Georgien
Nach den Wahlen in Georgien: Die Situation könnte eskalieren
Nach den Parlamentswahlen in Georgien hat die Wahlkommission die Regierungspartei „Georgischer Traum“ zur Siegerin erklärt. Die Opposition spricht von Manipulation und erkennt das Ergebnis nicht an. Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili ruft zum Protest auf: Die Wahlen seien angesichts der massiven russischen Beeinflussung eine Unterwerfung Georgiens, das Land sei „Opfer des hybriden Krieges Russlands“.
Im Interview mit Welt TV ordnet Katrin Bannach, Projektleiterin der Friedrich-Naumann-Stiftung im Südkaukasus, die Situation nach den Wahlen ein.
Katrin Bannach über… … den Vorwurf der Wahlfälschung:
Es ist schwer, dem Wahlprozess zu vertrauen – das hat die georgische Opposition ja auch schon gesagt und angekündigt, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Wir haben die Wahlen selbst beobachtet und festgestellt, dass es unheimlich schwierig ist, Wahlfälschungen überhaupt ausfindig zu machen. Der Prozess ist so gestaltet, dass es Wahlbeobachtern beispielsweise schwerfällt, bei der Verifizierung der Ergebnisse eine klare Einschätzung abzugeben. Nun wird es darauf ankommen, dass die Wahlbeobachtungsmissionen ihre Ergebnisse klar verifizieren. Das bedeutet, dass man noch einmal genau in den Auszählungsprozess einsteigen muss und vielleicht auch Stimmen und Wähler erneut miteinander vergleichen sollte. Es wird also ein langer Prozess sein, um beides zu verifizieren – sowohl das Ergebnis als auch die Behauptungen, dass diese Wahlen ungültig sein sollen.
… den Russland-nahen Oligarchen Iwanischwili und dessen Partei „Georgischer Traum“:
Er ist eng mit Russland vernetzt und fährt einen deutlich prorussischen Kurs. Dies gilt umso mehr, seit Georgien von der EU den Status eines Beitrittskandidaten erhalten hat. Dadurch hat er das Land von der EU abgewendet. Er möchte autokratisch regieren, die Opposition abschaffen und die Zivilgesellschaft verdrängen. Er kämpft gegen Pluralismus und Minderheiten. Diesen Kurs wird er jetzt weiter konsolidieren und alle Hebel dafür in Bewegung setzen.
… über einen möglichen EU-Beitritt Georgiens:
Wenn der „Georgischer Traum“ an der Macht bleibt, wonach es derzeit aussieht, gibt es dafür keine Hoffnung. Die Beziehungen zur EU sind stark zerrüttet, und die Rhetorik gegenüber der EU und den westlichen Partnern ist in den letzten Monaten sehr aggressiv geworden, sodass es schwierig wird, das wieder zu kitten und auf eine glaubwürdige Grundlage zu stellen. Wir rechnen aber damit, dass viele Menschen auf die Straße gehen, weil das Wahlergebnis nicht anerkannt wird. Dann bleibt abzuwarten, wie sich die Lage entwickelt. Es ist möglich, dass es wie bei den Demonstrationen im Mai verläuft: Die Demonstranten werden unter Druck gesetzt, es gibt eine Einschüchterungskampagne, und die Proteste verlaufen letztlich im Nichts. Es könnte aber auch sein, dass die Situation eskaliert, möglicherweise durch externe Kräfte. Falls es zu Todesfällen kommen sollte, könnte die Lage deutlich unübersichtlicher und sehr brenzlig werden. Momentan ist es schwer abzusehen, in welche Richtung sich die Situation entwickeln wird.
Katrin Bannach ist Projektleiterin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Südkaukasus mit Sitz in Tiflis. Das Interview mit Welt TV erschien am 27. Oktober 2024.