Krieg in Europa
Krieg und Klassenzimmer
Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen stehen in diesen Tagen vor der Herausforderung, wie mit Kindern und Jugendlichen über Krieg gesprochen werden kann.
Putins Krieg erzeugt unaussprechliches Leid. Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen müssen diesen Konflikt dennoch in Worte fassen, denn Kinder und Jugendliche spüren die Sorge der Erwachsenen, sehen die Bilder aus der Ukraine oder sind aufgrund persönlicher Kontakte sogar direkt betroffen. Schon in Friedenszeiten ist es kaum möglich, Heranwachsende vor Gewalt- und Kriegsdarstellungen abzuschirmen – während eines echten Krieges in Europa ist dies unmöglich, denn die Nachrichten sind überall. Eine Vielzahl an Ratgebern, von der UNICEF bis zum Kinderkanal, bietet daher wertvolle Hinweise, wie über den Krieg gesprochen werden kann. Gleichzeitig muss allerdings auch neu darüber nachgedacht werden, wie Sicherheitspolitik altersgerecht in der Schule vermittelt werden kann. Die Überlegung der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, die Jugendoffiziere der Bundeswehr miteinzubinden, weist hier in die richtige Richtung.
Ob in der Tagesschau oder auf TikTok: Putins Krieg ist auch im Kinderzimmer präsent. In den vergangenen Wochen wurde daher intensiv darüber diskutiert, wie zu Hause oder in der Schule über diesen Krieg gesprochen werden kann. Das Deutsche Schulportal führte beispielsweise ein Q&A Live-Panel mit Expertinnen und Experten durch, verschiedenste Fernsehsender stellten eigenes Material bereit und die Servicestelle Kinder- und Jugendschutz veröffentlichte sogar Hinweise in Fremdsprachen, darunter Polnisch, Ukrainisch und Russisch. Die Fachleute sind sich dabei einig, dass der Krieg aktiv angesprochen und die Sorgen der Kinder ernst genommen werden sollten, da die ungefilterten medialen Eindrücke sonst nicht eingeordnet werden können.
Eigene Ängste – beispielsweise vor einer nuklearen Eskalation – sollten dagegen weitestgehend ausgeblendet werden. Stattdessen sollten altersgerechte Beispiele gewählt werden. Auch das Vermitteln von Medienkompetenz – zum Beispiel beim Umgang mit Desinformation – spielt eine wichtige Rolle, denn gerade die sozialen Netzwerke sind ein besonderes Objekt staatlich-russischer Propaganda. Besondere Sensibilität ist dabei von den Lehrkräften gefordert, die in ihrer Klasse Kinder mit familiären Bindungen nach Russland oder in die Ukraine haben. Wie der Bundesverband russischsprachiger Eltern richtigerweise betont, dürfen keine Kinder für den Putin’schen Angriffskrieg verantwortlich gemacht werden und muss auf mögliches Mobbing schnell reagiert werden.
Gleichzeitig stellen sich aber auch strukturelle Herausforderungen. Dies betrifft in erster Linie die Aufnahme und Integration von möglicherweise hunderttausenden Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine. Nicht nur auf die Lehrkräfte und die schulpsychologischen Beratungsstellen, sondern auch auf die Schulträger kommt hier eine enorme Aufgabe zu. Darüber hinaus zeigt Putins Krieg allerdings auch, dass die Vermittlung sicherheitspolitischer Kenntnisse einen festen Platz im Klassenzimmer haben sollte. Die verstärkte Einbeziehung der Jugendoffiziere der Bundeswehr, wie sie nun Bettina Stark-Watzinger vorgeschlagen hat, ist daher genau richtig. Bereits seit 1958 sind Jugendoffiziere ein wichtiger Pfeiler der politischen Bildung in Deutschland, indem sie beispielsweise mithilfe von Planspielen das Bewusstsein für globale Konfliktlagen schärfen.
Angesichts der Bedeutung der Bundeswehr für den Schutz der europäischen Demokratien ist es nachgerade beschämend, dass in den vergangenen Jahren Schulen sogar dafür ausgezeichnet worden sind, dass sie ihre Tore vor Vertreterinnen und Vertretern der Parlamentsarmee verschlossen haben. Hier ist in letzter Instanz auch ein Kulturwandel nötig, der den Gedanken der wehrhaften Demokratie wieder in den Mittelpunkt stellt. Hierzu gehört auch ein Verständnis für die Sicherheitsbedürfnisse der östlichen Nachbarländer wie den baltischen Staaten oder Polen, welches beispielsweise im Geschichts- oder Politikunterricht vermittelt werden könnte.