Tschechien
Wendung in den tschechisch-chinesischen Beziehungen
Der Prager Oberbürgermeister Zdeněk Hřib unterzeichnete vergangene Woche mit seinem taiwanesischen Amtskollegen Ko Wen-je eine Partnerschaftsvereinbarung über die gemeinsame wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit beider Städte. Der Abschluss des Vertrags erfolgt nur drei Monate nach der Aufkündigung des Partnerschaftsabkommens mit Peking, das an dem Widerspruch der Prager Stadtregierung gegen die Ein-China-Klausel im bisherigen Vertrag scheiterte. China ist verärgert und droht der tschechischen Hauptstadt mit Vergeltungsmaßnahmen. Außerdem scheint es, dass Präsident Miloš Zeman, der bisher stärkste Befürworter Pekings in Tschechien, allmählich von seinem strikten pro-China-Kurs abweicht.
Der Stadtrat der tschechischen Hauptstadt stimmte schon Ende 2019 für die Vereinbarung mit der taiwanesischen Metropole. Laut der Prager Stadtverwaltung erweitert die Städtepartnerschaft die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Kultur und Wirtschaftsaustausch. Unterzeichnet wurden auch drei Memoranden, die eine engere Zusammenarbeit im Tourismus, auf dem Gebiet intelligenter Technologien, aber auch zwischen den Zoologischen Gärten beider Metropolen erklären. Der Prager Zoo könnte dadurch ein seltenes Schuppentier, das einzige Säugetier mit Schuppen, erhalten.
Taipeh anstatt Peking
Im Oktober vergangenen Jahres hat der Prager Oberbürgermeister die Absicht erklärt, den Partnerschaftsvertrag mit Peking, der noch unter seiner Vorgängerin 2016 geschlossen wurde, zu kündigen. Der Grund dafür war die Weigerung Pekings, aus dem Vertrag eine Klausel zu entfernen, in der sich die Stadt Prag zur Ein-China-Politik bekannte und Taiwans Souveränität nicht anerkennen durfte. Peking reagierte sofort und beendete seinerseits die Partnerschaft noch bevor der Prager Magistrat dazu kam, die Kündigung zu bestätigen.
Die neue Stadtverwaltung, die im Jahre 2018 ihr Amt angetreten hat, bemühte sich seit Anfang des vergangenen Jahres, den Wortlaut des Vertragsartikels über die Anerkennung der Ein-China-Politik zu ändern. Die ehemalige Stadtführung, die gerade wegen der umstrittenen Klausel viel Kritik erntete, verteidigte sich unter anderem damit, dass Peking die geplante Ausleihe eines Pandas an den Prager Zoo mit der Aufnahme der Ein-China-Klausel in den Vertrag verknüpft hatte. „Die Menschenrechte sind mehr wert als ein Panda im Zoo,“ sagte dazu Jan Čižinský, einer der Vertreter der Stadt Prag, schon im Januar letzten Jahres.
Der Oberbürgermeister Hřib erklärte, dass Prag die Beziehungen zwischen den beiden Städten entpolitisieren wollte: „Andere Partnerstädte Pekings wie London, Riga oder Kopenhagen mussten einen solchen Passus nicht unterschreiben,“ erläuterte er und fügte hinzu, dass die Unterzeichnung des Abkommens mit Taipeh die Partnerschaftsabkommen mit anderen chinesischen Städten nicht gefährden soll: „Die Zusammenarbeit wird durch die Unterzeichnung des Abkommens nur formalisiert, informell arbeiten wir mit Taipeh seit 2001 zusammen“, betonte Hřib.
Die Reaktion Chinas ließ jedoch nicht lange auf sich warten: einen Tag nach der Vertragsunterzeichnung veröffentlichte das Büro der Shanghaier Volksregierung für auswärtige Angelegenheiten eine Erklärung, wonach Shanghai – eine andere chinesische Partnerstadt Prags – alle offiziellen Kontakte mit der tschechischen Hauptstadt umgehend aussetzte. Prag wolle „willkürlich in die Innenpolitik Chinas eingreifen und öffentlich das Ein-China-Prinzip in Frage stellen", hieß es in der Erklärung. Der Prager Bürgermeister ist überzeugt, dass Prag durch diesen Schritt nichts verlieren werde, da die Stadt vom Partnerschaftsabkommen mit Shanghai nie wirklich profitierte.
Es ist nicht das erste Mal, dass Bürgermeister Hřib, der als Medizinstudent im Jahre 2005 mehrere Monate in Taiwan verbrachte und Peking wegen der Verletzung von Menschenrechten stets offen kritisierte, die chinesischen Behörden verärgert. Im März letzten Jahres empfing er den tibetischen Exil-Premier Lobsang Sangay und entschied, wieder die Flagge Tibets am Gebäude des Prager Magistrats zu hissen. Zwei Monate zuvor lehnte Hřib beim Neujahrsempfang ab, einer Bitte des chinesischen Botschafters nachzukommen, einen taiwanesischen Diplomaten vom Treffen auszuladen. Während seines Besuches in Taipeh im Frühling 2019 sprach er sich für eine direkte Flugverbindung zwischen Prag und Taipeh aus - dies alles natürlich zum großen Missfallen Chinas.
