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Europa
Der belgische Kompromiss: Vorbild für Europa?

Besuch der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens im Rahmen einer Stiftungstagung in Eupen
 Karl-Heinz Lambertz,

Karl-Heinz Lambertz, Präsidenten des Ausschusses der Regionen der EU

© dpa

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch so viel Neues über ein Nachbarland wie Belgien lerne.“ Dies waren die Worte des Vorstandsvorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué, nach einem mehrtägigen Besuch der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens im Rahmen einer Stiftungstagung in Eupen.

In Gesprächen mit dem aus Ostbelgien stammenden Präsidenten des Ausschusses der Regionen Karl-Heinz Lambertz, der stellvertretenden Ministerpräsidentin Isabelle Weykmans und dem Präsidenten des Parlamentes der Deutschsprachigen Gemeinschaft Alexander Miesen erfuhren Paqué und die Tagungsteilnehmer Interessantes über die lebendige Verfassungskultur Belgiens und ihre Konsequenzen für die rund 80.000 deutschsprachigen Belgier.

Der komplizierte belgische Föderalismus sorge dafür, den Frieden und Ausgleich zwischen Flamen und Wallonen in unserem Nachbarland zu wahren, so Paqué. „Die Autonomie, die dadurch die kleine deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens erfährt, ist außerordentlich und hochinteressant.“

In Belgien sei es inzwischen die Regel, dass Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Gliedstaaten und Sprachgemeinschaften übertragen würden, führte die stellvertretende Ministerpräsidentin Weykmans aus, die der liberalen deutschsprachigen Partei PFF angehört. „Die Übertragung staatlicher Kompetenzen auf die kleinstmögliche Einheit ist in Belgien kein Selbstzweck, sondern oftmals Notwendigkeit“, so Weykmans. Insbesondere die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens versuche, das liberale Konzept der Subsidiarität wo immer möglich umzusetzen. „Nimmt man dann noch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hinzu, sieht man, wie Europa funktionieren kann.“

Dass dabei die Kunst des berühmten belgischen Kompromisses Politiker sowohl zum Schmunzeln als auch zur Weißglut bringen kann, ließ Karl-Heinz Lambertz nicht unerwähnt. „Ein belgischer Kompromiss ist eine Einigung, die so kompliziert ist, dass sie niemand versteht, die aber trotzdem funktioniert. Das hat den Vorteil, dass niemand sich als Verlierer fühlt.“

„Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens zeigt, wie man sich in einer globalisierten Welt behaupten kann: durch tiefe Verwurzelung und breite Vernetzung“, so Paqué abschließend. Diesem Grundgedanken folgend profitiere sie auch von Europa. „Richtig angewandt können so alle von der EU profitieren. Europa am 26. Mai zu stärken und liberaler zu machen, ist deshalb so wichtig wie noch nie.“

Markus Kaiser ist Referatsleiter Europa der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.