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Verkehrte Welt – Zwischen G7-Debakel und Singapur-Spektakel

US-Präsident Trump zeigt seinen Verbündeten der G7 die kalte Schulter
Trump

US-Präsident Trump gefällt sich in seiner ambivalenten Rolle - mal als Zerstörer, mal als Friedenstaube

© U.S. Department of State

Immer wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, kommt von irgendwo ein Trump-Tweet her. Auf dem Weg zum historischen Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un zog der U.S.-Präsident gerade mal drei Stunden nach dem Ende des Gipfels live aus der Air Force One seine Zustimmung zur gemeinsamen Abschlusserklärung per Twitter zurück. Zeit und Ort seiner Ankündigung hätten paradoxer nicht sein können. Seinen Verbündeten zeigt er die kalte Schulter und plant gleichzeitig eine Charmeoffensive bei U.S.-Gegnern in Singapur. Während Trump sich im Vorfeld seiner – wie von ihm bezeichneten – „Friedensmission“ äußerst enthusiastisch zeigte, ähnelte das vergangene Treffen der G7 eher einem unangenehmen Pflichtbesuch bei den Schwiegereltern.

Das Gipfeltreffen in Kanada stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Nachdem die Trump-Administration Anfang Juni Strafzölle gegen die EU, Kanada und Mexiko verhängt hatte, war die Stimmung ohnehin schon mehr als angespannt. Auf dem Weg nach Charlevoix folgte unverzüglich der nächste Trump’sche Streich: Der U.S.-Präsident forderte die Wiederaufnahme Russlands in den Kreis der führenden Industrienationen und erwischte seine Verbündeten damit auf kaltem Fuß. Auch Trumps Auftritt auf dem Gipfel sprach Bände: Erst traf er verspätet ein, dann ließ er bei einer Arbeitssitzung zum Thema Geschlechtergleichstellung auf sich warten und reiste schließlich auch noch früher ab. Zum ersten Aufeinandertreffen mit Kim Jong Un wollte er natürlich nicht zu spät kommen. Trotz der holperigen Rahmenbedingungen verbreitete sich für kurze Zeit doch noch Optimismus in Charlevoix. Es sah ganz so aus, als würden Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, das Vereinigte Königreich und Kanada gemeinsam mit den USA, trotz großer inhaltlicher Differenzen bei den Themen Handel, Iran und Klimaschutz, eine Abschlusserklärung unterschreiben. Man einigte sich schließlich unter anderem auf die Notwendigkeit eines „freien, fairen Handels zum gegenseitigen Nutzen.“ Doch der Höhepunkt der Trump-Show – oder wollen wir es lieber Tiefpunkt nennen – stand der Gruppe der Sieben noch bevor.

Am Ende des Gipfels kündigte Premierminister Trudeau in einer Pressekonferenz kanadische Gegenmaßnahmen gegen die U.S.-Strafzölle auf Stahl und Aluminium an. „Kanadier sind höflich und vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumschubsen", lauteten Trudeaus klare Worte. Es folgten Trumps Rückzug aus der Abschlusserklärung sowie ein Tobsuchtsanfall auf Twitter, in welchem er die zu geringen Verteidigungsausgaben der NATO-Verbündeten anprangerte. Dass sich die USA, die in gewisser Weise als Einberufer der G7 gelten, von den anderen Nationen abkapseln, ist beispiellos und symbolisiert den Sinkflug, auf dem sich die Atlantische Allianz zu befinden scheint.

