Präsidentschaftswahl in Tschechien
Schmutziger Wahlkampf mit gutem Ende?
Am Samstag, den 28. Januar, hat Tschechien einen neuen Präsidenten gewählt: Petr Pavel. Der Ex-General besiegte den früheren Ministerpräsidenten Andrej Babiš in der zweiten Wahlrunde. Es war jedoch kein leichter Kampf, denn die letzten beiden Wochen des Wahlkampfs waren überaus aufgeheizt und haben die tschechische Gesellschaft polarisiert.
Desinformationslawine und internationale Empörung
Die Entwicklung der Wahlkampagne des früheren Ministerpräsidenten Andrej Babiš war beachtlich: Während Babiš noch vor dem ersten Wahlgang versuchte, die Bürger davon zu überzeugen, dass er nicht mehr der aufbrausende und cholerische Politiker von früher sei und sich verändert habe, wandelte sich seine Strategie wenige Zeit später um 180 Grad. Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten Runde, in der er knapp auf dem zweiten Platz gelandet war, ließ er seine versöhnliche Rhetorik fallen und er startete auf seiner Pressekonferenz eine aggressive Kampagne gegen seinen Rivalen, Petr Pavel. Noch am selben Tag ließ sein Team im ganzen Land Plakate aufstellen, die verkündeten, dass Pavel die Tschechische Republik in den Krieg führen wolle. Dutzende von Ketten-E-Mails und Facebook-Gruppennachrichten tauchten auf, und eine Reihe von Twitter-Bots erwachten zum Leben, die aktiv und kreativ Desinformationen und Nachrichten verbreiteten, die dem Herausforderer Petr Pavel schaden sollten. Eines der am meisten verbreiteten Narrative war, dass es nach dem Sieg von Petr Pavel zu einer Mobilisierung der Armee kommen würde. Eine Analyse von Čeští Elfové (Tschechische Elfen), einer bürgerlichen Bewegung, die sich der Desinformationsbekämpfung im tschechischen Cyberspace verschrieben haben, zeigt, dass die tschechische Desinformationsszene in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl eine systematische, auf der Angst vor Kriegsmobilisierung beruhende Lügenkampagne gegen Pavel betrieben hat. Bei den Wahlkampfveranstaltungen von Babiš herrschte eine sehr düstere Atmosphäre, weil seine Anhänger durch die Kriegsdrohungen sehr verängstigt waren.
Hinter der Desinformationskampagne steht Babiš‘s langjähriger Marketingexperte Marek Prchal. Bis letzte Woche war er noch Mitglied des renommierten Art Directors Club Czech Republic (ADC), in dem Werbefachleute zusammenkommen. Der Verein schloss ihn am Tag vor dem zweiten Wahlgang aus seinen Reihen aus, weil er gezielt Marketing und Werbung einsetze, um Lügen und Angst zu verbreiten und die Gesellschaft zu spalten. Neben der intensiven Angstmacherei vor dem Krieg beschloss das Team um Babiš, eine neue Wählergruppe zu erschließen: gläubige Wähler. Dies ist besonders paradox, da Babiš, der sich zuvor stets als Nichtgläubiger bezeichnet hatte, quasi über Nacht zum Gläubigen wurde. Dass sein Wahlkampfteam die Kirche „Unserer Lieben Frau vom Siege“ für Werbezwecke besuchen wollte, in der sich auch eine berühmte Statuette, das Prager Jesuskind, befindet, welches für gläubige Christen fast schon ein Pilgersymbol ist, legt die Vermutung nahe, dass der Wandel zur Gläubigkeit wohl mehr politischer Stunt als eine plötzliche Erleuchtung über Nacht gewesen ist. Die Kirche selbst wollte nicht, dass ihre heiligen Hallen mit der Kampagne in Verbindung gebracht werden und gab daher eine Erklärung ab, dass sie während des geplanten Besuchs von Babiš geschlossen bleiben würde. Doch das hielt das Team von Babiš nicht auf, zu einem anderen Zeitpunkt in die Kirche zu kommen, um ihr Werbevideo zu drehen.
