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Europakongress
Europa braucht eine überzeugende Vision

Friedensprojekt in neuer globaler Verantwortung

Rechtsruck in Europa, gespaltene Gesellschaften, gefährdeter Zusammenhalt durch Brexit und Co. Eine besonders drängende Frage lautet dieser Tage: Quo vadis, Europa? Wohin steuert Europa in Zeiten von Krise und Orientierungslosigkeit? Ist das politische Friedensprojekt Europa am Ende? Dieser Frage stellten sich die Teilnehmer des Europakongresses und wagten einen Blick in Europas unsichere Zukunft. In einer Sache waren sich alle Teilnehmer im Atrium der AXICA in Berlin-Mitte von Beginn an einig: Die Herausforderungen vor denen Europa steht sind enorm.

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Trotz aller Schwierigkeiten stellte Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Stiftung für die Freiheit, jedoch gleich zu Beginn fest: Es gibt keinen Grund, in Pessimismus zu verfallen. "Wir haben eine Menge erreicht." Einhundert Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs warf er einen Blick auf die Lehren, die sich aus der europäischen Geschichte ziehen lassen und zugleich einen Blick in die Zukunft. Nach zwei verheerenden Weltkriegen gelang schließlich schrittweise die friedliche Europäische Integration. Europa sei die Heimat für Frieden, Freiheit und wirtschaftlichem Wohlstand - "wir müssen die europäische Idee unterstützen." Europa habe viel zu bieten. "Unser Kontinent ist in seiner einzigartigen Mischung von Kultur, Bildung, Innovation, Vielfalt und Chancen für die Tüchtigen immer noch der beste Ort, für ein würdevolles und sicheres Leben in der Welt."

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Freiheit und Frieden brauchen Mut

Dass dieser Friede nicht von selbst gekommen ist, daran erinnerte Daniela Schily, Generalsekretärin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die den Europakongress in Kooperation mit der Stiftung veranstaltete. Sie betonte die grundlegende Bedeutung der gelebten Gedenkkultur: "Die Geschichte ist eine gute Lehrerin, so heißt es. Aber sie braucht auch gute Schüler, solche die die schmerzliche Erinnerung, an das Leid und die Schrecken der Kriege begreifen und sich mit Mut für den Frieden einsetzen."

Herfried Münkler, Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
© Benjamin Diedering

Krise eröffnet auch die Chance zum Umbau Europas

Herfried Münkler, Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, zeichnete in seinem Impulsvertrag ein düsteres Bild. Er hält ein Risiko des Zerfalls der Europäischen Union für sehr hoch. Die Europäische Union habe sich in mancher Hinsicht überdehnt. Durch ihre Erweiterung habe sie mehr Zentrifugalkräfte aufgebaut als sie die Fähigkeit habe, die Mitgliedsstaaten zusammenzuhalten. "Wir befinden uns in der Endphase der globalen Ordnung, wobei der Verwalter dieser Ordnung ständig gegen die Regeln dieser Ordnung verstößt ", so  Münkler in seiner faszinierenden Tour d'horizon der Welt, in der wir leben. Die alte "Europaerzählung" trage nun nicht mehr. "Europa braucht eine motivierendere Erzählung mit der Funktion, eine Perspektive aufzumachen, die größer ist als das Nachzählen von Einzahlungen auf Heller und Pfennig"

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Angesichts der Tiefe der gegenwärtigen Krise solle man sich darüber im Klaren sein, dass jetzt mehr gefordert ist als das, was die Politiker gerne als das Drehen an den Stellschrauben bezeichnen. Diese Krise sei keine des Stillstands, sondern eine, in der das gesamte Projekt zur Disposition steht. Die große Herausforderung ist ein Umbau der europäischen Institutionen, der Europa demokratiefähig macht. Das ist nicht leicht und wird sicherlich auch zu einer Fülle von Widerständen führen. Aber da eröffnet die Krise auch die Chance zum Umbau Europas.

Dass sich die Europäische Union immer weiter entwickeln muss um auch als Modell für andere Regionen zu dienen: Auch darüber herrschte Einigkeit. In einer sehr engagierten Runde warben Michael Cardo von der südafrikanischen Oppositionspartei Democratic Alliance, der Gründer der Demokratischen Partei in Hongkong, Martin Lee, FDP-Europapolitiker Michael Georg Link und die polnische Abgeordnete Katarzyna Lubnauer für umfassende Reformen. Dass die optimistische Einstellung die richtige ist, bekräftigte Cardo: „Europa braucht eine überzeugende Vision.“

Martin Lee rief den ersten Brexit der Geschichte in Erinnerung: 1997 hat Großbritannien Hongkong an China übergeben. Aufgrund der Erfahrungen damit fordert der Menschenrechtsaktivist die EU auf, zusammen zu bleiben. Er ist Optimist: „Jetzt schwingt das Pendel nach rechts, aber machen Sie sich keine Sorgen, es wird wiederkommen!“

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Lubnauer mahnte: Die Wahlen zum Europaparlament werden ein Kampf zwischen den antieuropäischen und proeuropäischen Kräfte sein. Letztere müssten ihre Unterschiede überwinden.

Welche Reformen notwendig sind, um in Zukunft größere internationale Verantwortung zu übernehmen, darüber diskutierten die ehemalige marokkanische Umweltministerin Hakima El Haité, Alexander Graf Lambsdorff, Generalleutnant Hans-Werner Wiermann und Felipe Kast. Der Senator aus Chile ist überzeugt: „Europa hat wieder einen Traum zu bieten! Wir als Liberale dürfen uns nicht einfach zurücklehnen und uns entspannen, weil wir denken, dass die Menschen irgendwann wieder vernünftig werden. Das wird nicht passieren. Wir müssen für die Menschen kämpfen und ihnen zuhören.“

Lambsdorff und Wiermann unterstrichen die Sicherheitskomponente im Hause Europa: „Es gibt keine Sicherheit in Europa, ohne fortschreitende europäische Integration", so Wiermann. Gleichzeitig dürfe diese nicht in Konkurrenz zur NATO treten, sondern müsse diese stärken. Durch Russlands Aggressionen ist diese Notwendigkeit klar geworden.

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Wir müssen unsere Werte gemeinsam verteidigen, fasste unser Vorstandsmitglied Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den anregenden Kongress, durch den die Politische Chefkorrespondentin der Deutschen Welle, Melinda Crane, kenntnisreich geführt hat, zusammen. Es komme darauf an, „was wir aus Europa machen.“ In bewegten Zeiten, in denen Dinge in Frage gestellt werden, die wir mittlerweile für selbstverständlich gehalten haben, ist es besonders wichtig den Gesprächsfaden nie abreißen zu lassen. „Wir müssen mutiger werden, uns der Zukunft stellen und bessere Ideen entwickeln.“

Europa wird auch weiterhin von großer Bedeutung sein, denn „ohne Europa werden wir die außenstehenden Bedrohungen nicht überstehen können“ so Michael Georg Link. Für alle Beteiligten ist klar: „Wir dürfen das Wohlstands, Freiheits- und Friedensprojekt nicht scheitern lassen.“

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Europa-Kongress 2018