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Kenia
Quo vadis Kenia?

Sechs Monate Regierung Ruto - wohin führt er das Land?
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l) begrüßt William Samoei Ruto, Präsident von Kenia, mit militärischen Ehren vorm Schloss Bellevue.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt William Samoei Ruto, Präsident von Kenia, mit militärischen Ehren vorm Schloss Bellevue.

© picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Seit seinem Amtsantritt als kenianischer Präsident im September letzten Jahres hat William Ruto einen fulminanten Start hingelegt. Vor allem im Westen ist er zum Liebling vieler Politiker geworden, die seine Dynamik und seinen Pragmatismus bewundern. Ruto und seine Kabinettsmitglieder seien im Vergleich zu den vorherigen Regierungen viel zugänglicher, so der allgemeine Eindruck. Er kümmert sich aktiv um die wirtschaftlichen und politischen Außenbeziehungen, hat sich mit allen Staatschefs der Nachbarländer getroffen, mehrfach den Westen besucht und pflegt engen Kontakt zu Diplomaten.

Den Wahlsieg im August 2022 hatte Ruto erkämpft, indem er sich als Anwalt der kleinen Leute präsentierte. Er werde die Wirtschaft anzukurbeln, um das Leben der "Hustler“ zu verbessern, der vielen Kenianer, die täglich ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, so seine Kernbotschaft.

Jetzt, sechs Monate später, geht es den Hustlers schlechter als zuvor. Die Wirtschaft steckt in der Krise und viele Kenianer fühlen sich existenziell bedroht, weil die Preise für Grundnahrungsmittel, Treibstoff und Energie immer weiter in die Höhe schnellen. Mit jedem Tag wächst der Druck auf Ruto, endlich etwas die explodierenden Lebenshaltungskosten zu tun. 

Hinzu kommt die aktuelle Dürre. Internationale Experten erwarten, dass zwischen März und Juni dieses Jahres rund 5,4 Millionen Kenianer unter akuter Nahrungsmittelknappheit leiden. Das ist ein Anstieg um 43 % gegenüber dem Vorjahr. Für 1,2 Millionen Menschen prognostizieren die Experten gar eine existenzielle Notlage.

Opposition nutzt Unzufriedenheit der Menschen

Diese Herausforderungen treffen ein hoch verschuldetes Land. Die Staatsverschuldung liegt bei 70 % des BIP. Das ist ein massives Problem für Ruto, der einerseits versprochen hat, die Schulden zu reduzieren, gleichzeitig aber plant, in seiner fünfjährigen Amtszeit Kredite in Höhe von umgerechnet 27,4 Milliarden US-Dollar aufzunehmen.

Angesichts der harten wirtschaftlichen Realität hat Ruto in den vergangenen sechs Monaten in großem Umfang staatliche Subventionen gestrichen. Das entlastet den Staatshaushalt, trifft aber besonders die einfachen Kenianerinnen und Kenianer, die mehr für Strom, Lebensmittel, Schulgebühren und andere Grundbedürfnisse ausgeben müssen. Die Einführung des Hustler-Fonds, der billige Kredite zur Gründung kleiner Unternehmen anbietet, ist da nur ein schwacher Ausgleich.

Die Opposition um Raila Odinga nutzt die Unzufriedenheit der Menschen, um Ruto unter Druck zu setzen. Seit dem 20. März veranstaltet sie landesweite Proteste. Neben den hohen Lebenshaltungskosten prangert Odinga weitere Missstände an: Vetternwirtschaft und Rechtsbeugung bei der Ernennung von Ministern und Beamten, die Entlassung von unliebsamen Staatsdienern und Einschränkungen der Freiheiten für politische Gegner der Regierung und die Zivilgesellschaft. Immer wieder beklagt Odinga die seiner Meinung nach gestohlene Wahl von 2022. Rutos Präsidentschaft sei illegitim und er müsse zurücktreten, fordern Odinga und seine Anhänger.

Die Regierung reagiert mit Härte. Fernsehaufnahmen belegen den gewaltsamen Einsatz der Polizei gegen die Demonstranten. Mit Tränengas, Schlägen und scharfer Munition versuchten die Sicherheitskräfte die Proteste am 20. März zu verhindern. Mehrere Demonstranten wurden von der Polizei getötet. Umgekehrt bewarfen Demonstranten die Polizei mit Steinen, es kam zu Vandalismus und Plünderungen.

Regierung versucht Medienfreiheit einzuschränken

Die kenianischen TV-Sender haben über Stunden live von der ersten großen Demonstration am 20. März 2023 berichtet. Die Kommunikationsbehörde hat daraufhin sechs Fernsehstationen mit dem Entzug ihrer Sendelizenzen gedroht. Nur eine Klage von Medienverbänden und NGOs hat das verhindert. Das Gericht hat die Entscheidung vorerst ausgesetzt.

Die Attacke auf die Fernsehanstalten ist nur einer von zahlreichen Versuchen der Regierung, die Medienfreiheit einzuschränken. Der Mehrheitsführer im Senat, ein Verbündeter Rutos, hat jüngst die Medien als Kartell bezeichnete, das zum Wohle der Öffentlichkeit zerschlagen werden müsse. Journalisten, Redakteure und Medienverbände beklagen eine übermäßige Einmischung der Regierung. In einer gemeinsamen Deklaration haben sie die internationale Gemeinschaft aufgefordert dabei zu helfen, die Medienfreiheit in Kenia zu verteidigen. 

So ergibt sich nach sechs Monaten im Amt ein gemischtes Zwischenfazit zu der neuen kenianischen Regierung. Die internationale Gemeinschaft ist gut beraten, sich nicht zu sehr von dem dynamischen, eloquenten und zugänglichen Präsidenten William Ruto blenden zu lassen. Fragwürdige Berufungen von Ministern und Beamten, das harte Vorgehen gegen die Opposition und insbesondere die Attacken auf die Pressefreiheit erinnern manche Beobachter an die dunklen Zeiten von Präsident Daniel arap Moi vor gut 20 Jahren. Ein Rückfall Kenias in die autokratischen Strukturen dieser Zeit wäre eine Katastrophe für Kenia und Ostafrika insgesamt.