Einen absoluten Tiefpunkt des Wahlkampfes von Babiš stellte jedoch eine Fernsehdebatte dar, die international für Aufregung sorgte. Als der Moderator Babiš fragte, ob Tschechien im Falle eines hypothetischen russischen Angriffs auf Polen oder die baltischen Staaten Truppen schicken sollte, antwortete der potenzielle Oberbefehlshaber der Streitkräfte, dass er „auf keinen Fall unsere Kinder in einen Krieg schicken würde“. Diese Aussage füllte die Schlagzeilen der polnischen und baltischen Medien und musste von den tschechischen Außen- und Verteidigungsministern später zurückgewiesen werden.
Einer für alle, alle für einen
Die Wahlkampagne des zweiten Präsidentschaftskandidaten Petr Pavel hätte keinen stärkeren Kontrast zu der von Babiš bilden können. Es ist üblich, dass die ausgeschiedenen Präsidentschaftskandidaten der ersten Runde sich für einen der beiden Finalisten aussprechen. Während sich niemand für Babiš aussprach, erhielt Petr Pavel Unterstützung von Danuše Nerudová, Pavel Fischer und Marek Hilšer, die in der ersten Runde mit zum Teil respektablen Ergebnissen ausgeschieden waren. Zum ersten Mal in der Geschichte Tschechiens beteiligten sich die Ex-Kandidaten jedoch während der letzten zwei Wochen des Wahlkampfs aktiv an seiner Kampagne: Sie besuchten zusammen mit Pavel Bürgerinnen und Bürger, überließen ihm ihre im Voraus bezahlten Werbeflächen, unterstützten ihn sehr engagiert in den sozialen Medien und organisierten sogar Veranstaltungen, die für Pavel warben.
Starke Unterstützung erhielt Pavel auch von seinen Befürwortern. Innerhalb von zwei Tagen überwiesen seine Anhänger 10 Millionen CZK (die Höchstgrenze) auf sein transparentes Konto für die letzten zwei Wochen des Wahlkampfs. Trotzdem durfte er sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Experten und Umfragen waren sich nicht sicher, wie viele Wähler aus den Reihen der anderen Präsidentschaftskandidaten im zweiten Wahlgang tatsächlich für ihn stimmen würden. Die Tatsache, dass Pavel früher Mitglied der Kommunistischen Partei war, war für viele Wähler ein unüberwindbares Hindernis - trotz all des Guten, das Pavel seither im Laufe seines Lebens für die tschechische Gesellschaft getan hatte. Dies spielte Babiš in die Hände. Während das Team von Babiš versuchte, Unentschlossene weiter zu verunsichern und somit von der Wahlurne fernzuhalten, bemühten sich das Team von Pavel, diese Gruppe von Wählern anzusprechen. In den letzten zwei Wochen ging Pavel in jene Regionen, wo er im ersten Wahlgang nicht so viele Stimmen erhalten hatte. Die hetzerische Kampagne von Babiš hatte hier den gegenteiligen Effekt: statt die Menschen zu verunsichern, kamen Tausende, um Pavel zu unterstützen.
Petr Pavel: Wer ist der Mann, der in Tschechien das Ruder übernimmt?
Die Tschechische Republik hat schon lange nicht mehr einen so spannenden Wahlkampf erlebt. Die Bedeutung dieser Wahl wurde durch die hohe Wahlbeteiligung unterstrichen: Im zweiten Wahlgang gingen 70,25 % der Wähler (5.759.197) zu den Urnen, womit die dritthöchste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Tschechischen Republik erreicht wurde. Davon stimmten 58,32 % für Petr Pavel - fast eine Million Stimmen mehr als Babiš erhielt. Der ehemalige Premierminister erlitt damit eine vernichtende Niederlage. International ließ der Wahlsieg Pavels viele aufatmen. Besonders erwähnenswert ist, dass die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová, die in 2022 den Freiheitspreis der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für ihren Einsatz für die liberale Demokratie bekam, persönlich in Pavels Wahlkampfbüro kam, um ihm zu gratulieren.
