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Klima
Klimadebatte muss vernünftiger werden

Fragwürdig ist eine zunehmende Tendenz zu regulierenden Einzelmaßnahmen
Paqué
Karl-Heinz Paqué © Photothek / Thomas Imo

Es war ein heißer Juli. Nicht nur das Wetter brachte hohe Temperaturen, sondern auch die klimapolitische Debatte. Kein Wunder nach den beeindruckenden Fridays for Future-Demonstrationen, die einen Monat zuvor kurz vor den großen Ferien ihren Höhepunkt erreichten.

Grundsätzlich gilt: Die Debatte ist wichtig und wünschenswert. Wir müssen uns in Deutschland endlich Gedanken machen, wie wir die Energie- und Klimapolitik so gestalten, dass wir wenigsten die 2015 festgelegten Pariser Klimaziele erreichen. Fragwürdig ist allerdings eine zunehmende Tendenz zu dem, was man mit etwas Selbstironie als „moralisierende Kleinteiligkeit“ bezeichnen könnte: Jeder sucht sich einen einzelnen Bereich als Zielgröße von Wünschen nach Beseitigung und Verboten heraus, der ihm nach eigener Moralvorstellung politisch gut in den Kram passt.

Jüngste Beispiele liefern Robert Habeck von der Grünen, der gerne bis 2035 alle Inlandsflüge in Deutschland einstellen würde, und Markus Söder von der CSU, der als bayerischer Ministerpräsident ein Verbot von Einweg-Plastiktüten ankündigt. Bei beidem fragt man sich, was das soll. Habecks Forderung würde, selbst wenn verwirklicht, nur etwa 2,5 Prozent aller CO2-Emissionen treffen, müsste aber einhergehen mit einem ungeheuer schnellen und massiven Ausbau des heute schon voll ausgelasteten Schienennetzes, um zumindest den Geschäftsverkehr in Deutschland aufrecht erhalten zu können. Wie die ökologische Gesamtbilanz dann aussähe, ist völlig offen – von dem oft grün geschürten Widerstand gegen den Ausbau der Infrastruktur vor Ort ganz zu schweigen.

Ähnlich fragwürdig ist die Söder-Initiative: Fachleute selbst des ökologisch unverdächtigen Naturschutzbundes NABU sind sich völlig einig, dass ein Ersetzen von Plastiktüten durch Zellstoffverpackungen keineswegs zu einer Verminderung des CO2-Fußabdrucks im Einzelhandel führen muss. Es hängt alles davon ab, welche Tüten länger verwendet und wie sie hergestellt werden, und ob sie mit vertretbarem Einsatz von Energie recyclingfähig sind. Das Beste wäre die Wiederverwendung langlebiger Taschen, die von den Kunden stets von zu Hause mitgebracht werden – also möglichst gar keine Tüten mehr! Allein die vermeintlich bösen Plastiktüten zu verbieten verschiebt das Problem, löst es aber nicht.

Kurzum: Unvernunft, wo man nur hinschaut. Gemeinsam ist den Habeck- und Söder-Ideen, dass sie vielleicht das Gewissen des Einzelnen beruhigen, mehr aber auch nicht. Der Schlüssel zur vernünftigen Lösung liegt eben nicht im Verbieten, Verhindern oder Verteuern einzelner Sündenbock-Produkte, sondern in einem Gesamtkonzept, das überall in der Wirtschaft die Emission von CO2 in gleichem Ausmaß verteuert und den Ausstoß auf das gewünschte Mengenziel reduziert. Über die beste Lösung lässt sich dann streiten: Festlegung einer maximalen Ausstoßmenge an CO2 für die Gesamtwirtschaft und Handel mit Emissionszertifikaten, wie es die FDP favorisiert, oder Einführung einer einheitlichen CO2-Steuer, wie sie andere fordern.

Genau darüber sollte diskutiert und gestritten werden. Aber bitte nicht über eine Fülle von regulierenden Einzelmaßnahmen. Die haben wir im Übrigen doch auch längst. Und genau daran krankt ja die bisherige Energie- und Klimapolitik in Deutschland. Was hat es nicht alles schon gegeben: der beschlossene Atomausstieg, der avisierte Kohleausstieg, die massive Einzelförderung ausgewählter regenerativer Energien via EEG, der lange währende Diesel-Hype, der nun ins Gegenteil umgeschlagen ist. Dies waren Weichenstellungen, die von emotionsgeladenen Ängsten und technologischen Wunschbilder der jeweils dominierenden Techniker angetrieben wurden. Im Ergebnis führten sie dazu, dass 20 Jahre nach Beginn der klimapolitischen Weichenstellungen die deutsche Welt voll ist von Windrädern, Fotovoltaik-Dächern und SUVs, aber die Klimaziele rundweg verfehlt werden und junge Menschen im Protest auf die Straße gehen. Also bitte, liebe Politik: mehr Verstand, weniger Moral.

 

Karl-Heinz Paqué (62) ist Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Professor für Volkswirtschaftslehre.