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#MachÖkoWiederLogisch
Klimaschutz braucht Diskurse

Wer nichts waget, der darf nicht hoffen
Foto: Photovoltaik Anlagen in Spanien
© picture alliance/Global Warming Images

In der aktuellen Klimadebatte scheinen die bewährten Regeln inhaltlichen Diskurses außer Kraft gesetzt zu sein. Der wissenschaftlich differenziert geführte Streit, ob eine CO2-Steuer oder der Emissionshandel den besten Weg gegen den Klimawandel markieren, wird einfach ignoriert. Wer den Beitrag „Kabale und Klima“ im Spiegel liest, der kann sich nur wundern. Im Streit um die Besetzung des Klimarates findet eine Diskursverschiebung der neuen Art statt. Es ist schon eine zweifelhafte Kunst, renommierte WissenschaftlerInnen, die schlicht anderer Meinung sind als die Autorinnen, in die Ecke der Klimawandelleugner zu stellen.  Selbstverständlich kann man sich für einen marktbasierten Mechanismus entscheiden, bei dem das Reduktionsziel vorgeben und der Preis nicht (=Emissionshandel), oder für eine CO2-Steuer, bei der der Preis staatlich bestimmt wird, die Gesamtmenge an CO2 jedoch nicht. CO2-Steuer und Emissionshandel, beide Varianten bringen ihre Vor- und Nachteile, über beide kann man streiten. In Europa hat man sich (im Prinzip) für den Emissionshandel entschieden, der auf wirksamste Art und Weise Emissionen kostengünstig reduziert, wie aktuelle Zahlen für die im Emissionshandel enthaltenen Sektoren zeigen. Umweltsteuern gibt es daneben auf nationaler Ebene aber auch. 

Diese Tatsachen werden in dem oben angesprochenen Beitrag ignoriert. Die Gleichung lautet recht schlicht: „Emissionshandel = schlecht“ bzw. „nicht so wirksam wie eine CO2-Steuer“. Als Begründung hierfür findet sich lediglich die Aussage, dass der Emissionshandel lange brauche, um seine Lenkungswirkung zu entfalten. Da stellt sich nicht nur die Frage, ob die Autorinnen eine Glaskugel besitzen, die ihnen die perfekte Höhe für einen CO2-Steuersatz verrät. Denn dieser ist bei weitem auch nicht leicht zu bestimmen. Ab welcher Höhe eine CO2-Steuer ihre Wirkung entfalten könnte, ist höchst umstritten.

Wenn dem Staat eine Rolle neben der Schaffung von richtigen Rahmenbedingungen zukommen soll, ist es die Wahrung der Balance zwischen notwendigen (zum Beispiel) klimapolitischen Maßnahmen und zu hoher Belastung (finanziell oder auch durch fehlende Information bei Infrastrukturvorhaben). Die Erfahrung in Deutschland zeigt, dass die Energiewende eben auch Skepsis und Sorge auslöst. Der Ausbau von Windkraftanlagen stockt, ebenso stößt der Bau der so dringend notwendigen Stromtrassen vielerorts auf Widerstand. Niemand, der ernsthafte Klimapolitik betreibt, ist gegen erneuerbare Energien und das notwendige Ende der Kohleverstromung. Zu einer ernsthaften politischen Diskussion gehört aber auch das Abwägen von Argumenten dafür und dagegen Soll nicht mehr darauf hingewiesen werden, dass erneuerbare Energien selbstverständlich schwanken? Oder darauf, dass in Deutschlands weder ununterbrochen die Sonne scheint und ein kräftiger Wind weht? Und selbst wenn es ausreichend Windstrom von der Küste gibt, um die Grundlast zu decken, kann dieser leider momentan nicht transportiert werden. Die Wichtigkeit dieses ambitionierten Projekts steht außer Frage. Aber die Augen vor möglichen Problemen oder Herausforderungen zu verschließen, hilft einfach nicht weiter.  Es ist doch Aufgabe einer konstruktiven Politik, Lösungen aufzuzeigen. Und dazu muss man sich der Realität stellen.

Bei der Reduktion von Emissionen muss eine verantwortungsvolle Politik die Vermeidungskosten mitdenken. Also die Kosten, die bei den Verursachern für die Senkungen von Emissionen entstehen. Die Vermeidungskosten sind in der Industrie und im Energiesektor beispielsweise geringer als im Verkehr. Deshalb kann ersterer mit vergleichsweise geringem Aufwand und zu aushaltbaren Kosten maßgeblich zu wirksamen Klimaschutz beitragen. Deshalb erreicht der Stromsektor auch durch das Zusammenspiel vom Emissionshandel und Ausbau der erneuerbaren Energien als einziger Sektor seine Klimaziele in diesem Jahr.  Würde die energieintensive Industrie nicht mehr in Deutschland, also einem Land mit CO2-Preis, produzieren, würden die Emissionen in Regionen ohne einen Reduktionsmechanismus verlagert. Und das schadet definitiv dem Klima.

In einem ist man sich ohnehin einig: Was „gut“ für das Klima ist, ist die konsequente Reduktion von Treibhausgasemissionen. Wie und wo das passiert, ist dem Klima egal. Die Aufgabe von Wissenschaft sollte es sein, gute Lösungen für diesen Weg zu finden. Und das streng nach dem Prinzip fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnis: Wenn eine Lösung gefunden ist, ist diese ständig zu hinterfragen und zu prüfen, ob es nicht noch eine bessere gibt, um so den Wettbewerb um die beste Idee anzukurbeln. Der Glaube an die richtige Moral hilft dem Klima nicht. Und wirklich fatal ist es, wenn jede politisch-fachliche Debatte unnötigerweise ideologisch aufgeladen wird. Wenn das häufig mühsame Geschäft der parlamentarischen Demokratie, wenn die Kompromissfindung in ein „dafür oder dagegen“ abgekürzt wird. Es braucht Lust auf Diskurs für Lösungen.