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EU-Kommission
Der Rechtsstaat: Ein Wert, der nicht selbstverständlich ist

Der fünfte Jahresbericht der EU-Kommission
Justitia vor einer Europa-Flagge

Justitia vor einer Europa-Flagge.

© picture alliance / CHROMORANGE | Udo Herrmann

Am 24. Juli hat die Europäische Kommission ihren fünften Jahresbericht zur Rechtsstaatlichkeit veröffentlicht. Der Bericht evaluiert seit 2020 jedes Jahr die Rechtsstaatslage der EU-Mitgliedstaaten und bietet wichtige Empfehlungen.

Die 2024-Ausgabe des Berichts ist erfreulich positiv zu bewerten. Sie zeigt, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten besser auf neue Herausforderungen vorbereitet sind als noch im Jahr 2020. Der Bericht zeigt eine Stärkung der Resilienz von Demokratien, eine Steigerung des Vertrauens in die EU und fördert ein reibungsloses Funktionieren der EU-Institutionen. Dies ist von enormer Bedeutung - sowohl für den Schutz der individuellen Rechte als auch für die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb der EU.

Vier Schwerpunkte und Reformbedarf

Der Bericht konzentriert sich auf vier Themen: Medienfreiheit, nationale Justizsysteme, Korruptionsbekämpfung und institutionelle Gewaltenteilung.

Laut dem Bericht wurden wirksame Schritte zur Sicherheit von Journalisten und zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen unternommen, aber es bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit und finanziellen Stabilität der öffentlich-rechtlichen Medien. Die Qualität der Gesetzgebungsverfahren wurde verbessert, doch Herausforderungen wie die Nutzung beschleunigter Verfahren und Einschränkungen für die Zivilgesellschaft bleiben bestehen. In Deutschland bestehen Mängel weiterhin beim Recht auf Information der Presse und bei der Steuerbefreiung für gemeinnützige Organisationen.

Die Unabhängigkeit und Effizienz der Justiz sind zentral für die Umsetzung sowohl der EU- als auch der nationalen Gesetze, nicht nur für den Schutz der individuellen Rechte, sondern auch für den Schutz der Investitionen in EU-Staaten. Viele Mitgliedstaaten haben Reformen zur Stärkung der Unabhängigkeit und Effizienz der Justiz umgesetzt, aber einige systemische Bedenken bleiben bestehen. Die Diskussionen über die Justizreform und die Stärkung des Verfassungsgerichts in Deutschland, insbesondere angesichts der wachsenden Gefahr des Rechtsextremismus, sind ein Best-Practice-Beispiel, das im Bericht hervorgehoben wird.

Demokratie unter Druck: Die Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts

Viele Menschen gehen während einer Demonstration durch Freiburg und demonstrieren gegen rechts während sie Banner mit Aufschriften wie "Für Vielfalt & Solidarität gegen Rechtsextremismus", "# Demokratie vereint stärken und schützen!" oder "Menschenrechte statt rechte Menschen" tragen. Mit der Demonstration wollen die Teilnehmer ein Zeichen des Widerstands gegen rechtsextreme Umtriebe setzen.

Die neue Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass Autokratien weltweit auf dem Vormarsch sind. Auch in Deutschland sind Demokratiefeinde aktiv. Wie steht es um den Schutz unserer liberalen Werte? Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Bundesverfassungsgericht. Doch ist es ausreichend abgesichert gegen mögliche Angriffe auf seine Unabhängigkeit? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warnt vor einer gefährlichen Illusion und plädiert für eine Stärkung unserer demokratischen Institutionen.

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In Dänemark, Finnland, Österreich, Schweden, Luxemburg und Irland ist die Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Justiz besonders hoch (über 75%). In Kroatien, Polen und Bulgarien hingegen bleibt sie laut dem Bericht sehr niedrig (unter 30%). Der Hauptgrund für die niedrigere Bewertung der richterlichen Unabhängigkeit in den oben genannten drei Ländern ist der Einfluss und der politische Druck der Regierungen auf die Justiz.

Auch Korruption bleibt weiterhin ein großes Anliegen. Sie begünstigt kriminelle Aktivitäten und betrifft beide Sektoren. Trotz Verbesserungen in EU-Mitgliedstaaten sind weitere präventive Maßnahmen wie noch wirksame Gesetzgebung, Anti-Korruptionsstrategien und Vermittlungen der Korruption notwendig. In den Niederlanden hat beispielsweise die Verhinderung der Einschleusung organisierter Kriminalität in den öffentlichen Dienst und die Polizei seit 2020 hohe Priorität. Schweden konzentriert sich auf Risikobereiche und Faktoren für die Einschleusung, während Belgien Maßnahmen gegen Korruption im Zusammenhang mit Drogenhandel und organisierten Kriminalitätsgruppen ergreift. Am 1. Januar 2023 trat in Deutschland ein Gesetz zur Verhinderung des Einflusses von Mitgliedern des Bundestages im Wirtschaftshandel in Kraft. Dieses Gesetz wurde im Rahmen umfassender Reformen zur Verbesserung der Transparenz und Integrität in der politischen und öffentlichen Verwaltung eingeführt.

Auch die EU begrüßt die Stärkung des Verfassungsgerichtshofs der Bundesrepublik Deutschland

Der fünfte Bericht der EU zu Deutschland hebt Fortschritte und verbleibende Herausforderungen hervor. Positive Entwicklungen gibt es bei der Ressourcenausstattung der Justiz und der Transparenz politischer Einflussnahmen. Der Bericht begrüßt die laufenden Diskussionen in Deutschland zur möglichen Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts: „Das Bundesverfassungsgericht ist Schutzschild der Grundrechte, aber sein eigener Schutzschild braucht noch mehr Widerstandskraft“, fordert Dr. Marco Buschmann, deutscher Justizminister und Mitinitiator der Reform, zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes.

Der Rechtstaat muss sich Veränderungen anpassen

In den vergangenen fünf Jahren haben die Berichte der Kommission über den Rechtsstaat gezeigt, dass dieser niemals für selbstverständlich genommen werden kann. Herausforderungen bestehen in politischen, gesellschaftlichen oder technologischen Veränderungen und variieren zwischen den Mitgliedstaaten. Der Dialog hat sich in den vergangenen Jahren als wirksam erwiesen, um Fortschritte zu erzielen. Die EU hat ihre Fähigkeit verbessert, Rechtsstaatsprobleme anzugehen und Reformen zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten können nun auf ein gemeinsames Verständnis zurückgreifen, um politische Maßnahmen und Gesetze zu gestalten. In Zukunft wird der Rechtsstaatbericht seinen Umfang erweitern, um die Dimension des Binnenmarkts einzubeziehen und enger mit EU-Fördermitteln zu verknüpfen. Auch die Bemühungen gegen Korruption und zur Wahrung des Rechtsstaats werden künftig verstärkt, um nationale und europäische Transformationsprozesse zu unterstützen.

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