Hřib ist jedoch nicht der einzige tschechische Politiker, gegen dessen Vorgehen China in den letzten Monaten vehement protestierte. Als Senatspräsident Jaroslav Kubera im Oktober am Empfang zum Nationalfeiertag bei der taiwanesischen Repräsentanz teilnahm, löste dies starke Proteste des chinesischen Botschafters in Prag aus. Später erklärte Kubera, der diese Woche plötzlich und unerwartet verstarb, auch noch seine Absicht, Ende Februar mit einer Unternehmerdelegation nach Taiwan zu reisen. „Auf chinesischer Seite ist mehr Großzügigkeit gefragt. Wir verstehen ihre Position, aber sie müssen auch unsere verstehen,“ sagte Kubera und betonte, dass Tschechien ein souveränes Land sei, gegen das China die Machtposition nicht ausnutzen dürfe. Er erinnerte auch daran, dass Taiwan der drittgrößte tschechische Handelspartner in Asien sei.
Die erwünschte Großzügigkeit zeigte Peking dann allerdings nicht. Ganz im Gegenteil: Im vergangenen Jahr sagte China kurzfristig geplante Auftritte der Prager Philharmonie und einiger anderer Musikensembles ab, die mit der tschechischen Hauptstadt verbunden sind. Auch das für Ende vergangenen Jahres geplante tschechisch-chinesische Investitionsforum wurde verschoben. Die chinesische Seite wies Vertreter des Präsidentenamts auf der Prager Burg darauf hin, dass dies die Konsequenz der gegen die Volksrepublik gerichteten Aktivitäten des Senatsvorsitzenden Kubera und des Bürgermeisters Hřib sei.
Verliert Peking seinen loyalsten tschechischen Verbündeten?
Die Einstellungen von Kubera und Hřib stehen im starken Widerspruch zur Politik des tschechischen Präsidenten Miloš Zeman, der seit mehreren Jahren die Beziehungen zur Volksrepublik fördert. Zeman kritisierte die beiden Politiker wiederholt, deren Vorgehen seiner Meinung nach, die tschechischen Wirtschaftsinteressen beschädige.
Seit seinem Amtsantritt im Jahre 2013 besuchte Zeman China schon fünfmal. Oft lobte er öffentlich das Land und pflegte freundliche Beziehungen zu seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping. Im Gegenzug hoffte er auf einen massiven Zustrom der chinesischen Investitionen. Die in der zu erwartenden Höhe aber nicht kamen.
„Ich glaube nicht, dass die chinesische Seite erfüllt, was sie versprochen hat. Ich spreche von Investitionen,“ gab das Staatsoberhaupt im Januar zu Protokoll und kündigte zur Überraschung aller an, an dem kommenden 17+1-Gipfel in China nicht teilzunehmen. Der Präsident fügte hinzu, dass er zwar verstehe, dass Bürgermeister Hřib und Senatspräsident Kubera China „irritieren können“, andererseits „muss es aber verstehen, dass es hier ein anderes politisches Regime gibt, dass wir den Kommunal- oder Oppositionspolitikern nichts befehlen können“.
Was kann Tschechien verlieren?
Die Handelskammer der Tschechischen Republik und die tschechisch-chinesische Kammer für Gegenseitige Zusammenarbeit warnen, dass die Schließung des Vertrags zwischen Prag und Taipeh den Tourismus in der tschechischen Hauptstadt, aber auch die Lage tschechischer Unternehmen auf dem chinesischen Markt negativ beeinflussen könnte.
Laut Lukáš Kovanda, eines Ökonomen des Immobilieninvestors Czech Fund, hat sich das Wachstum der tschechischen Exporte nach China im vergangenen Jahr tatsächlich verlangsamt. Ebenso ist das Interesse der chinesischen Touristen an Tschechien gesunken. Den sinkenden Trend konnte man jedoch schon vor der Kündigung des Vertrags mit Peking beobachten.
Kovanda betonte ebenfalls, dass Taiwan in der tschechischen verarbeitenden Industrie etwa 14-mal mehr investiere als China und dadurch für Tschechien ein wichtigerer Partner sei als die Volksrepublik. Von den asiatischen Ländern seien langfristig nur Südkorea und Japan als größere Investoren in der heimischen Industrie zu erwarten.
Natálie Maráková ist Projektmanagerin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Büro für die Mitteleuropäischen und Baltischen Staaten in Prag.