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Besorgtes Medienecho, Lob von den engsten Vertrauten

Die amerikanische Presse sowie Außenpolitikexperten zeigen sich zunehmend besorgt über die zahlreichen Alleingänge der USA seit der Amtsübernahme Trumps. In der New York Times warnt Kolumnist David Leonhardt: „Trump versucht den Westen zu zerstören.“ Gäbe es einen U.S.-Präsidenten, der an einem geheimen, detaillierten Plan zur Zerstörung der Atlantischen Allianz arbeitete, dann würde dieser Plan auffällige Ähnlichkeiten mit Trumps Verhalten haben. Seine Kollegin Ana Swanson bemerkt: „Trump stellt die globale Handelsordnung auf den Kopf, die die USA aufgebaut hat.“ Das System habe zwar Probleme, es sei aber in keiner Weise unfair gegenüber den USA, die schließlich die Regeln sowie Ausnahmen als Hegemon gesetzt hätten. In der Washington Post resümiert Außenpolitikexperte Max Boot, dass Trump in den letzten Wochen einen riesigen Schritt hin zur Zerstörung des globalen Systems, das die USA nach 1945 geschaftt haben, gesetzt hätte: „Trump macht aus der G7 eine G6 versus G1.“ Unter dem Titel „Zerstörung ist nicht genug“ fordert die Redaktionsleitung des Wall Street Journal, dass Trump früher oder später zu einer besseren Weltordnung beitragen müsse, anstatt nur daran zu arbeiten, die alte zu zersprengen.

Konservative Nachrichtensender wie Fox News lobten den U.S.-Präsident für seinen Auftritt in Kanada. So schreibt Steve Hilton: „Die Eliten schreien auf, dass Trumps Kritik an der G7 beispiellos sei. Aber genau das ist ja der Sinn von Trumps Politik.“ Der Präsident sollte sehr zufrieden mit sich sein. Wird man von all seinen Kritikern in gleicher Weise angegriffen, wüsste man schließlich, dass man was erreicht hat. Auch das umstrittene – weil rechtspopulistische – Nachrichtenportal Breitbartnews feiert den Präsidenten mit der Überschrift: „Trump gibt Globalisten einen Meisterkurs in seiner ‚America First‘ Politik.“

Während es sowohl unter Demokraten als auch unter Republikanern Kritiker von Trumps Ankündigung gibt, stärken ihm seine engsten Vertrauten den Rücken. Sein Wirtschaftsberater Larry Kudlow unterstellt Trudeau, dass er Trump mit der Androhung von Strafzöllen im Vorfeld des Treffens mit Kim Jong Un gezielt schwächen wollte. „Er hat uns das Messer in den Rücken gestoßen", sagte Kudlow auf CNN. Die Kommentare von Trumps Handelsberater Peter Navarro gingen noch einen Schritt weiter: „Für ausländische Regierungschefs die Diplomatie mit bösen Absichten betreiben und dann versuchen, Präsident Trump auf dem Weg nach draußen in den Rücken zu stechen, gibt es einen besonderen Platz in der Hölle“, äußerte Navarro in einem Interview mit Fox News.

#EuropeUnited als Antwort auf #AmericaFirst

Der G7-Eklat ist vor allem ein Schlag für Europa, allen voran Deutschland und Frankreich, für die eine Beilegung der Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und den USA bereits in greifbarer Nähe schien. Angesichts der jüngsten Hiobsbotschaft der Trump‘schen Twitterdiplomatie demonstriert europäische Partner auf der anderen Seite des Atlantiks nun Einigkeit.

Aus Sicht der EU-Mitgliedstaaten sowie den EU-Institutionen gelten die Vereinbarungen der Abschlusserklärung weiterhin – notfalls auch ohne die USA. „Pacta sunt servanda - Die Verträge sind einzuhalten“, kommentierte der Chef-Pressesprecher der Europäischen Kommission. Ähnlich wie nach der Aufkündigung des Iran-Abkommens versucht die EU erneut, die verbleibenden Partner am Verhandlungstisch zu behalten. „Europäische Werte wie Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte sowie eine regelbasierte internationale Ordnung sind nicht verhandelbar”, hieß es weiter aus Brüssel. Als Antwort auf Navarro bedachte Ratspräsident Tusk Premier Trudeau für die Organisation des G7 sogar mit „einem besonderen Platz im Himmel“.