Petr Pavel ist als unabhängiger Kandidat angetreten, der sich keiner politischen Richtung oder Partei zuordnet, jedoch vor allem das liberale und zentristische Spektrum der Wähler angesprochen hat. Er unterstreicht die Bedeutung der NATO, der EU und der demokratischen Werte. Gleichzeitig erklärt er, dass er für Gerechtigkeit, Würde, Respekt und Anstand steht, was für ein breites Spektrum von Wählern aller Altersgruppen attraktiv war.
Pavel diente als Militär- und Luftwaffenattaché der Tschechischen Republik in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. Später nahm er an der UNPROFOR-Mission im ehemaligen Jugoslawien teil. Der Truppe, die er damals befehligte, gelang es, inmitten eines schwierigen Kampfeinsatzes über fünfzig eingekesselte französische Soldaten zu retten und zu befreien. Für diese Leistung wurde er mit dem französischen Kriegskreuz ausgezeichnet. Im Laufe seiner Karriere erhielt er elf Auszeichnungen aus fünf verschiedenen Ländern. Der bisherige Höhepunkt seiner Karriere war seine Ernennung zum Generalstabschef der Armee der Tschechischen Republik (2012) und die anschließende Wahl zum Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses (2015).
Und wie geht es für Babiš weiter?
Die Frage, was mit Babiš und seiner Partei ANO geschehen wird, ist eine große Unbekannte mit vielen Variablen. Die ANO-Partei wird in Kürze einen Parteitag abhalten, um eine neue Parteiführung zu wählen. Wenn Andrej Babiš ANO-Vorsitzender bleibt, wird dies vermutlich innerparteilich einiges in Gang setzen. Der schmutzige Präsidentschaftswahlkampf war manchen ANO-Abgeordneten bereits zu viel, die angefangen haben, sich öffentlich gegen Andrej Babiš auszusprechen, was in der ANO-Partei nicht üblich ist. Ein möglicher Ausweg für diese Abgeordneten wäre die Bildung einer Fraktion innerhalb der Partei, die mit dem sogenannten demokratischen Block (der derzeitigen Regierungskoalition) zusammenarbeitet.
Ein weiterer Stolperstein auf Babiš‘s zukünftigem Weg könnte auch die Novellierung des Lustrationsgesetzes sein. Das nach der Revolution von 1989 verabschiedete Lustrationsgesetz hatte bis vor einigen Jahren sichergestellt, dass ehemalige Mitglieder der Staatssicherheit (StB) oder Kollaborateure oder auch hochrangige Funktionäre der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei nicht in wichtige Positionen im Staatsapparat wie z. B. in der Regierung, der Armee oder der Justiz gelangen konnten. Allerdings hat die Regierung 2014, in der Babiš damals Minister war, dieses Gesetz rasch geändert, um Regierungsmitglieder auszunehmen. Der damalige neue Finanzminister Babiš ist als StB-Agent registriert und konnte sich daher nicht mit einer Lustrationsbescheinigung ausweisen. Die derzeitige Regierung will das Gesetz wieder strenger auslegen. Sollte der Änderungsantrag angenommen werden, könnte Babiš weder Minister noch Premierminister der Tschechischen Republik werden.
Zusammenführung der Gesellschaft unter Pavel
Der Sieg von Petr Pavel ist eine gute Nachricht für die prowestliche Entwicklung des Landes. Nach Jahren der Spaltung der Gesellschaft unter dem scheidenden Präsidenten Miloš Zeman, der für seine Liebe zu Russland und China bekannt war, wird der neue Präsident alle Hände voll zu tun haben, um die derzeit stark polarisierte Gesellschaft zusammenzuführen und einen neuen Kurs einzuschlagen. In seiner ersten Rede als neu gewählter Präsident ging Pavel gleich ans Werk. Er dankte allen Wählern, die zur Wahl gegangen sind und damit gezeigt haben, dass sie die Demokratie schätzen. Er betonte auch, dass er nicht die Unterschiede und Trennungen hervorheben wolle, sondern die Gemeinsamkeiten der Tschechen. Das beträfe nicht nur die Sprache, die Schönheit des Landes und seine Geschichte, sondern auch die gemeinsame Zukunft und die gemeinsamen Probleme der tschechischen Gesellschaft.
Ester Povýšilová ist Projektmanagerin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Büro für die Mitteleuropäischen und Baltischen Staaten in Prag.