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Sicherheitspolitik
Nato-Gipfel: Erfolglose Trump-Show

3 Fragen an unseren Experten Sebastian Vagt zum NATO-Gipfel
NATO-Gipfel 2018 in Brüssel
NATO-Gipfel in Brüssel © CC BY 4.0 /Адміністрація Президента України

Drohungen, Erpressungen, Chaos: Der Nato-Gipfel endete in Verwirrung. Unser Experte für Sicherheitspolitik, Sebastian Vagt, hat den Gipfel in Brüssel mitverfolgt und beantwortet für Freiheit.org die wichtigsten Fragen.

Präsident Trump hat im Vorfeld des Gipfels die NATO-Partner stark attackiert. Es gab Befürchtungen, dass Präsident Trump den Gipfel „platzen“ lassen würde. Jetzt ist es doch zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung gekommen. Auf welche Ergebnisse konnte man sich einigen?

In der unterzeichneten Abschlusserklärung bekennen sich alle 29 Staats- und Regierungschefs, d.h. auch der amerikanische Präsident Donald Trump, zum gegenseitigen militärischen Beistand und zur systematischen Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben. Unter den insgesamt 79 Punkten findet sich außerdem die Erklärung, dass die Allianz ihre Anstrengungen zur Etablierung einer wirksamen Abschreckung gegenüber Russland („verstärkte Vorwärtspräsenz“) auf Rumänien ausweiten möchte. Damit versucht sie, ihren Einfluss in der Schwarzmeer-Region auszubauen, die für Russland wegen seiner Schwarzmeerflotte von großer strategischer Bedeutung ist. Der zunehmenden Instabilität in Nordafrika und im Nahen Osten möchte die NATO mit neuen Krisenpräventionsmechanismen unter dem Titel „Framework for the South“ begegnen. Und schließlich enthält das Dokument auch eine formelle Einladung zu Beitrittsgesprächen an die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, die nach der Einigung im Namensstreit mit Griechenland bald das 30. Mitglied der Allianz werden könnte. Die Ergebnisse dieses Gipfels bekräftigen im Wesentlichen die grundlegenderen Beschlüsse, die bereits 2014 in Wales und 2016 in Warschau getroffen wurden. Donald Trump hätte den Gipfel auch nach Unterzeichnung der Abschlusserklärung noch fast platzen lassen, als er drohte, die USA könnten „ihr eigenes Ding“ machen, sollten die Alliierten nicht sofort mehr Geld für Verteidigung ausgeben. So wird dieser NATO-Gipfel vor allem als große Zitterpartie für alle überzeugten Transatlantiker auf beiden Seiten der Allianz in Erinnerung bleiben. 

Vor allem Deutschland wurde hart von Trump angegangen. Er bezeichnete die Bundesrepublik u.a. als einen „Gefangenen Russlands“, wegen der Gaslieferungen aus dem Land. Hatte Trump mit seiner Kritik an Deutschland Erfolg

Nein. Erstens hat Bundeskanzlerin Merkel zu Recht darauf verwiesen, dass Deutschland bei den Verteidigungsausgaben bereits eine Kehrtwende eingeleitet hat und die Beiträge eines Landes zur Sicherheit des Bündnisses außerdem nicht nur in Geld, sondern auch in militärischen Fähigkeiten und Truppenentsendungen (cash, capabilities and contributions) gemessen werden sollten. Hier steht Deutschland als zweitgrößter Truppensteller im Afghanistan-Einsatz und Führungsnation der NATO-Präsenz in Litauen nicht so schlecht da. Zweitens haben andere Verbündete sich dieser Kritik offenbar nicht angeschlossen. Im Übrigen wäre eine schlagartige Erhöhung der Verteidigungsausgaben auch gar nicht sinnvoll. Bevor militärisches Gerät beschafft werden kann, muss es zunächst entwickelt und produziert werden, das dauert meist Jahre. Eine schrittweise Erhöhung wird diesem Zusammenhang gerecht und schafft Planbarkeit. Möglicherweise misst Präsident Trump den Erfolg seiner undiplomatisch und bevorzugt vor Kameras vorgetragenen Kritik aber auch eher an der Reaktion seines Publikums in der Heimat.

Eines der großen Themen des Gipfels war das Verhältnis zwischen NATO und der im Aufbau befindlichen EU-Verteidigungsunion. Konnten die EU-Partner die Befürchtungen, dass in Europa ein Konkurrent zur NATO aufgebaut würde, entkräften?

Von amerikanischen Senatoren war am Rande des NATO-Gipfels zwar zu hören, dass die von der Europäischen Union angestrebte „strategische Autonomie“  wie ein Scheidungswunsch klinge; doch gleichzeitig scheint man in Washington die europäischen Bemühungen um eine effektivere Verteidigungszusammenarbeit immer noch als unzureichend und den Begriff der strategischen Autonomie als reine Rhetorik zu empfinden. Das dürfte auch Donald Trump so sehen, der Europa ja gerade für seine Unselbständigkeit kritisiert. Grundsätzlich gilt für die Zusammenarbeit der NATO und der EU auch in Zukunft eine Aufgabenteilung, wonach die NATO für sämtliche Angelegenheiten der Abschreckung und der Bündnisverteidigung zuständig bleibt. Und hier sind es eher die Europäer, die den zurückliegenden NATO-Gipfel mit Befürchtungen verlassen. Präsident Trump hat binnen weniger Stunden erst sein Bekenntnis zur Bündnisverteidigung bekräftigt, dann die Mitgliedschaft der USA in der NATO indirekt infrage gestellt und schließlich die Allianz als „gut geölte Maschine“ gelobt. Dieser rhetorische Schlingerkurs führt in Europa zu tiefster Verunsicherung, gerade bei den mittel- und osteuropäischen Allianzpartnern und führt mittelfristig vielleicht sogar dazu, dass Europa den Wunsch nach strategischer Autonomie versucht in die Tat umzusetzen. 

Sebastian Vagt leitet den Expert Hub für sicherheitspolitischen Dialog der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Brüssel