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"Putin singt das Lied der Stabilität"

Unser Moskauer Büroleiter kommentiert die jährliche Pressekonferenz des russischen Präsidenten

Der russische Präsident Wladimir Putin hat letzte Woche in einer Fahrzeugfabrik in Nischni Nowgorod, wie erwartet, seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im März 2018 erklärt. Zu seiner jährlichen Pressekonferenz am heutigen Donnerstag haben sich deshalb 1640 Journalisten registriert – eine Rekordzahl. freiheit.org sprach mit Julius von Freytag-Loringhoven, Leiter des Moskauer Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, über die heutige Pressekonferenz des russischen Präsidenten.

Was war Putins zentrale Botschaft?

Wie viele andere Zuhörer erwartete ich Antworten auf die Fragen nach der Agenda Putins für 2018. Da wichtige Oppositionelle nicht zugelassen sind und die Medien größtenteils unter staatlicher Kontrolle stehen, wird er im kommenden Jahr voraussichtlich, wie geplant, mit großer Mehrheit wiedergewählt. Putin singt das Lied der Stabilität, um seine Legitimität für die Wahl zu erhöhen. Er gibt Probleme zwar zu, behauptet aber auch, dass das Land in nahezu allen Bereichen bereits auf dem richtigen Weg sei.

Wie interpretieren Sie seinen Kommentar zur Opposition, sie hätte kein überzeugendes Programm? Was hat seine Erklärung, als "unabhängiger" Kandidat anzutreten, zu bedeuten?

Putin ist für seinen Sarkasmus bekannt. Er macht der Opposition Vorwürfe, sie sei programmatisch schwach  und, dass es ja wohl nicht sein Job sei, die eigene Konkurrenz stark zu machen. Wenn man aber selbst ein System der politischen "Alternativlosigkeit" geschaffen hat - ein zentralisiertes System seiner "Vertikale der Macht" – wirkt das unglaubwürdig. Gleichzeitig hat er verstanden, dass die Partei der Macht "Einiges Russland" über die letzten Jahre an Zustimmung in der Bevölkerung verloren hat. Sie ist ein Sinnbild von Korruption und Abgehobenheit der politischen Eliten. Deswegen tritt er als "Unabhängiger" an, lässt sich aber von allen Machtorganen dabei unterstützen.

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Die Journalistin und Präsidentschaftskandidatin Ksenia Sobtschak hat Putin in der Fragerunde auf Alexei Nawalny angesprochen und gefragt, warum dem bekannten Oppositionellen die Teilnahme an der Wahl verwehrt wurde. Viele Beobachter spekulieren über die Ernsthaftigkeit ihrer Kandidatur. Wie schätzen Sie ihre Frage ein?

Ich muss zugeben, dass ich die Bedeutung ihrer Kandidatur zuerst unterschätzt habe. Sie nutzt ihre Kandidatur und, dass sie im Gegensatz zu anderen Kandidaten der Opposition ins Staatsfernsehen eingeladen wird, um wichtige Themen anzusprechen. Die Frage nach Nawalny ist sehr wichtig für die Frage der Legitimität der Wahl im Allgemeinen. Putin hat darauf überraschend scharf und gereizt reagiert. Er sei ja für politische Konkurrenz, aber dulde keine Radikalen. Außerdem betonte er, dass die Russen keinen Maidan wollten.

Wie interpretieren Sie seine Kommentare zur Außenpolitik? Er hat ja Trump gelobt und russische Friedlichkeit verkündet.

An Trump hat er eindeutig ein freundschaftliches Signal gesendet, indem er dessen erfolgreiche Politik lobte und Vorwürfe gegen ihn als Falschnachrichten deklarierte. Gleichzeitig beschwor er jedoch in vielen anderen Kommentaren die USA als Feind - sei es wegen der Stationierung von Mittelstreckenraketen in Osteuropa oder als Macht hinter dem Dopingskandal des russischen Olympiateams. Eine große Veränderung in der Außenpolitik kann man deshalb vorerst nicht erwarten.

Analytiker weisen oft auf den Zusammenhang zwischen russischer Wirtschaftsleistung und Außenpolitik hin. Sie sagen, dass sinkende Wirtschaftsleistung durch außenpolitische Erfolge kompensiert werde. Stimmen Sie dem zu und wie geht es mit der Wirtschaft weiter?

Wenn der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Außenpolitik so eindeutig wäre, wäre Russland berechenbarer. Putin setzt aber immer auch auf Unberechenbarkeit und Überraschung, um taktische Siege zu erringen. Tatsächlich geht es in der Wirtschaft, wie er heute betonte, wieder milde aufwärts, aber die Angst aller Beobachter ist, dass deswegen wieder wichtige Reformen im Dienste von Rechtsstaat, politischer Konkurrenz und Marktmechanismen zur Erhaltung der scheinbaren Stabilität verschoben werden.

Julius von Freytag-Loringhoven ist Leiter des Stiftungsbüros in Moskau.