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Aus Paris, Berlin und anderen europäischen Hauptstädten kamen ähnliche Töne. „Präsident Trump hat in Charlevoix gesehen, dass er einer geeinten Front gegenüberstand. Sich beim Konzert der Nationen nun isoliert wiederzufinden, widerspricht der U.S.-amerikanischen Geschichte“, kommentierte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Auch im heimischen Elysée-Palast versucht man sich an einer kollektiven Schadensbegrenzung: "Die internationale Zusammenarbeit kann nicht von Wutausbrüchen oder Beschimpfungen abhängen. (…) Wer auch immer diesen Absprachen den Rücken zukehrt, zeigt Zusammenhanglosigkeit und Unhaltbarkeit.“

Theresa May, die von Trump während des Gipfels trotz der betont „engen Zusammenarbeit“ mit auffallend wenig Aufmerksamkeit bedacht wurde, wertete den Alleingang der USA der Form halber als „nicht gerechtfertigt“ und mahnte zugleich eine „verhältnismäßige“ Antwort der EU an. Dies hat auch strategische Gründe, da Großbritannien zwar ebenfalls von den US-Strafzöllen betroffen sein wird, das Land im Gegensatz zu den anderen EU-Partnern nach dem Brexit stärker auf die USA angewiesen ist. 

Einheitliches Auftreten nach außen fordert auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, für den der gescheiterte Gipfel eine „Tragödie“ ist. Er warnte davor, die derzeitige Politik der Trump-Administration mit langjährigen und bewährten transatlantischen Beziehungen gleichzusetzen: „Die erste Aufgabe ist, die Europäer an einen Tisch zu bringen, damit wir wirklich unsere Interessen und Werte gemeinsam vertreten. Die zweite Aufgabe ist, dass die transatlantischen Beziehungen erste Priorität der deutschen Außenpolitik sein müssen.", sagte Lindner im Sommerinterview der ARD.

Eine besondere Herausforderung bei der zukünftigen Zusammenarbeit der Gruppe der Sieben kommt auf Frankreich zu, welches im kommenden Jahr die Präsidentschaft von Kanada übernimmt. Der nächste Gipfel soll in Biarritz stattfinden, eine erneute Beteiligung Russlands sei – bei Umsetzung des Minsker Abkommens – von vornherein nicht ausgeschlossen, so Macron.

Kurzfristiger Profit versus langfristige Folgen

Präsident Trump hat ganz offensichtlich ein anderes Verständnis von Allianzen als seine Vorgänger. In Amerikas Verbündeten sieht er Trittbrettfahrer, die ausschließlich vom Erfolg der USA profitieren wollen. Im öffentlichen Brüskieren dieser angeblichen Trittbrettfahrer übt er sich schon seit Beginn des Wahlkampfes. Es scheint wie eine verkehrte Welt: Während er langjährige Alliierte verprellt, buhlt er um die Aufmerksamkeit von U.S.-Gegnern. Trumps Strategie dahinter ist zweigleisig. Zum einen will er durch das Brechen von Regeln und dem Missachten diplomatischer Traditionen seiner Rolle als „Disruptor“ treu bleiben. Zum anderen versteht er die amerikanische Außenpolitik à la „America First“ als Geschäft mit sofortigen Gewinnen und nicht als langfristige Investition. Trump ist nur am kurzfristigen Nutzen einer Partnerschaft interessiert, die Strafzölle sind nur das jüngste Beispiel. Langfristige Folgen blendet er nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“ aus.

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Das unilaterale, impulsive und kurzsichtige Verhalten des amerikanischen Präsidenten stürzt die sowohl die Gruppe der Sieben in ihrer mehr als vierzigjährigen Geschichte in eine Existenzkrise, ebenso wird ein immer realer werdender Handelsstreit mit europäischen Ländern ungeahnte Folgen nach sich ziehen.

Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Carmen Gerstenmeyer, European Affairs Manager, Europäisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit