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69 Jahre Bundeswehr
Kalter Krieg, End of History, Russlands Krieg in Europa

Am 12. November 2024 jährt sich der Gründungstag der Bundeswehr.

Am 12. November 2024 jährt sich der Gründungstag der Bundeswehr.

© picture alliance / Fotostand | Fotostand / Reuhl

Am 12. November jährt sich die Gründung der Bundeswehr zum 69. Mal – ein bedeutender Meilenstein, der uns daran erinnert, wie weit Deutschland sicherheitspolitisch gekommen ist und welche Herausforderungen uns heute erwarten. Von der umstrittenen Wiederbewaffnung in den 1950er-Jahren bis zur aktuellen Debatte über einen neuen Wehrdienst: Die Debatte über die Rolle der Bundeswehr ist aktueller denn je.

Der Beginn einer sicherheitspolitischen Ära

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lag Deutschland in Trümmern, auch militärisch. Die vollständige Entmilitarisierung war nicht nur ein Gebot der Stunde, sondern eine tiefgreifende Zäsur für die Nation. Bereits zehn Jahre später, am 12. November 1955, fiel die Entscheidung zur Wiederbewaffnung und zur Gründung der Bundeswehr. Dieser Schritt stieß auf breite Skepsis in der Bevölkerung, war jedoch entscheidend, um die junge Bundesrepublik fest in die westliche Sicherheitsarchitektur unter Führung der Vereinigten Staaten einzubinden und ihre Souveränität zu stärken. Bereits ein Jahr nach ihrer Gründung trat die Bundeswehr der NATO bei und wurde zu einem unverzichtbaren Baustein der Verteidigungsstrategie des Westens während des Kalten Krieges.

Symbolträchtiges Gründungsdatum und demokratische Grundwerte

Der 12. November ist der 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers General Gerhard von Scharnhorst. Sein Leitsatz „Jeder Bürger eines Staates ist der geborene Verteidiger desselben“ nahm das Konzept des Staatsbürgers in Uniform vorweg: Soldaten sollten nicht nur Befehlsempfänger sein, sondern eine Verantwortung gegenüber der Demokratie und Gesellschaft tragen – ein bewusster Bruch mit der Vergangenheit der Wehrmacht.

Wendepunkte: Wiedervereinigung und Auslandseinsätze

Ein weiterer prägender Moment war die deutsche Wiedervereinigung 1990 und die Integration der Nationalen Volksarmee der DDR in die Bundeswehr. Diese Zeit markierte den Beginn einer neuen sicherheitspolitischen Ausrichtung, bei der Auslandseinsätze zunehmend in den Fokus rückten. Mit der Verlagerung hin zu internationalen Missionen und Abrüstung geriet die Landesverteidigung allmählich in den Hintergrund. Die Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2011 war ein Zeichen dieser Entwicklung.

Neue Bedrohungen – neue Aufgaben

Heute, mehr als 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, sieht sich Deutschland mit neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen konfrontiert. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Europa völlig unvorbereitet getroffen und die Bedeutung einer einsatzfähigen Bundeswehr wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Der Fokus richtet sich nun verstärkt auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Deutschland hat darauf reagiert – auch wenn einige NATO-Partner weitaus mehr Engagement erwarten. Trotz erster Schritte bleibt die Modernisierung der Bundeswehr eine Mammutaufgabe, die weitere finanzielle Investitionen erfordert. Das 2022 beschlossene Sondervermögen von 100 Milliarden Euro sollte hier Abhilfe schaffen und die Modernisierung der Streitkräfte beschleunigen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Dabei sorgen Waffenlieferungen an die Ukraine weiterhin für kontroverse Debatten – nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in der Gesellschaft und innerhalb der Bundeswehr. Mit der geplanten dauerhaften Stationierung einer Brigade in Litauen setzt Deutschland ein starkes Signal für die Sicherheit seiner östlichen Partner. Doch die Umsetzung dieses Vorhabens steht noch aus, und auch hier werden weitere finanzielle Mittel dringend benötigt.

Wehrpflicht 2.0?

Inmitten dieser angespannten sicherheitspolitischen Lage wird auch die Rückkehr zu einer Art Wehrdienst intensiv diskutiert. Was derzeit als „Wehrerfassung“ in der Planung steht, könnte zu einem zentralen Thema im kommenden Bundestagswahlkampf werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat kürzlich ein abgespecktes Modell vorgestellt, das sich deutlich vom ursprünglich angedachten, an das schwedische System angelehnte, Konzept entfernt hat. Es bleibt jedoch reichlich Stoff für Debatten – gerade in einer Zeit, in der die Frage nach der Rolle und Verantwortung der Bundeswehr immer drängender wird.

Verantwortung für Sicherheit und Freiheit

Der Jahrestag der Bundeswehr-Gründung ist daher nicht nur eine historische Reminiszenz, sondern auch ein Anlass zur Reflexion über die sicherheitspolitischen Herausforderungen von heute und morgen. In einer Welt, die von geopolitischen Spannungen und Konflikten geprägt ist, bleibt die Bundeswehr ein unverzichtbarer Garant für Deutschlands Sicherheits- und Bündnispolitik. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, braucht es nicht nur Investitionen in Ausrüstung und Modernisierung, sondern auch ein Bewusstsein dafür, welche Rolle die Bundeswehr in einer freiheitlichen Gesellschaft spielt.

Denn eines ist klar: Die Sicherheit Europas – und damit auch unsere Freiheit – wird nicht allein durch Worte oder Garantien unserer transatlantischen Bündnispartner geschützt, sondern durch eine starke und einsatzbereite Bundeswehr, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.