist eine bemerkenswerte Initiative, die in dieses Schema passt. Doch diese Maßnahmen greifen bisher nur punktuell und sind oft nicht ausreichend koordiniert.

Im Vergleich zeigt Schweden, wie es besser gehen könnte: Die Neuauflage der Broschüre „Wenn Krise oder Krieg kommtunterstreicht, dass man den Ernst der Lage erkannt hat und die Bevölkerung aktiv einbindet. Ein Zitat aus der Broschüre, die sich an die allgemeine Bevölkerung richtet: „Wenn Schweden angegriffen wird, muss jeder seinen Teil dazu beitragen, Schwedens Unabhängigkeit - und unsere Demokratie - zu verteidigen. (…) Sie sind Teil von Schwedens umfassender Notfallvorsorge.“ Deutschland hingegen hat Aufholbedarf – weniger bei der Sensibilisierung der Bevölkerung für die zivile Verteidigung, als vor allem in der Umsetzung. Das zeigt eine forsa-Umfrage, die die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) in Auftrag gegeben hat.

Ergebnisse der FNF-Umfrage: Eine Gesellschaft in Bereitschaft

Eine Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung zeichnet ein differenziertes Bild der deutschen Verteidigungsbereitschaft. Die Mehrheit der Befragten sieht die Sicherheit Deutschlands durch Angriffe von außen als stark bis sehr stark bedroht. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Unterstützung der Bevölkerung für verstärkte Investitionen in militärische und zivile Verteidigungsmaßnahmen. 85 % der Befragten sprechen sich für eine Stärkung des militärischen Bereichs aus, während 89 % verstärkte zivile Maßnahmen unterstützen, beide Werte sind sehr hoch. Darüber hinaus ist die Bereitschaft zur aktiven Beteiligung ähnlich hoch: 71 % der Deutschen geben an, dass sie bereit sind, an Zivilschutzmaßnahmen wie Evakuierungsübungen, Erste-Hilfe-Kursen oder Selbstverteidigungstrainings teilzunehmen. Diese Bereitschaft ist bei jüngeren Menschen besonders ausgeprägt, mit 80 % in der Altersgruppe unter 30 Jahren.

Zivile Verteidigung - Umfrageergebnisse
Zivile Verteidigung - Umfrageergebnisse
Zivile Verteidigung - Umfrageergebnisse

Gleichzeitig offenbart die Umfrage Informationsdefizite. Rund 40 % der Befragten wissen nicht, wo sie relevante Informationen über zivile Verteidigung finden können. Diese Lücke könnte durch leicht zugängliche Informationskanäle und klare Anlaufstellen geschlossen werden. Regionale Unterschiede werden ebenfalls deutlich: Während nur 15 % der Ostdeutschen eine direkte Bedrohung durch militärische Angriffe wahrnehmen, sind es in Westdeutschland 26 %. Trotz dieser Unterschiede zeigt sich überregional eine zunehmende Sensibilität für die aktuellen Gefahren.

Zivile Verteidigung: Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Die Daten verdeutlichen, dass die deutsche Bevölkerung ein zunehmendes Bewusstsein für die Bedrohungslage entwickelt. Es herrscht ein breiter Konsens darüber, dass die Verteidigung Deutschlands nicht nur eine militärische, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Die Umfrage zeigt, dass die deutsche Bevölkerung ein klares Bewusstsein für die aktuelle Bedrohungslage hat und sowohl den Staat als auch sich selbst in der Verantwortung sieht. Besonders beeindruckend ist, dass über 70 % bereit wären, sich aktiv an Zivilschutzmaßnahmen zu beteiligen – ein starkes Zeichen für das Verantwortungsbewusstsein der deutschen Gesellschaft. Gleichzeitig wird deutlich, dass es an Anlaufstellen und Koordinierung fehlt.

Deutschlands Weg zur Resilienz

Die Herausforderung ist klar: Deutschland muss krisen- und wehrfähiger werden. Das erfordert Investitionen, eine verstärkte Kooperation zwischen zivilen und militärischen Akteuren sowie eine gezielte Einbindung der Bevölkerung. Nur durch eine gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Anstrengung können wir die Resilienz erreichen, die in einer zunehmend unsicheren Welt notwendig ist. Der Weg ist noch weit, aber es ist auf der politischen Agenda angekommen. Die FNF-Umfrage zeigt, dass auch die Bevölkerung bereit wäre die nächsten Schritte in RichtungGesamtverteidigung“ zu gehen.

Hier geht's zur Umfrage:

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
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