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Iran
Iran zwischen Hoffnung und Enttäuschung

Mit Pezeshkian als Präsidentschaftskandidat hatten einige Bürgerinnen und Bürger im Iran die Hoffnung, dass er die Unterdrückung, vor allem von Frauen und Minderheiten, beenden würde.

Mit Masoud Pezeshkian als Präsidentschaftskandidat hatten einige Bürgerinnen und Bürger im Iran die Hoffnung, dass er die Unterdrückung, vor allem von Frauen und Minderheiten, beenden würde.

© picture alliance / Anadolu | Iranian Presidency/Handout

 „Es ist untragbar, dass in der Islamischen Republik ein Mädchen wegen ihres Hijabs festgenommen und später ihre Leiche der Familie übergeben wird“, erklärte Masoud Pezeshkian in Farsi auf seinem X – Account (Twitter) kurz nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die im Jahr 2022 von der Sittenpolizei     (گشت ارشاد) brutal getötet wurde. Damals Mitglied des iranischen Parlaments, forderte er eine umfassende Aufklärung der Umstände ihrer Tötung durch die Behörden.

Auch kritisierte Pezeshkian in seiner Kampagne für die Präsidentschaftswahlen im Iran nach dem Tod von Ebrahim Raisi die Regierung für ihre harte Politik gegenüber Frauen. Schließlich wurde er mit 53 % der Stimmen gewählt und am 30. Juli offiziell als Präsident der Islamischen Republik Iran vereidigt. Doch in der kurzen Zeit seit seinem Amtsantritt haben sowohl die Menschenrechtsverletzungen als auch die Konflikte im Nahen Osten, insbesondere durch die Hisbollah im Libanon, die Terrorgruppe Hamas und die Huthis im Jemen, erheblich zugenommen. Vor diesem Hintergrund beleuchtet der vorliegende Artikel die aktuelle Menschenrechtslage im Iran und die politischen Veränderungen unter seiner Führung.

Liberale Menschenrechtsarbeit 2023

Liberale Menschenrechtsarbeit

Die Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit (FNF) trägt mit mehr als 60 Büros auf der ganzen Welt zur Verbesserung der Situation bei, nicht nur im Kampf gegen Straflosigkeit, sondern unter anderem auch bei der Förderung der Rechte von Frauen und der Vielfalt. Die Stiftung unterstützt Menschenrechtsbildung für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Aktivisten und ihre Partner auf der ganzen Welt. Dieser Bericht zeigt nur einen Ausschnitt der liberalen Menschenrechtsarbeit der FNF im Jahr 2023.

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Repression als Eckpfeiler des Regimes

Mit Pezeshkian als Präsidentschaftskandidat hatten einige Bürgerinnen und Bürger im Iran die Hoffnung, dass er die Unterdrückung, vor allem von Frauen und Minderheiten, beenden würde. Dieser Eindruck von Pezeshkian entstand, weil er sich während seiner politischen Karriere in der Vergangenheit als moderat und reformorientiert dargestellt hat.

Diesen Eindruck haben viele auch von seiner Wahlkampagne gewonnen. Die jüngsten Nachrichten aus dem Land nach seiner Amtsübernahme werfen jedoch Zweifel auf die Hoffnung und führen zu Enttäuschung. Das Regime übt weiterhin Gewalt und Repression als Waffe gegen seine Bevölkerung aus, vor allem gegen Frauen und ethnische Minderheiten. Pezeshkian hat sich dazu noch nicht kritisch geäußert. Am 6. August wurde beispielsweise Reza Rasayi, ein kurdischer Aktivist, der an den Protesten im Jahr 2022 beteiligt war, heimlich im zentralen Gefängnis von Kermanshah hingerichtet und seine Familie wurde nicht über seine Hinrichtung informiert. Die Menschenrechtsorganisation  Iran Human Rights gab dies bekannt. Internationale Beobachter stufen das Vorgehen des Regimes als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein, das nach dem Völkerstrafrecht strafbar ist.

