Russland
Gibt es noch Hoffnung auf Demokratie in Russland?

Der Fluss Moskwa mit Kreml in Moskau
© picture alliance / SvenSimonDer Monat Februar wurde in Russland nicht immer mit diesem lateinischen Namen bezeichnet. Es gab im Altrussischen, und gibt bis heute bei den Nachbarn im Westen (Ukraine, Belarus und Polen) die slawische Bezeichnung Лютень (Ljuten‘), von dem Adjektiv ljutyj abgeleitet und ins Deutsche übersetzt: wild, hart, grausam, kalt und eisig, für den Monat Februar.
Genauso handelt Putins Regime seit 2014 immer wieder gerade in diesem Monat:
- vor einem Jahr am 16. Februar 2024 wurde in einer russischen Strafkolonie hinter dem Polarkreis Putins mächtigster politischer Opponent Alexej Nawalny ermordet;
- am 24. Februar 2022 begann die totale russische Invasion der Ukraine;
- am 27. Februar 2015 ermordete ein tschetschenisches Killerkommando quasi im Schatten des Moskauer Kremls Boris Nemzow, den bekanntesten und lautesten liberalen Gegner des unter Putin neuentfachten russischen Imperialismus;
- ein Jahr davor begann die russische Annexion der autonomen ukrainischen Krim, indem das Parlamentsgebäude und der Flughafen der Hauptstadt Simferopol von russischen Militärs ohne Hoheitsabzeichen besetzt wurden.
Darf es auf die letzten elf Jahre rückblickend überhaupt noch eine Hoffnung auf positive Veränderungen in und für Russland geben, auf Frieden und eine gemeinsame Zukunft mit normalen, völkerrechtbasierten und zivilisierten Beziehungen zu den Nachbarn?
Irina Borogan und Andrej Soldatow – zwei russische Journalisten, Buchautoren und Experten für die Thematik der dunklen Machtgeschäfte von Putin, dessen Geheimdiensten, Armee, Rüstungssektor und Oligarchen, die selbst noch im europäischen Exil von fiesen Kreml-Repressionen geplagt werden, nehmen in dem folgenden Meinungsbeitrag das Scheitern der demokratischen Transformation in ihrer Heimat nach Auflösung der UdSSR Ende 1991 unter die Lupe. Sie blicken darin auf die Aufbruchsjahre der Perestroika und der frühen Jelzin-Präsidentschaft zurück, die Zeit ihrer Kindheit und Jugend, als sie sich dem Journalismus verschrieben haben, und darauf, wie Putin mit seinen Hardliner-Freunden allen Widerstand gegen autokratische Herrschaftsansprüche der Kreml-Kleptokratie brechen konnte.
Ohne das Störfeuer freier Medien bzw. unabhängiger Justiz konnte Putin im zweiten Tschetschenienkrieg 1999 siegen. Diesen Sieg brauchte er, um alle sich nach der Wiedergeburt des Imperiums sehnenden Russen zu begeistern, und als Präsident bestätigt zu werden. Schon damals bewies er, dass er sogar zum Massenmord an russischen Zivilisten fähig ist. Als er begann, von der sogenannten gelenkten Demokratie in und für Russland zu phantasieren, war die zarte, „lupenreine“ Demokratiephase im Lande endgültig beendet. Der Weg zur Diktatur stand ihm offen. All dies konnten Irina Borogan und Andrej Soldatow live miterleben, bis sie aus Angst vor Verhaftung ihre Heimat aufgeben mussten und ins Exil gingen.
Beide Autoren waren einmal überzeugt, ihr Russland stünde vor einem echten Neubeginn – vor der großen Chance, ein gleichberechtigter Teil der gesamteuropäischen Wertegemeinschaft zu werden. In ihrem Text gehen sie dem Aus dieses Traumes in einer sehr persönlichen Retroperspektive auf den Grund. Sie zeigen die kritischen Momente und Fehleinschätzungen auf und warnen davor, wieviel Schaden Putins Regime international anrichtet und noch anrichten kann, und wie zerstörerisch für die russische Gesellschaft und die gesamte Welt dessen heutiges, totalitäres Staatsgebilde mit signifikantem Vorbildcharakter für andere Autokratien ist.
Borogan und Soldatow lassen dennoch den Kopf nicht hängen – und tun genau das Richtige, indem sie das Geschehene analysieren und ihre Gedanken für jeden nachvollziehbar zusammenfassen. Sie bleiben als Autorenpaar auch im Exil aktiv, nutzen ihre Möglichkeiten, um zu recherchieren und all dies publik zu machen, was aus ihrer Sicht als Voraussetzung für ein besseres Morgen über Putins Russland bekannt sein muss.