EN

80. Geburtstag
Günter Rexrodt: Konstruktiv und streitbar

Günter Rexrodt – „Mister Wirtschaft“ – zum 80. Geburtstag
Guenter rex
© picture alliance / photothek | Thomas Koehler  

Ob als Bundeswirtschaftsminister, Finanzsenator in Berlin, in der Privatwirtschaft oder in den zahlreichen Ämtern, die er in der FDP ausübte, Günter Rexrodt war ein überzeugter Streiter für die soziale Marktwirtschaft; er blieb immer skeptisch gegenüber einer zu starken Einmischung der Politik in wirtschaftliches Unternehmertum – ein Grundsatz, den er einmal in das Wort fasste: „Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt“.

In die Wiege gelegt war ihm der Aufstieg in die Vorstandsetagen von Politik und Wirtschaft nicht: Wie nicht wenige andere FDP-Politiker der Nachkriegszeit besaß auch der 1941 in Berlin geborene Günter Rexrodt einen liberalen Familienhintergrund verbunden mit Erfahrungen der deutschen Teilung: Sein Vater, der in der Weimarer Republik Reichsgeschäftsführer der Deutschen Demokratischen Partei war, zählte nach 1945 zu den Mitgründern der Liberal-Demokratischen Partei in Sachsen. Rexrodt wuchs, nachdem die Mutter bei einem Bombenangriff im Krieg getötet wurde, in der Familie seines Onkels im Thüringischen Arnstadt auf. Nach dem Abitur gelang ihm kurz vor dem Mauerbau 1961 die Flucht nach West-Berlin; nach einem Ergänzungsjahr zum „Ost-Abitur“ und einem Studium der Betriebswirtschaft wurde der Diplom-Kaufmann 1971 schließlich promoviert.

Viele Jahre war Rexrodt bei der Berliner Industrie- und Handelskammer tätig, unter anderem als Mitglied der Geschäftsführung, ehe er eine rasante politische Karriere erlebte: Der damalige FDP-Wirtschaftssenator Wolfgang Lüder verpflichtete ihn 1979 als Abteilungsleiter in die Senatsverwaltung. 1982 wurde Rexrodt Senatsdirektor und 1985 in der neu gebildeten Koalition von FDP und CDU schließlich Senator für Finanzen. Auch in der FDP ging es zunächst zügig voran – drei Jahre nach seinem Parteieintritt wurde Rexrodt 1983 zum stellvertretenden Berliner Landesvorsitzenden gewählt. Nach der Niederlage der FDP in den Berliner Wahlen 1989 wechselte er nach Frankfurt am Main zur Citibank, deren Vorstandsvorsitzender er wurde. Dies war aber nur von kurzer Dauer, denn bereits ein Jahr später engagierte er sich als Vorstand der Treuhandanstalt beim „Aufbau Ost“. Den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreichte er 1993, als er sich im Rennen um den – durch den Rücktritt Jürgen Möllemanns – freigewordenen Posten des Bundeswirtschaftsministers bewarb und durchsetzte. Dies mag durchaus eine Genugtuung gewesen sein, war er doch zwei Jahre zuvor noch in einer Kampfabstimmung bei der damaligen Kandidatur zum Wirtschaftsminister gegen Möllemann unterlegen gewesen.

Die fünf Jahre von 1993 bis 1998, in denen Rexrodt das Ministerium führte, waren eine prägende Zeit in der Wirtschaftspolitik mit Herausforderungen vor allem in den neuen Bundesländern und einer tiefen Rezession im Westen Deutschlands. Rexrodt plädierte für grundlegende Reformen und das Aufbrechen „arbeitsmarktpolitischer Tabus“: In einem programmatischen Papier zur „Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland“ forderte er eine Senkung der Arbeitskosten, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Kürzung der Ausbildungs- und Studienzeiten sowie eine größere Durchlässigkeit der Bildungswege, um verkrustete Strukturen aufzubrechen und Deutschland und Europa „fit für das 21. Jahrhundert“ zu machen. Privatisierung, Entbürokratisierung und Deregulierung sollten die Schlagworte seiner Amtszeit werden und sind bis heute z.B. mit der Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes und der Beendigung der Post-, Telefon- und Energiemonopole als Zäsur in Erinnerung. So war es kein Zufall, dass Rexrodt aufgrund seines klaren marktwirtschaftlichen Kurses in der Öffentlichkeit zum „Mister Wirtschaft“ wurde. Zudem machte er sich von den Wechselfällen der politischen Ämter und Mandate unabhängig, indem er die eigene wirtschaftliche Tätigkeit und Vertretung in zahlreichen Gremien und Aufsichtsräten aufrechterhielt.

Schon vor dem Ende seiner Ministerzeit hatte sich Rexrodt, inzwischen Mitglied des FDP-Bundesvorstandes und Bundestagsabgeordneter, 1994 auf den Vorsitz der von innerparteilichen Turbulenzen geschüttelten Berliner FDP eingelassen – ein Amt, von dem er bereits ein Jahr später zurücktrat: Die FDP war nach den Wahlen im Herbst 1995 mit einem denkbar schlechten Ergebnis aus dem Berliner Abgeordnetenhaus ausgeschieden. Ganz anders sechs Jahre später: Der Partei gelang 2001 der Wiedereinzug ins Parlament mit einem bis heute unerreicht hohen Anteil von knapp zehn Prozent der Stimmen – zu verdanken war dies wesentlich dem „Zugpferd“ Günter Rexrodt als erneutem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten.  

Trotz des Erfolgs wechselte Rexrodt noch im gleichen Jahr von Berlin auf die Bundesebene zurück und wurde Bundesschatzmeister der FDP sowie 2002 Mitglied im Kompetenzteam von Guido Westerwelle bei der Bundestagswahl. Als Schatzmeister oblag ihm neben der Reorganisation des Parteihaushalts noch die im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stehende Aufgabe, die finanziellen Verbindungen von Jürgen Möllemann im Rahmen der so genannten Flugblatt- und Spenden-Affäre aufzuklären. Hier erwarb sich Rexrodt in den Medien den respektablen Ruf, vom „Kassenwart zum Drachentöter“ (FAZ) geworden zu sein. In vielfältiger Hinsicht hatte er die Geschicke der liberalen Partei geprägt, war konstruktiv und streitbar für die soziale Marktwirtschaft und die Modernisierung des Landes eingetreten. 2004 ereilte ihn dann eine schwere Krankheit, an deren Folgen er verstarb. In diesem Jahr hätte er am 12. September sein 80. Lebensjahr vollendet.