Geburtstag
Karl-Heinz Paqué – Der öffentliche Intellektuelle
Der Liberalismus ist anspruchsvoll: Viel zu oft wird er falsch rezipiert und gelegentlich zerfiel und zerfällt er ideen- und realpolitisch in einzelne Varianten. Karl-Heinz Paqué dekliniert den Liberalismus aus den Tiefen der Ideengeschichte, aber nie reduziert auf einzelne Facetten. Sein Freiheitsverständnis ist ganzheitlich und international geprägt. „Liberalitas“, das antike Verständnis des Freiheitsgedankens, des „süssen Namens der Freiheit“, wie Cicero schrieb, spricht in seiner Person, als ein in allen Facetten gelungenes freiheitliches Gesamtkunstwerk. Die negative Dimension von Freiheit (im Sinne der Abwesenheit von Zwang), darf nie ohne die positive Dimension gedacht und gelebt werden – eben dass der Mensch im kantianischen Sinne moralisch sittlich ist und daher auch zur Autonomie fähig. Von Haus aus als Ökonom ausgebildet, gilt sein Interesse genauso der Philosophie, den Geschichtswissenschaften, den Geisteswissenschaften, kurzum: Karl-Heinz Paqué ist ein öffentlicher Intellektueller, der den organisierten Liberalismus als Vordenker prägt.
Sein Weg zum Liberalismus und zur Volkswirtschaftslehre begann schon früh: Karl-Heinz Paqué, Nachfahre einer aus Lothringen im 17. Jahrhundert ins Saarland zugewanderten Familie, wurde in Saarbrücken geboren. Als Sohn eines Brauereibesitzers hatte er schon von Kindesbeinen an Kontakt zu Unternehmertum, Marktwirtschaft und zum Betriebsalltag – so half er schon als Kind, das seit 1836 hergestellte Paqué-Bier mit dem Pferdefuhrwerk auszufahren. Und begann nach seinem Abitur in St. Wendel Volkswirtschaftslehre zu studieren, an der Universität des Saarlandes, der Universität Kiel und der University of British Columbia im kanadischen Vancouver.
Der politische Ökonom
Sein Studium schloss er 1980 in Kiel ab und war danach wissenschaftlicher Mitarbeiter am renommierten Institut für Weltwirtschaft. Akademischer Vater war Herbert Giersch, der den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mitbegründet hatte und das IfW zur ersten Adresse für ökonomische Politikberatung in Deutschland machte. Gefördert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst ging er für ein Jahr als Research Fellow an das Center for Study of Public Choice in Blacksburg/Virginia. 1986 wurde er mit einer Studie zum Thema „Philanthropie und Steuerpolitik“ promoviert. Nach fünf Jahren als Hochschulassistent und Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde Paqué dann 1991 zum wissenschaftlichen Direktor einer Forschungsabteilung am Institut für Weltwirtschaft ernannt. Seinem ehemaligen Doktorvater und akademischen Mentor ist Karl-Heinz Paqué weiterhin als Vorsitzender der Herbert Giersch Stiftung verbunden. Diese bringt zurzeit das Werk von Herbert Giersch neu ediert heraus – auch mit dem Ziel, es online für die Forschung zugänglich zu machen.
Mitteldeutschland: Berufung und neue Heimat
Nachdem sich Karl-Heinz Paqué 1995 habilitiert hatte, wurde er bereits 1996/97 auf eine wirtschaftswissenschaftliche Professur an die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg berufen. Den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, mit dem Fokus auf internationale Wirtschaft, hat er bis heute inne. Magdeburg und Sachsen-Anhalt wurden nicht nur zu seinem beruflichen Mittelpunkt, sondern prägten auch sein wissenschaftliches Werk und sein politisches Engagement, ja wurden zu seiner neuen Heimat.
Die Wiedervereinigung, der Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft und vor allem die nachträgliche Bewertung der politischen Entscheidungen und ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen waren eines seiner großen Forschungsthemen. Nachdem lange Jahre eine eher kritische, mitunter geradezu vernichtende Bewertung der ökonomischen Regelungen zur Wiedervereinigung vorherrschten, legte Karl Heinz Paqué 2009 mit „Die Bilanz“ eine fulminante Neubewertung der ökonomischen Wiedervereinigung vor. Diese räumte sowohl mit immer noch kursierenden Mythen der vermeintlich starken DDR-Unternehmen auf, als auch mit der unter Ökonomen häufig verbreiten These, die Wiedervereinigung hätte anders durchgeführt werden können. Das Buch hatte in seiner allgemeinverständlichen Präsentation einen enormen Einfluss auf den öffentlichen Diskurs und wurde schließlich auch von der Bundeszentrale für politische Bildung neu aufgelegt.
