Zum 90. Geburtstag
Cornelia Schmalz-Jacobsen: Mutig und liberal
Dass sie 1989 im legendären Fragebogen des FAZ-Magazins diejenigen militärischen Leistungen am meisten bewunderte, „die Freiheit gebracht haben“, war recht typisch für eine Liberale, die nicht immer den einfachsten Weg gewählt hat. 1934, heute vor neunzig Jahren, kam Cornelia Helmrich in Berlin zur Welt. Die Tochter eines Landwirtschaftsexperten und einer Simultandolmetscherin besuchte in der damaligen Reichshauptstadt die Schule. In Kindheit und Jugend erfuhr sie die NS-Herrschaft hautnah. Denn beide Eltern retteten Juden, indem sie sie u.a. in ihrem Haus versteckten. „Du wirst in der Schule Sachen hören, mit denen wir nicht einverstanden sind, aber Du musst den Mund halten!“ flößte ihr die Mutter ein. Dieses absolute Vertrauen ihrer Eltern habe sie „durchs Leben getragen“, meinte sie später. In der Endphase des Krieges wurde sie an die mecklenburgische Ostsee verschickt und erlebte das Kriegsende, den „Russensommer“, als Befreiung durch die russische Armee.
Ein aufregendes Leben: von Berlin über Perugia nach München
Nach dem Krieg legte sie ihr Abitur ab und studierte Gesang und Sprachen, zunächst in Berlin, dann aber auch in Perugia und Rom. Später wurde die geschiedene und alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen Rundfunkreporterin und arbeitete danach bei einer Tageszeitung. Inzwischen in München lebend, engagierte sie sich, die 1968 der FDP beigetreten war, kommunalpolitisch und zog als Abgeordnete 1972 in den Münchener Stadtrat ein. Als politisch aktive Frau war sie damals noch eine Ausnahme; aber gerade der Streit um die Reform des § 218 politisierte viele unmittelbar und mittelbar Betroffene. Im Stadtrat wirkte sie im Kultur-, Schul-, Gesundheits- und Bauausschuss und konnte damit ihren Interessen für Kulturpolitik, Denkmalpflege und Architektur nachgehen. 1978 kandidierte sie sogar für das Oberbürgermeisteramt und erreichte mit 5,8 % ein respektables Ergebnis. Sie war bis 1984 Vorsitzende der FDP in München, schaffte es aber nicht, die Partei vor Ort nach der „Wende“ von 1982 im Bund zu befrieden. Recht überraschend ging sie 1985 von München zurück in ihre Heimatstadt Berlin und wechselte als Senatorin für Jugend und Familie in den Senat des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU). Die Herausforderung, eine Behörde mit 600 Mitarbeitern zu führen, war enorm, aber Schmalz-Jacobsen hat sie gemeistert. Jugendarbeitslosigkeit, Drogenbekämpfung und Frauenförderung waren hier ihre vorrangigen Themen. Es war dabei ihr Anspruch, Jugendpolitik als Sozial- und Kulturpolitik zu verstehen.
Der „General“ des Grafen
Ganz offenbar hinterließ Cornelia Schmalz-Jacobsen auch in der Parteispitze einen nachhaltig positiven Eindruck, so dass sie Ende 1988, als die Parteiführung zu Otto Graf Lambsdorff wechselte, als seine Kandidatin zur Generalsekretärin der FDP gewählt wurde. Im August 1990 im Amt bestätigt, zog sie über die bayerische Landesliste in diesem Jahr erstmals in den Deutschen Bundestag ein. Im Juli 1991 folgte sie Liselotte Funcke als Ausländerbeauftragte der Bundesregierung nach. Wie ihre Vorgängerin bemühte sie sich nach Kräften um eine bessere Personal- und Finanzausstattung, zusätzliche Kompetenzen und mehr Einfluss. Sie setzte sich für ein kommunales Wahlrecht für Ausländer und für die doppelte Staatsbürgerschaft ein – womit sie damals ihrer Zeit voraus war. Auch den damals aufflammenden ausländerfeindlichen Rechtsextremismus bekämpfte sie mit nachdrücklichem Engagement und forderte eine ideologische Auseinandersetzung mit rechtsextremem Gedankengut. Zugleich gab es 1993 die schwierige Entscheidung im Bundestag für den sogenannten Asylkompromiss, dem Schmalz-Jacobsen nicht zustimmte. 1994 rückte sie ins FDP-Präsidium auf und wurde ein Jahr später eine der stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Nach weiteren vier Jahren im Bundestag verzichtete sie mit 64 Jahren aus Altersgründen 1998 auf eine erneute Kandidatur und stellte auch ihr Amt als Ausländerbeauftragte zur Verfügung.
Kulturelles Engagement
Dass sie nach dem Abschied aus der Politik auch weiterhin aktiv war und ist, zeigen ihre diversen Ehrenämter und Buchveröffentlichungen. Sie war u.a. seit 2000 Leiterin des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing und lange Jahre stellvertretende Vorsitzende des Vereins „Gegen Vergessen – für Demokratie“. Mit ihrer und der Geschichte ihrer Eltern in der Zeit des Nationalsozialismus und dem Kriegsende hat sie sich in den Büchern „Zwei Bäume in Jerusalem“ und „Russensommer“ auseinandergesetzt. Von ihren Eltern habe sie Durchsetzungskraft geerbt und die Fähigkeit, Ängste zu überwinden.
Als „liebenswürdig, aber bestimmt“ haben viele Mitstreiter Cornelia Schmalz-Jacobsen erlebt. Toleranz sei ihre Lieblingstugend und Sprachlosigkeit für sie das größte Unglück, verriet sie dem FAZ-Fragebogen. So kennt man sie bis heute: aufgeschlossen, sprachgewandt, kulturinteressiert, mutig und liberal. Sie sei neugierig auf das, was kommt; Zuversicht als liberale Grundhaltung. Wir wünschen der heutigen Jubilarin noch viele spannende und erfüllte Jahre: voller Neugier und möglichst in der Nähe ihrer Freunde.