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Integration
Zeitarbeit für Zuwanderer

Integration braucht pragmatische Lösungen - so wie die Arbeitnehmerüberlassung. Sie erlaubt vielen Flüchtlingen den Einstieg in den Arbeitsmarkt
Blick von oben auf Arbeiter, die in einer Halle stehen.

Eine besondere Gruppe von Neuankömmlingen am Arbeitsmarkt, die zunehmend die Zeitarbeit nutzen: Flüchtlinge.

© shironosov / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

Pünktlich zur Sommerpause hat die Bundesagentur für Arbeit eine richtungsweisende Studie zu aktuellen Entwicklungen in der viel gescholtenen Zeitarbeit vorgelegt. Unser stellv. Vorstandsvorsitzender Professor Paqué hat sie gelesen. Hier seine Schlussfolgerungen daraus. Sein Fazit fällt positiv aus.

Was gab es nicht in den letzten 20 Jahren für hitzige Debatten über Wert und Unwert der sogenannten Arbeitnehmerüberlassung, auch Leiharbeit und in der breiten Öffentlichkeit „Zeitarbeit“ genannt. Bezeichnet wird damit ein Geschäftsmodell, bei dem ein Unternehmen sich in seinem Schwerpunkt oder neben anderer Tätigkeit darauf spezialisiert, eingestellte Arbeitskräfte an andere Unternehmen zu verleihen. Die einen sahen darin eine unerwünschte Form der Aushöhlung von Tarifverträgen, die anderen einen wünschenswerten Zugewinn an Flexibilität für den Arbeitsmarkt.

Wie auch immer: Die Zeitarbeit ist längst fest etabliert. Rund eine Million Beschäftigte sind inzwischen Leiharbeitnehmer, mit Schwerpunkten in der Industrie, im Transportgewerbe und bei ausgewählten Dienstleistungen – vor 20 Jahren waren es weniger als 200.000. Die meisten der Arbeitsverhältnisse sind dabei sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen, verdienen also das Prädikat "normal" und nicht „prekär“, auch wenn das Qualifikationsniveau der Stelleninhaber in der Regel niedriger ist als im Durchschnitt des Arbeitsmarkts. Die Zeitarbeit nahm bis vor wenigen Jahren dynamisch zu, tut dies aber neuerdings nicht mehr, jedenfalls nicht gesamtwirtschaftlich. Viel spricht dafür, dass dies mit der zunehmenden Knappheit an Arbeitskräften zu tun hat, nicht zuletzt wegen des demographischen Wandels und des erfreulichen Rückgangs der Arbeitslosigkeit insgesamt. Beides verbesserte die Verhandlungsposition der Arbeitskräfte, die immer mehr feste unbefristete Arbeitsverträge von den Unternehmen direkt angeboten bekommen.

Auffallend ist allerdings, dass es eine besondere Gruppe von Neuankömmlingen am Arbeitsmarkt gibt, die zunehmend die Zeitarbeit nutzten: Flüchtlinge. So gab es im Jahresdurchschnitt 2017 immerhin 21.000 Zeitarbeiter aus den sogenannten Hauptasylzugangsländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien); das war seit 2016 ein Plus von 11.000, also mehr als eine Verdoppelung. Nun sind Ausländer unter den Zeitarbeitskräften ohnehin überproportional vertreten: Fast ein Drittel von ihnen hat keine deutsche Staatsangehörigkeit, unter den Beschäftigten insgesamt sind es gerade mal elf Prozent. Gleichwohl zeigt die Entwicklung, dass der Weg über die Leiharbeit offenbar für Flüchtlinge besonders gut geeignet ist, um im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Flüchtlinge sind nun mal von allen Bewerbern die am wenigsten „beschriebenen Blätter“.

Karl-Heinz Paqué, stellv. Vorstandsvorsitzender der Stiftung für die Freiheit
Karl-Heinz Paqué

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Flüchtlinge sind nun mal von allen Bewerbern die am wenigsten „beschriebenen Blätter“: Sie kommen mit Ausbildungsnachweisen, die in Qualitätsgehalt und fachlicher Substanz oft schwer zu überprüfen sind; und sie kommen mit einem Niveau der Motivation, das einer längeren Testphase bedarf. Die Überlassung des Arbeitnehmers erlaubt den Arbeitgebern vor Ort, das mit der Einstellung verbundene Risiko für einige Zeit auf das Zeitarbeitsunternehmen abzuwälzen – und dieses ist durch seine Expertise besser in der Lage, das Risiko gut einzuschätzen und zu tragen. Es entsteht eine Art temporäre Versicherung, letztlich in aller Interesse, denn sie senkt die Eingangshürde in den Arbeitsmarkt. Genau dies brauchen wir in Deutschland, wenn wir dem Ruf nach Integration von Flüchtlingen wirklich gerecht werden wollen.

Es bleiben allerdings Fragezeichen. Zum einen hat die schwarz-rote Koalition in der letzten Legislaturperiode zum 1. April 2017 die Höchstüberlassungsdauer auf 18 Monate begrenzt und nach neun Monaten für Leiharbeitnehmer gleichen Lohn wie für das Stammpersonal vorgeschrieben. Man wird in der Zukunft sehen können, wie sich diese bürokratischen Einschränkungen auf Dauer auswirken. Zum anderen stellt sich die Frage, ob gerade der leichte Einstieg in den Arbeitsmarkt so manchen jungen Flüchtling zum „schnellen Geld“ verführt und vom Beginn einer Ausbildung abhält. Dies sollte natürlich nicht sein, und um es zu verhindern, muss die Ausbildung hinreichend attraktiv sein. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob auch im Falle einer voraussichtlich erfolgreichen Ausbildung von einer Abschiebung abgesehen werden kann, wenn ein Asylantrag ohne Erfolg ist. Hier bedarf es einer klugen liberalen Handhabung. Der Grundsatz muss lauten: Asylprüfung und Zuwanderung sind zwar scharf zu trennen, aber wer sich in der Ausbildung als motiviert und integrationsfreudig erweist, sollte die Chance erhalten, von einem in den anderen Status zu wechseln. Dies müsste ein neues Einwanderungsgesetz regeln, so wie es von den Freien Demokraten seit Langem gefordert wird.