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Europa: Segen oder Fluch für den deutschen Mittelstand?

Wie sich die EU-Regulierung auf den Mittelstand auswirkt
Podiumsdiskussion zum Thema EU und Mittelstand mit Nadja Hirsch, Ingolf F. Brauner, Andreas Keck und Dr. Andreas Lutz

Podiumsdiskussion zum Thema EU und Mittelstand mit Nadja Hirsch, Ingolf F. Brauner, Andreas Keck und Dr. Andreas Lutz

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Im Mittelstand schlägt das Herz der deutschen Wirtschaft, vom Handwerksbetrieb bis zum Hidden Champion im Maschinenbau ist er breit aufgestellt und trägt erheblich zur Leistungsfähigkeit Deutschlands bei, eine Besonderheit im europäischen Vergleich. So stellt sich die Frage, welche besonderen Bedürfnisse hat der Mittelstand und wie werden sie in der EU berücksichtigt.

Die Leistung Europas ist nicht nur an der Bananenkrümmungsverordnung zu messen

Zu diesem Thema haben die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Thomas-Dehler-Stiftung zu einer Podiumsdiskussion nach München geladen. Zu bürokratisch und zu detailverliebt, das sind Beschwerden, die häufig über Brüssel zu hören sind: In ihrem Impulsvortrag schlägt Nadja Hirsch, MdEP und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament den großen Bogen: „Wir leben heute in einem friedlichen Europa und in einem großen Binnenmarkt mit vielen Freiheiten für Bürger und Unternehmen und das ist keine Selbstverständlichkeit“, führt sie aus. Als Beispiele für Konflikte und Gefahren nennt sie die Balkankriege in den Neunzigern, die Ukrainekrise oder den Brexit heutzutage. An diesen scheinbaren Selbstverständlichkeiten ist die EU ebenfalls zu messen, natürlich ohne die weitere Optimierung zu vergessen.

Nadja Hirsch, MdEP

Nadja Hirsch, MdEP

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Vergabeverfahren sind zu bürokratisch

Mit Nadja Hirsch diskutieren Ingolf F. Brauner, Präsident des Verbandes Mittelstand in Bayern, Andreas Keck, stellvertretender Bundesvorsitzender des Liberalen Mittelstands und FDP Landtagskandidat sowie Dr. Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Gründer und Selbstständigen. Sie führten eine ganze Reihe von aktuellen Problemfeldern auf. Für Brauner ist die Regelungswut aus Brüssel ein großes Hemmnis. Allein die deutsche Version der Vergabeordnung im Baubereich hat beispielsweise 561 Seiten – eine Herausforderung gerade für kleine Betriebe, die deswegen teilweise sogar auf die Teilnahme an Ausschreibungen verzichten müssen.

Solo-Entrepreneure als Stiefkind der Arbeitsmarktgesetzgebung

Dr. Andreas Lutz kritisiert vor allem die komplexe Datenschutz-Grundverordnung und die zunehmende Gängelung von Solo-Entrepreneuren. „Selbst Experten können seiner Erfahrung nach zu vielen Punkten der Datenschutz-Grundverordnung keine Auskunft geben und das obwohl die Verordnung am 25. Mai in Kraft treten soll. Viel gravierender sind aber Bestrebungen immer mehr Kleinunternehmer als Arbeitnehmer zu werten und somit in die gesetzlichen Sozialversicherungen zu zwingen“, führt Lutz weiter aus.

Andreas Keck greift die Forderung nach mehr Wertschätzung für Selbstständige auf und sieht in der Diskussion um die Scheinselbstständigkeit die falsche Antwort auf die berechtigte Frage nach einer verbesserten sozialen Absicherung von Solo-Entrepreneuren. Für ihn steht fest, dass gerade die kleinen und kleinsten Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Innovation und Zukunftsfähigkeit unseres Kontinents leisten.

Die Europaparlamentarierin verweist bei diesem Thema auf einen Mittelstands-TÜV, den ihre Fraktion schon vor Jahren im Europäischen Parlament gefordert hat. Er sollte die Folgen von Gesetzen für Kleinunternehmen abschätzen. Die beiden großen Fraktionen haben diese Initiative torpediert.

Zum Schluss unterstreicht Hirsch nochmals die Bedeutung der EU in der Welt: „Um global weiterhin eine Rolle zu spielen brauchen wir ein stärkeres Europa. Das heißt aber nicht, dass alles in Brüssel entschieden werden muss.“ Große Einigkeit herrscht unter den Diskutanten, dass die EU sehr positiv für die Bürger und Wirtschaft ist, sie aber auch Schwächen hat, die gezielt angegangen werden müssen – ein Auftrag an Bürger und Politiker zugleich.