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Großbritannien
Lokal- und Regionalwahlen in Großbritannien: Liberaldemokraten schaffen solides Comeback

Davey

Der Vorsitzende der Liberaldemokraten, Ed Davey, besucht Wimbledon Common im Südwesten Londons, um die Gewinne der Partei bei den Kommunalwahlen 2022 zu feiern.

© picture alliance / empics | Aaron Chown

Vorige Woche Donnerstag, den 5. Mai, fanden Wahlen in 144 von Englands 333 Kommunalvertretungen sowie für alle Sitze in Schottlands 32 Gebietskörperschaften, alle Sitze in den 22 Gebietskörperschaften von Wales und alle Sitze der Nordirland-Versammlung (dem nordirischen Parlament) statt. Vielfach herbeigesehnt als jene Wahlen, die über Wohl und Wehe von Premierminister Boris Johnson hätten entscheiden sollen, waren sie die bisher größte Überprüfung der politischen Stimmung in Großbritannien seit den Nationalwahlen 2019.

Unter dem Strich geben die Wahlergebnisse recht wenig Aufschluss darüber, wie es politisch in Großbritannien weitergeht. Die Regierung hat zwar verloren; zugleich hat die Opposition aber keinen Sieg errungen. Die Konservativen, in deren Parteichef Boris Johnson nun nicht einmal mehr die eigenen Wähler Vertrauen haben, haben eine klare Niederlage eingefahren, besonders in London –insgesamt waren die Verluste aber nicht groß genug, um bereits das Ende von Johnsons Amtszeit als Premierminister heraufzubeschwören. Die Labour-Partei hat sich in vielerlei Hinsicht gut geschlagen – um die Wählerschaft zu überzeugen, dass Parteichef Sir Keir Starmer bei den nächsten Nationalwahlen den Sieg einholen kann, hat es aber nicht gereicht. Für die Liberaldemokraten war es ein sehr gutes Ergebnis; nach ihrer verhängnisvollen Niederlage 2015 zeichnet sich nun ein solides Comeback ab. Sie sehen sich aber auch zunehmend der Konkurrenz einer aufstrebenden Grünen Partei ausgesetzt. Nördlich der englischen Grenze errang die Schottische Nationalpartei einen Nettogewinn an Sitzen, für den sie freilich selbst nicht allzu viel getan hat, während Labour die Tories überholte und damit nun, gemessen an der Anzahl der Wählerstimmen, die zweitstärkste Partei in Schottland ist. Sinn Fein hat in einem historischen Wahlergebnis mehr Sitze der Stormont-Versammlung (eine andere Bezeichnung für das nordirische Parlament) hinzugewonnen als jede andere Partei: Jedoch haben die Wähler in der Provinz Nordirland auch der Schwesterpartei der Liberaldemokraten, der Alliance-Partei Nordirlands, großen Auftrieb gegeben.

Es war deutlich erkennbar, dass der Nationalismus – sei er englisch, schottisch, walisisch oder irisch – eine mächtige Kraft bleibt. Der Kitt, der das Vereinigte Königreich zusammenhält, ist brüchiger denn je zuvor in den vergangenen 250 Jahren. Weiterhin zeigt die Wahl, dass der Brexit nicht länger das vorrangige Thema in der Politik Großbritanniens ist, obwohl er weiterhin die Wirtschaft sowie die Nordirland-Politik stark überschattet. Drittens verdeutlicht das Wahlergebnis, dass es Keir Starmer, trotz seiner herausragenden Qualifikation nicht gelungen ist, die Wählerschaft zu inspirieren. Allein aufgrund der Tatsache, dass die Labour-Partei nicht die Konservativen sind, wird die Partei wohl kaum die Regierungsübernahme schaffen. Die Wahlen der vergangenen Woche spiegeln in etwa den knappen Vorsprung von Labour (etwa 5 %) in jüngeren nationalen Wahlumfragen wieder. Die Aussichten von Labour, eine Regierungsmehrheit im nationalen Parlament zu schaffen, erscheinen weiterhin als genauso schwer greifbar wie zuvor, jedoch bleibt es wahrscheinlich, dass die Schottische Nationalpartei drittstärkste Kraft wird, und Aussichten auf eine Koalitionsregierung dürften dann von Nicola Sturgeons (Erste Ministerin Schottlands, Anm. d. Red.) Aufruf zu einem weiteren Referendum für die Unabhängigkeit Schottlands abhängen.

Für den Parteichef der Liberaldemokraten, Ed Davey, zeigte sich der Nettogewinn von über 200 Abgeordneten als angemessener Lohn für die Geduld und Entschlossenheit, die er in seinen Bemühungen um Wiederaufbau und Restrukturierung seiner Partei an den Tag gelegt hat. Die Liberaldemokraten haben in den sogenannten „Blue Wall“-Bezirken in Südengland (Bezirke, die traditionell hauptsächlich die Konservativen gewählt haben, aber mehrheitlich den Brexit ablehnen, Anm. d. Red.) viele neue Sitze eingefahren, die zuvor an die Konservativen gegangen waren. Außerdem haben sie in urbanen Regionen wie beispielsweise Hull sowie in ländlichen Regionen wie etwa Westmorland (Nordengland) oder Powys (Wales), aber auch in Schottlands Hauptstadt Edinburgh den Durchbruch geschafft – in Edinburgh konnte sie die Anzahl ihrer Abgeordneten sogar verdoppeln. Diesen Erfolg in nationale Sitze zu übertragen bleibt jedoch die große Herausforderung. Und obwohl die Liberaldemokraten der Grünen Partei weit überlegen sind, liegen sie doch deutlich hinter Labour und den Konservativen.

Für Naomi Long, Parteichefin der liberalen Alliance Partei Nordirlands, war der vergangen Donnerstag ein Tag des besonderen Erfolgs. Ihre Partei gewann neun Sitze hinzu und gewann im Ganzen siebzehn Sitze, liegt damit hinter den Demokratischen Unionisten und Sinn Fein mit je 25 bzw. 27 Sitzen. Während Sinn Fein nun das Recht zukommt, den ersten Minister zu ernennen, ist die Alliance Partei ab sofort der Haupt-„Power Broker“ zwischen Sinn Fein und den Demokratischen Unionisten (DUP). Für die Europäische Union bleiben die Frustrationen im Zusammenhang mit dem Nordirland-Protokoll jedoch bestehen: die DUP lehnt die Neuformierung einer gemeinsamen Regierung ab, solange das Protokoll nicht abgeschafft wird.

Einen ausführlichen Bericht über die Wahlergebnisse in englischer Sprache finden Sie bei The Guardian.