re:publica 2024
Wen kümmert’s?
Das Motto der re:publica 2024 hätte breiter kaum gewählt werden können: „Who cares?“. Eine provokante Frage, bei dessen Beantwortung man sich unweigerlich auch auf das gesellschaftspolitische Feld bewegen muss. Wer kümmert und bemüht sich in der Gesellschaft? Wie und um wen oder was?
Zweifellos ist die geo- und innenpolitische Lage angespannter als in den vergangenen drei Jahrzehnten. Russlands Angriffskrieg, erstarkende politische Ränder, Populismus dies- und jenseits des Atlantiks sowie steigende gesellschaftliche Fliehkräfte und wirtschaftliche Stagnation erhöhen den Druck. Diese mehrdimensionalen Krisen verschärfen Ängste innerhalb der Gesellschaft. Zusätzlich hat der digitale Fortschritt so große Sprünge vollbracht, dass staatliche Institutionen nicht hinterher zu kommen scheinen und auch die Akzeptanz in der Bevölkerung stark herausgefordert wird.
Doch anstatt in Schockstarre zu verfallen und dem Fortschritt auf diesem Feld kritisch gegenüberzustehen, braucht es gesellschaftliche Kräfte, die einen unverstellten Blick auf die sich bietenden Chancen haben - ohne die Risiken zu negieren. Chancen und Risiken der neuen digitalen Anwendungsmöglichkeiten standen folglich im Mittelpunkt der dreitägigen Konferenz.
Als Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit konnten wir mit Diskussionsrunden auf den Bühnen sowie einem Info-Stand die liberale Sicht auf die Entwicklungen repräsentieren. Mit Beiträgen zur digitalen Transformation, KI & Demokratie sowie Bildung hatten wir passgenaue Angebote in Bezug auf das Motto der Konferenz. Verantwortung in der und für die Gesellschaft zu übernehmen, Fortschritt zu ermöglichen und Demokratie sowie Bildung zu stärken gehören zur liberalen DNA.
Besondere Aufmerksamkeit hat dabei die zu Beginn der re:publica veröffentlichte Studie „Demokratie und KI – Wie technologischer Fortschritt demokratische Strukturen stärken kann“auf sich gezogen, die in Zusammenarbeit mit dem iRights.Lab vom Autoren-Duo Nikolai Horn und Mathieu Binder verfasst wurde.
Anstelle einer im Diskurs gern genutzten Schwarz-Weiß-Malerei zwischen Bedrohungsszenarien und bloßem Optimismus, wird von den Autoren ein realistischer Weg aufgezeigt, wie KI unsere Demokratie stärken kann. Angesichts eines schwindenden Vertrauens in Demokratien weltweit kann mit den Möglichkeiten der KI durchaus Hoffnung verknüpft werden.
In dem korrespondieren Panel auf der re:publica diskutierten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Autor Nicolai Horn unter der Moderation von Ann Cathrin Riedel die Ergebnisse der Studie.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stellte in der Diskussion klar, dass Demokratie wertegebunden und nie selbstverständlich ist. Vielmehr müsse sie beständig mit Leben gefüllt werden. Respekt, Toleranz und die generelle Haltung der Menschen seien dabei die Grundvoraussetzung für das funktionierende Miteinander und letztlich auch des Staates. Nicht Gesetze oder Technologien trügen dafür die Verantwortung, sondern die Haltung und die Handlungen der Menschen. Die Einhaltung der Grundrechte müsse bei der Anwendung von KI gerade im Justizbereich jederzeit unbedingt gewahrt bleiben.
Dass die Arten der Argumentation und die Wege der Informationsgewinnung durch den digitalen Wandel neue Wege gefunden haben, ist ein Fakt. Gerade daher sei das normative Menschenbild in der KI entscheidend, so Studienautor Nikolai Horn. Ein Schub für Verwaltungsdigitalisierung würde die Handlungsfähigkeit steigern und somit Vertrauen in Institutionen fördern. Gerade bei Routine-Aufgaben könnte der Einsatz von KI in Verwaltungen erhebliches Potenzial entfalten und zu einer Stärkung staatlicher Strukturen führen. Als Fazit brachte es die Moderatorin Ann Cathrin Riedel auf den Punkt: Demokratie braucht Demokratinnen und Demokraten – und die KI darf sie gerne dabei unterstützen.
Andere Diskussionen am Stiftungs-Stand waren ebenfalls erhellend. Taiwans Resilienz hinsichtlich Cyber-Attacken etwa, über die Céline Nauer referierte und sogar Taiwans Digitalministerin Audrey Tang persönlich am Stand der Stiftung vorbei kam, war ein weiteres Highlight.
Und auch die Gespräche mit Ben Brake (Bundesministerium für Digitales und Verkehr, BMDV) zur Bestandsaufnahme der Digitalpolitik in Deutschland, Richard Kuchta (ISD) zu Informationsmanipulation im Wahlkampf sowie Benno Schulz zu den Herausforderungen der Digitalisierung in der selbsternannten Bildungsrepublik lieferten spannende Einblicke. Zoë van Doren war als Expertin bei einem Talk des BMDV zu Gast und beleuchtete die Arbeit der Stiftung im Bereich der internationalen Digitalpolitik.
Die Frage der re:publica-Veranstalter „Who cares?“ kann die Friedrich-Naumann-Stiftung also mit einem klaren „We do!“ beantworten - mit Engagement für Fortschritt, Demokratie und für die Freiheit.