Der Ruf der Politik – Anpacken beim Aufbau Ost
Aber der Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft beschäftigte Karl-Heinz Paqué nicht nur wissenschaftlich, er leistete auch seinen praktischen Beitrag. Schon 1999 in die FDP eingetreten, war er stellvertretender Landesvorsitzender der FDP Sachsen-Anhalt von 2001 bis 2007 und Finanzminister von Sachsen-Anhalt von 2002 bis 2006. Während dieser Zeit trug er entscheidend zum wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes bei. Nachdem er im Anschluss an sein Amt als Finanzminister von 2006 bis 2008 Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt war, kehrte er 2008 in die Wissenschaft zurück.
Vordenker
Mit seiner Rückkehr in die Wissenschaft zog sich Paqué jedoch keineswegs aus dem öffentlichen Diskurs zurück. Ganz im Gegenteil brachte er sich an vielfältigen Stellen in die Weiterentwicklung und Verbreitung liberaler Ideen ein, so beispielsweise als Mitglied im Konvent für Deutschland und der Enquete- Kommissionen „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ (2011-2013) des deutschen Bundestages.
Er blieb auch als Autor sehr produktiv. Unter anderem prognostizierte er schon 2012 in „Vollbeschäftigt: Das neue deutsche Jobwunder“ die gute Entwicklung des Arbeitsmarktes während der letzten Jahre und lieferte mit „Wachstum“ (2010) ein flammendes Plädoyer für Zuversicht, Wohlstand und technischen Fortschritt. In „Gespaltene Nation? - Einspruch!: 30 Jahre Deutsche Einheit“ (2020) greift er zusammen mit dem ostdeutschen Theologen Richard Schröder noch einmal die deutsche Einheit auf und zieht auch hier eine insgesamt positive und optimistische Bilanz.
Die „Süddeutschen Zeitung“ lobte, dass das Buch „nicht Gräben, sondern Brücken, nicht Trennendes, sondern Gemeinsamkeiten […] zwischen Ost- und Westdeutschen“ betone.
Vermittler der Freiheit
Seit 2018 wirkt Paqué als Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, nachdem er bereits seit 2013 Kuratoriumsmitglied und seit 2014 stellvertretender Vorsitzender gewesen war. Er hat maßgeblich die Modernisierung und den Umbau der Stiftung zu einem Motor des Wiederaufstiegs des politischen Liberalismus vorangetrieben und sich als Vorsitzender mit vollem Einsatz der Weiterentwicklung und Verteidigung liberaler Ideen verschrieben.
Über sein wissenschaftliches und politisches Engagement hinaus war und ist Karl-Heinz Paqué auch gesellschaftlich und kulturell aktiv, unter anderem als Mitglied im Vorstand der Harry-Graf-Kessler-Gesellschaft. Für die Friedrich-Naumann-Stiftung ist es auch ein Glücksfall, dass Karl-Heinz Paqué sein internationales Netzwerk immer wieder für die Arbeit der liberalen Stiftung in Deutschland fruchtbar macht. Als stellvertretender Vorsitzender der „Liberal International“ sind ihm die Themen der Menschenrechte genauso ein Herzensanliegen wie die der wirtschaftlichen Entwicklung im globalen Süden.
Für den Wahlberliner sind tägliche Spaziergänge mit dem Hund im Spreebogen nicht nur körperlicher Ausgleich, sondern auch stets willkommener Anlass andere Hundebesitzer im politischen Zentrum der Hauptstadt von den unbestreitbaren intellektuellen Vorzügen des liberalen Denkens zu Überzeugen.
Als Wissenschaftler, Landesfinanzminister, Autor, Stiftungsvorsitzender und Mensch hat sich Karl-Heinz Paqué um die Freiheit in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur verdient gemacht. Er ist ein unersetzlicher Vordenker und Vorkämpfer der Freiheit. Heute feiert er seinen 65. Geburtstag, zu dem wir herzlich gratulieren!
Ludwig Theodor Heuss ist Vorsitzender des Kuratoriums der Friedrich-Naumann-Stiftung.