Man hatte erwartet, dass der neue Präsident sich mindestens dazu äußern würde. Doch das hat er nicht getan. Es scheint, dass sich Pezeshkian bereits in dieser kurzen Zeit an die Agenda und das System des Regimes angepasst hat, anstatt sich für die Opfer der Repression einzusetzen. Dies bewies er in seiner Vereidigungsrede: „Ich, als Präsident, schwöre vor dem heiligen Koran und dem Volk des Iran bei dem allmächtigen Gott, der Hüter der offiziellen Religion, des Systems der Islamischen Republik … zu sein“  

Zudem sind die systematische Diskriminierung von ethnischen Minderheiten und Frauen nicht einzelne Taten, sondern institutionalisiert und im Rechtssystem der Islamischen Republik Iran verankert, zu diesem Schluss kommt ein neuer Bericht der Untersuchungsmission der Vereinten Nationen über den Iran vom 5. August. Das ‚Islamische Strafgesetzbuch‘ bestraft beispielsweise die Ausübung oder Einhaltung einer Religion außerhalb des Islam. Artikel 638 des Gesetzes sieht auch vor, dass Frauen, die sich in der Öffentlichkeit ohne den islamischen Hijab zeigen, mit einer Freiheitsstrafe von zehn Tagen bis zu zwei Monaten oder einer Geldstrafe von fünfzigtausend bis fünfhunderttausend Rial ریال (bis zu ca. € 83 €) belegt werden. In der Praxis wird diese Regelung jedoch von Regierungseinheiten wie der Sittenpolizei willkürlich und gewalttätig ohne rechtmäßige Verfahren durchgesetzt.

Dies vermittelt eine klare Botschaft für die Welt, dass Pezeshkian weder die Macht noch den Willen hat, sich gegen die allgegenwärtigen Verbrechen einzusetzen. Solange das Regime in Teheran an der Macht bleibt, wird sich die Lage nicht verbessern, unabhängig davon, wer die Regierung führt. Die Staatsführer, Ali Khamenei und sein engster Kreis, entscheiden über das Leben der Bürgerinnen und Bürger im Iran.

Das alte Verhalten im neuen Kleid

Mit den Protesten unter dem Motto „Frau Leben Freiheit“ (زن آزادی زندگی) steht derzeit das iranische Regime unter erheblichem Druck, sowohl national als auch international. Dieser Druck wurde über die letzten zwei Jahre konstant aufrechterhalten. Das Land hat außerdem zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert. Dennoch erfüllt es seine Verpflichtungen nicht und begeht grausame Verbrechen, um die Menschen im Iran zum Schweigen zu bringen. Zudem gefährdet Irans Verhalten im Nahostkonflikt – insbesondere die Unterstützung der Hisbollah und der Huthis – sowie das umstrittene Atomprogramm die internationale Sicherheit. Dem Regime ist daher bewusst, dass internationale Kritik nicht nur Irans globalen Ruf durch ‚Naming and Shaming‘ schädigt, sondern auch wirtschaftliche Folgen in Form von Sanktionen und politischer Isolation des Landes hat.

Mit Pezeshkian, einem als moderat geltenden Politiker, an der Spitze der Außenpolitik scheint Ali Khamenei entlastet zu sein. Kurz nach Pezeshkians Kandidatur hat sich die Lage im Iran vorübergehend etwas beruhigt und es gab weniger Proteste. Viele internationale Beobachter vermuteten auch, dass er reformorientiert sei und die regionalen Konflikte nicht verschärfen wird. Doch sollte man sich von dieser Darstellung nicht täuschen lassen. Am 5. August empfing der neue Präsident in Teheran Sergei Shoigu aus Russland, um die strategische Partnerschaft zwischen Iran und Russland zu vertiefen. Dies bedeutet nicht nur eine verstärkte Lieferung von Shahed-Drohnen an Russland und eine Fortsetzung der Unterstützung des Kriegs in der Ukraine, sondern auch eine weitere Verstärkung der autoritären Verbindung gegen die weltweite Demokratie und den Westen - und das ist alarmierend.

Kritik und Druck: der einzige Umgang mit dem Regime

Solange das Regime an der Macht bleibt, sollten Demokratien weitere Druckmittel gegen die Mullahs einsetzen. Dies erfordert nicht nur die Unterstützung der Stimmen im Exil, die gegen die Unterdrückung in Iran kämpfen, sondern auch die Dokumentation der Verbrechen im Iran und gezielte Sanktionen gegen die Entscheidungsträger des Regimes. Da Javad Zarif, der ehemalige Außenminister und Loyalist der islamischen Revolution, weiterhin als strategischer Vertreter von Pezeshkian eine zentrale Rolle in der Außenpolitik spielen wird, sollte klar sein, dass sich die Handlungen Irans international nicht ändern werden, selbst wenn das Land zunächst eine diplomatische und gemäßigtere Rhetorik verwenden wird.