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Schaut nach Trier

Best practice in asylgerichtlichen Verfahren
Aktenstapel
© CC0/ pixabay ceskyfreund36/ bearbeitet

Im ersten Halbjahr 2017 wurden in Deutschland deutlich mehr Asylerstanträge beschieden, als in allen anderen 27 Mitgliedsstaaten der EU zusammen. Weil gleichzeitig immer häufiger dagegen geklagt wird, ruft das die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf den Plan. Diese funktioniert in Rheinland-Pfalz besonders gut.

Nach übereinstimmenden Medienberichten entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über immer mehr Erstanträge auf Gewährung von Asyl- und Flüchtlingsschutz. Auch die Klagen über diese Entscheidungen nehmen erheblich zu. Hintergrund ist, dass sich an den zugebilligten Asylstatus unterschiedliche Rechtsfolgen anschließen. Bestimmendes Thema in  diesem Kontext ist zurzeit ohne Frage der Familiennachzug. Seit zwei Jahren und bis zum 16. März 2018 ist er für die Gruppe der sogenannten subsidiär Schutzberechtigten (§ 4 AsylG) durch eine Ausnahmeregel (§ 104 Abs. 13 AufenthG) ausgesetzt. Mindestens bis dahin dürfen sie, anders als anerkannte Flüchtlinge (§ 3 AsylG), ihre Kernfamilie nicht nachholen. Kernfamilie, das sind Ehepartner und Kinder, im Fall minderjähriger Flüchtlinge die Eltern.

Ob ein Antragsteller als Flüchtling, subsidiär Schutzberechtigter oder aber auch gar nicht als schutzbedürftig anerkannt wird, entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beziehungsweise, wenn diese erste Behördenentscheidung angefochten wird, ein Verwaltungsgericht. Davon gibt es insgesamt 51 in Deutschland, mindestens eins in jedem Bundesland, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sogar je sieben. Üblicherweise entscheidet jedes dieser Verwaltungsgerichte auch über Asyl- und Flüchtlingsfragen. Momentan macht das wegen der, infolge massiver Personalaufstockung im Jahr 2016, hohen Entscheidungszahlen des BAMF (und ihrer Anfechtungen) gar den Alltag an deutschen Verwaltungsgerichten aus.

In Rheinland-Pfalz entscheidet hingegen nur eines der vier Verwaltungsgerichte über solche Fragen. Denn seit 2010 sind alle Asylverfahren bei dem Verwaltungsgericht Trier konzentriert. Das funktioniert erstaunlich gut, sodass das Landesjustizministerium konsequent daran festhält. Im Jahr 2016 betrug die durchschnittliche Erledigungsdauer eines verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 9,3 Monate, in Rheinland-Pfalz 3,6. Eine Asylentscheidung in der Hauptsache dauert deutschlandweit durchschnittlich 6,6 Monate gegenüber 2,2 Monaten am Verwaltungsgericht Trier. Ein Befund, der sich bei der Erledigungsdauer im vorläufigen Rechtsschutz bestätigt. 0,4 Monate braucht es in Rheinland-Pfalz für eine vorläufige Asylentscheidung, 1,1 Monate im Bundesdurchschnitt. Keine Landesjustiz ist in der Verwaltungsgerichtsbarkeit schneller.

Doch was sind die Komponenten dieses Erfolgsmodells und taugt es als Vorbild für andere Bundesländer? „Jein“, ist die differenzierte Antwort. Im Ergebnis sorgt das zuständige Justizministerium in Mainz für gedeihliche Voraussetzungen; der Erfolg ist jedoch ein Produkt richterlicher Selbstorganisation. Wegen der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Richter (Artt. 92, 97 GG) sind die Einflussmöglichkeiten – zu recht – sehr begrenzt. Eine einheitliche Gerichtsorganisation oder gar Entscheidungspraxis lässt sich nicht „von oben“ verordnen. Die Einflussmöglichkeiten beschränken sich im Wesentlichen darauf, die Zuständigkeit für Verfahren aus bestimmten Rechtsgebieten bei einem Gericht zu konzentrieren (siehe z.B. § 3 Abs. 6 Gerichtsorganisationsgesetz Rheinland-Pfalz) und für eine ausreichende und vor allem passende Personalbestückung zu sorgen. Hierbei ist ein gutes Händchen der Personalabteilungen gefragt. Denn wie einmal ernannte Richter ihre Arbeit aufteilen und erledigen, das ist ihre Sache.

Am Verwaltungsgericht Trier werden Asylverfahren, soweit zulässig, nur durch einen Einzelrichter und nicht in Kammerbesetzung entschieden. Um divergierende Einzelrichterentscheidungen innerhalb einer Kammer zu vermeiden, legen sich die Richter einer Kammer im Vorhinein auf gemeinsame Grundzüge fest. Ob beispielsweise ein aus Syrien stammender Kläger Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz erhält, wird einheitlich beantwortet. Diese kammerinterne Abstimmung wird dadurch erleichtert, dass schon die verschiedenen Kammern innerhalb des Gerichts nach Herkunftsstaaten organisiert sind. Und auch kammerübergreifende Fragen lassen sich an der Mosel wohl in den in Justizkreisen berühmt-berüchtigten Kaffeerunden lösen. Am Verwaltungsgericht Trier nehmen 10 neue Richterinnen und Richter ihre Arbeit auf. Hoffentlich trinken auch sie gerne Kaffee.