„Glanzlos“ ist noch eine Verharmlosung
Perus Strafrechtssystem lässt sich nur wohlmeinend noch als „glanzlos“ bezeichnen. In Verbindung mit den umfassenden Korruptionsproblemen im gesamten Staatsapparat ist Gerechtigkeit ein schwer zu erringendes Gut. Die aktuelle Situation der Verfolgung, oder besser: der Mangel an Verfolgung von Verbrechen gegen Journalisten, ist ein Synonym für diesen Zustand. Es bestehen außerdem deutliche Unterschiede bei der Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit zwischen der Hauptstadt, Lima, und den Provinzen, in denen die Abwesenheit staatlicher Ordnung mittlerweile alarmierende Ausmaße angenommen hat.
Wie ist es aktuell um die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen gegen Journalisten im Land bestellt?
Die Umsetzung der Resolution A/RES/68/163 der Vereinten Nationen, die sich auf die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen gegen Journalisten bezieht, ist quasi inexistent. In den letzten Jahren wurde hierzu keine Gesetzgebung verabschiedet. Sollte es jedoch einmal eine Verletzung der Pressefreiheit in die Nachrichten schaffen, so folgt für gewöhnlich hektische Betriebsamkeit der Regierung, die aber letztlich keinen Fortschritt bringt. So startete die Regierung beispielsweise eine Gesetzesinitiative, um „die Informationsfreiheiten und -rechte des Volkes zu schützen", ohne jedoch auf konkrete Fälle zu reagieren.
Aktuell steht das Thema nicht auf der Tagesordnung, und die Behörden scheinen nicht daran interessiert zu sein, in dieser Hinsicht voranzukommen. Laut der Sonderberichterstatterin für die Meinungsfreiheit der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH), Edison Lanza, gibt es in Peru keinen politischen Willen, sich an internationale Standards anzupassen.
Hat sich die Lage in den vergangenen Jahren verbessert oder verschlechtert?
Zugegebenermaßen gibt es in Peru derzeit mehr Pressefreiheit als während der Regierungszeit von Alberto Fujimori. Das ist für sich genommen jedoch noch kein großer Erfolg - in den letzten Jahren gab es kaum Fortschritte zur Verbesserung der Situation. Dies zeigt sich anhand mehrerer Indikatoren: Im “Freedom oft he Press Index” von Reporter ohne Grenzen hat sich Peru auf der Rangliste von Platz 105 in 2013 auf 90 in 2015 hochgearbeitet (von 179 Ländern). Trotz dieser Verbesserung ist Peru von 2016 bis 2017 wieder um sechs Plätze gefallen. Da sich die Punktanzahl von Peru in dem Zeitraum nicht wesentlich geändert hat, ist es wahrscheinlich, dass andere Länder mit Verbesserungen in puncto Pressefreiheit „vorbeigezogen“ sind. Auch im „Freedom of the Press Index“ von Freedom House zeigt sich die Stagnation auf dem Gebiet.
Inwieweit wirkt sich die Straflosigkeit auf die Meinungs- und Pressefreiheit im Land aus?
Obgleich eine genaue Quantifizierung schwierig ist, wird deutlich, dass die Straflosigkeit eine starke Selbstzensur nach sich zieht. Wenn man bedenkt, dass zwischen 1982 und 2011 insgesamt 58 Journalisten umgebracht wurden, deren Morde nie aufgeklärt wurden, sowie drei weitere zwischen 2012 und 2016, so ist es wenig verwunderlich, dass sich Journalisten bei der Veröffentlichung kritischer Beiträge zurückhalten. Dies gilt besonders für die Provinzen. In 2015 gab es zudem einen großen Anstieg an Todesdrohungen und Fällen von Gewaltanwendung gegen Journalisten – ein Trend, der bis heute anhält.
Eine weitere wichtige Einschränkung der journalistischen Unabhängigkeit in den Provinzen – und tw. auch in der Hauptstadt – resultiert aus dem Fehlen von entwickelten Märkten. Journalisten arbeiten oft für Nachrichtenagenturen, die Geld für Werbung erhalten und wirtschaftlich häufig von staatlichen Behörden (wie z.B. den Lokal- und Regionalregierungen) abhängen. Das erschwert Kritik gegenüber den Behörden und setzt die Journalisten unter ökonomischen Druck, da ihr Lebensunterhalt davon abhängt.
Wird die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten in der öffentlichen Debatte thematisiert? Welche Organisationen setzen sich im Land gegen die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten ein?
Hier zeigen sich einige Lichtblicke. Der private Sektor, insbesondere der nationale Verband der Journalisten Perus NAJP und das Institut für Presse und Gesellschaft, betreibt ein intensives Monitoring von Morden an Journalisten, Fällen von Straflosigkeit, körperlichen Angriffen, Misshandlungen sowie allgemeinen Behinderungen der journalistischen Arbeit. Gemeinsam mit der CIDH sind sie mahnende Stimme, die immer wieder Missstände anprangert.
Obwohl es durchaus Fälle gab und gibt, in denen die Rechte von Journalisten anerkannt und durch ein Gericht verteidigt wurden, wird das Rechtssystem jedoch weitaus häufiger dazu benutzt, Journalisten zu Schweigen zu bringen und einzuschüchtern (z.B. durch Verleumdungsklagen). Der NAJP hat die systematische Anwendung solcher Beschwerden, die Angst unter den Journalisten auslösen und die Veröffentlichung von insbesondere die Korruption betreffenden Berichten verhindern, mehrmals angeprangert und die Entkriminalisierung der angeblichen „Verbrechen der Presse“ im Land verlangt.
Während der Amtszeit der der Vorgängerregierung fand ein bemerkenswerter Skandal statt. Ein peruanischer Inlandsgeheimdienst, die National Intelligence Direction (DINI), überwachte systematisch Journalisten und andere öffentlichen Persönlichkeiten der Opposition. Dies endete mit dem Rücktritt des Präsidenten des Ministerkabinetts, Ana Jara, in 2015. Trotzdem gehen nicht alle Bedrohungen der Presse vom Staatsapparat aus. Mehrere Journalisten erlitten – insbesondere in den Provinzen – körperliche Angriffe und Gerichtsverfahren, die entweder von normalen Bürger oder ehemaligen Arbeitgebern ausgingen. Auch dies beeinträchtigte und beeinträchtigt die journalistische Unabhängigkeit im Land enorm.