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Taiwan
Wehrdienst in Taiwan: Schießen statt Unkraut jäten

Taiwan Militär

Die "Education and Training Unit der 206. Taiwanischen Brigade” bei einer Inspektion durch die Präsidentin

©   Official Photo by Wang Yu Ching / Office of the President

Taiwan hat den Wehrdienst von vier auf zwölf Monate verlängert. Die militärische Ausbildung muss nicht nur länger, sondern auch professioneller werden.

Unkraut jäten sollte nicht die erste Assoziation sein, die einem beim Gedanken an Militärdienst in den Kopf kommt. Schon gar nicht, wenn dieser Militärdienst in Taiwan stattfindet, am laut Economist „Gefährlichsten Ort der Welt“. Doch bislang berichten junge Taiwaner, dass sie während ihres Wehrdienst in der Tat Unkraut jäten, Papiere ablegten und den Hof fegten. Sie hätten kein einziges Mal geschossen, seien nicht an der Waffe ausbildet worden und hätten auch kein sonstiges Kampftraining erhalten.

Das könnte sich bald ändern. Taiwans Regierung hat den Wehrdienst von vier auf zwölf Monate verlängert. Für Männer herrscht Wehrpflicht, Frauen werden nicht eingezogen. Zwar sind noch keine Details bekannt, aber es wird erwartet, dass der Dienst nicht nur länger, sondern auch professioneller und damit sinnvoller wird. „Der Militärdienst darf nicht von vier verschwendeten Monaten zu einem verschwendeten Jahr verlängert werden“, fordert Alvin Zhang, Direktor der Taiwan Youth Alliance for Democracy, „die Regierung muss besser erklären, was sie vorhat und welche militärischen Ausbildungskapazitäten es gibt. Der Wehrdienst muss hilfreich sein für unsere Kampffähigkeit.“

Die Bedrohung ist real

In Anbetracht der Bedrohungslage in der Taiwanstraße waren Analysten sich schon lange einig, dass eine Wehrdienst-Reform überfällig sei. Nach Ausbruch des Ukrainekrieges hatten auch junge Menschen in Taiwan gefordert, die Insel solle sich besser auf einen möglichen, militärischen Konflikt mit Peking vorbereiten. Ein längerer Wehrdienst wurde explizit als eine notwendige Maßnahme genannt. „Ich unterstütze die Verlängerung des Wehrdienstes und die Anpassung der militärischen Ausbildungsinhalte, weil sie dazu beitragen, die Kampfkraft Taiwans zu verbessern“, sagt Kyle Lin, ein junger Mann, der in Taipei Politik studiert. „Die Art der Ausbildung ist entscheidend dafür, ob wir in der Lage sein werden, Bedrohungen zu begegnen.“ 

Sollte die Volksrepublik China Taiwan angreifen und die Insel einnehmen, ginge die Demokratie damit und die Freiheit verloren, die die Taiwaner jetzt haben und schätzen. Ein chinesischer Diplomat kündigte Umerziehungslager an. Weil die Bedrohung real ist und die Konsequenzen eines verlorenen Krieges potentiell desaströs sind, unterstützen viele junge Menschen in Taiwan einen längeren, professionelleren Wehrdienst. Taiwans Militär rüstet kräftig auf. Moderne Waffensysteme sind anspruchsvoll in ihrer Handhabung, sie machen längere Ausbildung nötig.

Der Zivilschutz ist arm

Beim Thema Verteidigungsfähigkeit gibt es außer dem Wehrdienst eine weitere Baustelle: den Zivilschutz. Immerhin gibt es in Taiwan zusätzlich zum Militär einen staatlichen Zivilschutz. Doch der ist hoffnungslos unterfinanziert. So gibt die Stadt Taipei jährlich rund 800.000,- Euro für Zivilschutz aus. Davon gehen gerade mal 30.000,- Euro in Aus- und Fortbildung der Zivilschützer. Der Löwenanteil des Budgets floss in nicht näher spezifizierte Veranstaltungen. Manche Taiwaner, die den bisherigen Militärdienst als Zeitverschwendung wahrnahmen und den staatlichen Zivilschutz auch für unzulänglich halten, wenden sich an private Schutz-Ausbilder.

Am bekanntesten ist die Kuma Academy. Dort werden Invasions-Szenarien vermittelt, Evakuierungen simuliert und Erste-Hilfe-Kurse angeboten. Das ist wichtig, hilft aber nicht bei der Landesverteidigung. Ausrüstung und Ausbildung des Militärs bleiben die Schlüssel zur Verteidigung. In diesen wichtigsten Bereichen tut sich ja jetzt auch etwas – mit breiter Unterstützung in der Bevölkerung. Allerdings gibt es bei grundsätzlicher Zustimmung zu Taiwans Wehrdienstreform auch Kritik. Außer der Tatsache, dass bislang so wenig bekannt ist über die Inhalte des längeren Wehrdienstes, irritieren viele Taiwaner das Timing der Reform und die bescheidene Kommunikation der Regierung. Sie gab die Verlängerung des Wehrdienstes Ende Dezember bekannt, eine Woche später trat sie schon in Kraft. Und nun ist bereits eine weitere Verlängerung im Gespräch.

Anna Marti ist Büroleiterin des FNF Büros in Taipei:

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